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Housing First in HamburgNur ein kleiner Tropfen

Das Hamburger Housing First-Projekt für Obdachlose ist erfolgreicher als zunächst gedacht. Bislang konnten 30 Menschen in Wohnungen vermittelt werden.

Kein sicherer Rückzugsort, um wieder ins Leben zurückzufinden: Zelt unter einer Hamburger Brücke Foto: Franziska Spiecker/dpa

Hamburg taz | Das Hamburger Modellprojekt für Housing First ist erfolgreicher als zu Beginn angenommen. Insgesamt 30 Menschen konnte die Diakonie, die das Projekt seit 2021 umsetzt, bisher in 29 Wohnungen vermitteln. Damit hat das Projekt sein geplantes Ziel bereits erreicht. Um weitere Vermittlungen in der noch acht Monate laufenden Projektlaufzeit zu ermöglichen, wollen SPD und Grüne in der Bürgerschaft nun die geplante Fördersumme um 20 Prozent erhöhen.

Der Nationale Aktionsplan der Bundesregierung sieht die Überwindung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit bis 2030 vor. Dazu muss angesichts der Wohnungsproblematik in Deutschland schnell viel passieren. Der Aktionsplan formuliert grundlegende Ziele und Erfolge sowie zentrale Maßnahmen, um diese Ziele zu erreichen. Unter anderem soll der in Deutschland noch wenig verbreitete Housing-First-Ansatz gefördert werden.

Das Ziel von Housing-First-Projekten ist es, obdachlosen Menschen eine Wohnung und die Unterstützung zu bieten, die sie benötigen. Sie sollen einen sicheren Rückzugsort haben, der Weg zurück in die Gesellschaft soll so erleichtert werden.

Wie erfolgreich die Strategie ist, zeigt sich in Finnland. Dort hat ein groß angelegtes Housing-First-Projekt dazu geführt, dass die Zahl der Obdachlosen zurückgegangen ist. In Hamburg, aber auch in ganz Europa, steigt sie von Jahr zu Jahr.

Reguläre Mietverträge

Im Hamburger Projekt erhalten die Betroffenen eine unbefristete Wohnung, an die nur wenige Bedingungen geknüpft sind. Die Wohnungen gehören Vermieter:innen, die sie über die Wohnungsvermittlung des Projektes anbieten. Die Miete wird anfangs häufig über das Wohngeld oder das Bürgergeld von den Behörden finanziert, bis die Menschen auf eigenen Beinen stehen können. Der Mietvertrag besteht ganz regulär zwischen den Mie­te­r:in­nen und den Vermieter:innen.

In Hamburg zieht das Projekt eine positive Zwischenbilanz. Bei den Menschen, die über Housing First eine Wohnung gefunden haben, sei eine sehr positive Entwicklung zu beobachten. Auch die Diakonie bestätigt, wie wichtig die Wohnungen für die einzelnen Menschen sind.

Wenn man das Projekt jedoch in den größeren Zusammenhang der Obdachlosigkeit stellt, ändern die wenigen Wohnungen jedoch nicht viel. Die Zahl der Obdachlosen steigt immer mehr, zuletzt zählte die Stadt 2.000 Menschen. Das Hamburger Straßenmagazin Hinz&Kunzt und das dahinter stehende gleichnamige Projekt gehen davon aus, dass es dieses Jahr noch einmal deutlich mehr sein werden.

Hinz&Kunzt wisse auch durch eigene Projekte, dass eine langfristige Wohnmöglichkeit eine erfolgreiche Strategie sei, Menschen nachhaltig aus der Obdachlosigkeit zu holen. Projekte wie Housing First seien ideal, es müsse aber deutlich mehr Wohnungen geben.

Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit können von Wohnprojekten dieser Art nicht aufgefangen werden

Wie viele Menschen das Projekt noch in Wohnungen vermitteln kann, ist unklar. Die Diakonie ist optimistisch, dass durch die Aufstockung der Mittel mehr Menschen betreut werden können. Die Ausweitung des Projekts sei poitiv, Housing First sei neben anderen Strategien ein wichtiger Baustein im Kampf gegen Wohnungslosigkeit.

Ein Problem ist allerdings der Hamburger Wohnungsmarkt. Sozialwohnungen und günstige Mieten sind für die meisten nur schwer zu bekommen. Auch wenn die Zusammenarbeit der Diakonie mit der Wohnungswirtschaft sehr gut sei, brauche es in Zukunft mehr Wohnraum speziell für Wohnungslose, so Malte Habscheidt, Pressesprecher des Projekts Housing First. Offen ist auch, wie es mit dem Projekt nach dem Modellzeitraum weitergeht. Das muss die Sozialbehörde entscheiden.

Eine Schwachstelle des Hamburger Projektes ist, dass nur Menschen mit sozialrechtlichen Ansprüchen Zugang haben. Dadurch fallen viele Obdachlose, die beispielsweise keine deutschen Staats­bür­ge­r:in­nen sind, aus dem System und können diese Form der Hilfe nicht in Anspruch nehmen. Aktuell kommen immer mehr wohnungslose Menschen aus EU-Nachbarländern wie Polen oder Rumänien. Sie können von Wohnprojekten dieser Art nicht aufgefangen werden.

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1 Kommentar

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  • Ich begrüße solche Projekte, weil sie wirklich da ansetzen, wo das Problem ist.



    Doch ich kann gut nachvollziehen, warum dies auf Staatsangehörige beschränkt bleiben muss.



    Auf dem Wohnungsmarkt konkurrieren gerade die Schwächsten miteinander um immer weniger günstige Wohnungen. Diese egal wem kostenlos zur Verfügung zu stellen wird immer Neid hervorrufen bei denen, die auf den Sofas von Freunden übernachten müssen, weil sie sich die gerade angebotenen Wohnungen nicht leisten können.



    Die Städte brauchen nicht mehr Angebot speziell für Obdachlose, die Städte brauchen generell mehr Angebot.



    größere Budgets sind dringend notwendig, es ist schwierig zu überlegen, welche Budgets hier Vorrang haben sollten, wenn leider nicht alle gleichermaßen aufgestockt werden können.