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Bahn-Engpass NorddeutschlandMit Karacho durch die Heide

Verkehrsclub VCD plädiert für eine neue Bahnstrecke zwischen Hamburg und Hannover: Ein Ausbau der heutigen Strecken reiche nicht für den Klimaschutz.

Hier nicht lang! Der Widerstand gegen Neubaupläne einer weiteren Bahnstrecke zwischen Hamburg und Hannover ist groß Foto: Jonas Walzberg/dpa

Hamburg taz | Wenn die Bahn maßgeblich zum Klimaschutz beitragen soll, braucht Norddeutschland eine neue Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke zwischen Hamburg und Hannover. Diese These ist beim jüngsten niedersächsichen Mobilitätskongress des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) in Hannover plausibilisiert worden.

Auf 91 Seiten inklusive Anmerkungen hat Kay Rabe von Kühlewein, Aktivist bei Fridays for Future und Mitglied im VCD-Landesvorstand, ausgearbeitet, warum die gegenwärtigen Streckenausbaupläne nicht reichen. „In Niedersachsen wird sich entscheiden, ob Deutschland mit der Umsetzung des Deutschlandtakts zum Vorreiter beim Ausbau der Bahn voranschreite oder krachend seine Klimaziele verfehlt“, warnt Rabe von Kühlewein.

Die Verbindung Hamburg–Hannover gilt schon lange als Schwachpunkt im deutschen Bahnnetz. Im vergangenen Sommer fuhr dort jeder zweite Zug verspätet. Die Strecke ist überlastet – nicht nur wegen des gewachsenen Personenverkehrs, sondern auch aufgrund der vielen Güterzüge, die vom Hamburger Hafen aus in den Süden rollen.

Deshalb gab es schon Anfang der 1990er-Jahre Pläne für eine neue Bahnverbindung zwischen Hannover, Bremen und Hamburg. Diese „Y-Trasse“ scheiterte an den Bürgerinitiativen, die sich entlang des Neubauabschnitts bildeten. Um den Protest zu kanalisieren, berief die Landesregierung das Dialogforum Schiene-Nord ein, in dem Vertreter der Initiativen, Verbände, Politik und Bahn eine Lösung für den Ausbau des Schienennetzes finden sollten.

Schlechtes Kosten-Nutzen-Verhältnis beim Kompromiss

Ihr Kompromiss – gegen die Stimmen von Beteiligten wie Hamburg, Lüneburg oder dem VCD – bestand im Wesentlichen in der Ertüchtigung und im Ausbau des bestehenden Netzes. Doch diese Variante Alpha E ist teuer und bringt wenig. Gutachter bescheinigten ihr ein Kosten-Nutzen-Verhältnis von 0,7 oder gar nur 0,6. Sie kostet mehr als sie bringt und darf deshalb eigentlich gar nicht gebaut werden.

Vertreter des Dialogforums und später das Bundesverkehrsministerium peppten die Variante durch Ortsumfahrungen und die Ertüchtigung ergänzender Strecken auf ein „optimiertes Alpha E mit Bremen“ auf, um mindestens das geforderte Kosten-Nutzen-Verhältnis von eins zu erreichen.

Kein Wunder, dass sich die Bahn angesichts dieser Verrenkungen für einen Neubau ausgesprochen hat – jetzt entlang der A7 und der B3. Das führte zu einer bemerkenswerten Konstellation: Der Naturschutzbund Nabu, der Alpha E mitunterzeichnet hat, wandte sich gegen den Neubau. Dieser verbrauche mehr Fläche, zerschneide die Landschaft und belaste das Klima. Ins gleiche Horn stieß der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil, durch dessen Wahlkreis die Neubaustrecke führen würde.

Rabe von Kühlewein versucht, mit diesen Thesen aufzuräumen. Er argumentiert, dass sich eine Neubaustrecke für das Klima rechnen würde, weil sie viele Menschen zum Umsteigen vom Auto auf die Bahn motivieren würde. Rabe rechnete mit einem Plus von einer halben Million Fahrgästen, die wegen der 15 Minuten kürzeren Fahrzeit zwischen Hannover und Hamburg vom Auto auf die Bahn umsteigen würden. Das dabei nicht emittierte CO2 gleiche das beim Streckenbau erzeugte binnen zwölf Jahren aus, schreibt er unter Verweis auf internationale Studien.

Kapazität würde sich bei Neubau verdoppeln

Ein Neubau würde sich aus Sicht Rabe von Kühleweins auch deshalb lohnen, weil er die Kapazität im Schienenverkehr grob gesagt verdoppeln würde. Abschnittsweise ein weiteres Gleis zu verlegen, bringe dagegen nur ein Viertel mehr Fahrgäste, weil das zusätzliche Gleis wie eine dritte eingleisige Strecke mit Gegenverkehr funktionieren würde.

Für eine Steigerung des Bahnverkehrs um gut das Doppelte, die notwendig ist, um die Klimaschutzziele zu erreichen, genüge das nicht. Im Gegenteil: Die Aussicht, dass die Bahn den wachsenden Verkehr nicht werde aufnehmen können, würde Straßenbauprojekten wie der Küstenautobahn A20 oder der A39 Wolfsburg–Lüneburg Auftrieb geben, die um ein Vielfaches umweltschädlicher sind als der Bau einer Bahnstrecke.

Rabe von Kühlewein warnt, dass ein Ausbau des bestehenden Netzes den Bahnverkehr in Norddeutschland viele Jahre lang erschweren würde. Das wäre kontraproduktiv, wenn es doch darum gehen soll, Menschen zum Umsteigen auf öffentliche Verkehrsmittel zu bewegen.

Letztlich ist aus Rabe von Kühleweins Sicht nur ein Neubau geeignet, die nötige Kapazität bereit zu stellen, um den mit dem Bundesverkehrswegeplan beschlossenen Deutschlandtakt verwirklichen zu können. Demnach soll schrittweise auf allen Fernverkehrsstrecken ein 30-Minuten-Takt eingeführt werden. Der Ausbau der Infrastruktur soll sich daran orientieren. „Erst der Fahrplan, dann der Aus- und Neubau des Schienennetzes“, lautet dazu die Ansage des Bundesverkehrsministeriums.

2029 soll die bestehende Strecke von Hamburg über Lüneburg und Uelzen nach Hannover generalsaniert werden, wobei nach den Vorstellungen des Landes Niedersachsen möglichst viel Alpha E umgesetzt werden soll. Sobald absehbar ist, was das bringt, solle über weitere Kapazitätsausweitungen nachgedacht werden, schrieb Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) vor gut einem Jahr ans Bundesverkehrsministerium.

Rabe von Kühlewein bezeichnete diese Haltung als „vollkommen unverständlich“. Die Entscheidung über einen Neubau zu vertagen, werde den heutigen schlechten Zustand auf weitere zehn Jahre zementieren.

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