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Der Traum von der grünen Schifffahrt

Die Technik zur Reduzierung der Emissionen auf See ist zwar vorhanden, doch die Infrastruktur für die Herstellung alternativer Kraftstoffe fehlt bislang

LNG-Terminal Wilhelms­haven: Der fossile Brennstoff Flüssiggas ist keine nachhaltige Alternative für den Schiffsantrieb Foto: Stefan Rampfel/dpa/picture alliance

Von Joachim Göres

Die internationale Schifffahrt verursacht derzeit rund drei Prozent der klimaschädlichen CO2-Emissionen durch die im Seeverkehr hauptsächlich eingesetzten Kraftstoffe Diesel und Schweröl. Sie ist zudem für 13 Prozent der weltweiten Schwefeldioxid- und für 15 Prozent der Stickoxidemissionen verantwortlich. „Fossile Brennstoffe sind zukünftig keine Option“, betont Katharina Beck, finanzpolitische Sprecherin bei Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, die Rolle der Schifffahrt beim Gelingen der Energiewende. Hat die Branche das verstanden? So scheint es zumindest: Das Thema Dekarbonisierung der Schifffahrt war auf der maritimen Weltleitmesse SMM (Shipbuilding, Machinery and Marine Technology trade fair) kürzlich in Hamburg eines der Hauptthemen, zu der viele Aussteller Neuheiten zeigten.

So präsentierte MAN Energy Solutions Schiffsmotoren, die mit Ammoniak und Methanol betrieben werden. Dabei geht es sowohl um die Ausstattung neuer Schiffe als auch um die Umrüstung bestehender Motoren. „Die Umrüstung mit synthetischen Kraftstoffen ist für eine klimaneutrale Schifffahrt von entscheidender Bedeutung“, sagt der Vorstandsvorsitzende Uwe Lauber und fügt hinzu: „Neben neuen Motoren brauchen wir auch Konzepte, um die Bestandsflotte zu dekarbonisieren, schließlich haben Schiffe eine Lebensdauer von 20 bis 30 Jahren.“

Es fahren bereits einige Containerschiffe mit Methanol-Motoren von MAN Energy Solutions auf hoher See. „Wir haben mehr als 200 Bestellungen für Methanol-Schiffsmotoren. Große Reedereien waren die Vorreiter, andere ziehen jetzt nach. Das ist ein sehr starker Wachstumsmarkt“, sagt Lauber. Er tritt für einen globalen CO2-Preis in der Schifffahrtsindustrie ein, damit fossile Kraftstoffe künftig mehr kosten und das derzeit noch wesentlich teurere grüne Methanol auch wirtschaftlich für immer mehr Auftraggeber eine Alternative darstellt. Methanol ist ein Gemisch aus Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid, das bisher meist aus fossilen Rohstoffen erzeugt wird. Methanol kann aber auch auf Basis von erneuerbaren Energien hergestellt werden.

Auch andere alternative Antriebe sind im Kommen. Dazu zählen moderne Segelkons­truktionen, über die der Wind einen Teil der Antriebsenergie beisteuert. Bei Fähren und anderen kleinen Schiffen sorgen zunehmend Batterien zusammen mit herkömmlichen Systemen für den Antrieb.

Weiterhin auf Diesel als Kraftstoff setzt die Augsburger Alternative Energy Solutions (AES). Dass ein Unternehmen mit diesem Namen an einem fossilen Brennstoff festhält, wirkt erstaunlich. Mitarbeiter Rainer Sakowsky begründet dies so: „Weltweit fahren 200.000 Schiffe, davon sind 180.000 mit Diesel unterwegs. Mit unserem Produkt ist die Nachrüstung von Diesel-Motoren möglich.“ AES vertreibt ein in Schweden hergestelltes Abgasrückführungssystem, mit dem nach eigenen Angaben Diesel-Motoren schneller und billiger als durch Katalysatoren ihre Stickstoffemissionen reduzieren. Als Einsatzgebiet sieht Sakowsky vor allem maritime Fahrzeuge in Küstennähe wie Fähren und Hafenbagger.

Das Umweltbundesamt spricht von mehr als 90.000 Schiffen, die weltweit auf den Meeren unterwegs sind – Tendenz steigend. Dazu zählen Frachtschiffe, über die 90 Prozent des internationalen Warenverkehrs abgewickelt werden, Passagierschiffe sowie Serviceschiffe wie Schlepper. Fischereischiffe sind in dieser Zahl nicht enthalten.

Skeptisch beim Thema Umweltschutz zeigt sich Franziska Saalmann, für das Thema Meere bei Greenpeace zuständig: „Die Schifffahrt will bis 2050 klimaneutral sein, einige große Reedereien wollen das Ziel bis 2040 erreichen. Doch dafür liegt noch kein Fahrplan vor, die jetzigen Anstrengungen reichen nicht aus.“ Vor allem seien mehr Anreize und Investitionen nötig, damit ausreichend grünes Methanol als klimaneutraler Kraftstoff künftig zur Verfügung stehe. „Dafür muss es mehr Förderung von Seiten der Politik geben.“ Seit diesem Jahr müssen Reedereien, deren Schiffe mit einer Bruttoregisterzahl ab 5.000 in Häfen der EU anlegen, Emissionszertifikate für den Treibhausgasausstoß kaufen. Dieses Geld sollte für den Ausbau der Produktion von grünem Schiffstreibstoff investiert werden.

An den Emissionswerten wird sich so schnell nichts Grundlegendes ändern: Mehr als die Hälfte der in diesem Jahr gebauten neuen Schiffe werden nach Angaben des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik mit konventionellem Treibstoff fahren.

Laut Naturschutzbund Deutschland gibt es trotz technischer Verbesserungen kein Kreuzfahrtschiff, das Umwelt und Klima nicht belastet. Im vergangenen Jahr sind die Emissionen für Schwefel, Stickoxide und Ruß durch immer mehr Kreuzfahrten deutlich gestiegen. Am stärksten sind die Menschen in den Städten betroffen, in denen Kreuzfahrtschiffe anlegen. Nach Berechnungen der Nichtregierungsorganisation Transport und Environment haben 2022 alle Kreuzfahrtschiffe in Europa viermal so viel Schwefeldioxid ausgestoßen wie alle Autos zusammen in Europa.

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