Das Gedicht zur Lage: das Schlimmste kommt noch
Wenn der große Horror sich offenbart, helfen vielleicht Verse. Dass nichts bleibt, wie es ist, kann Drohung sein – aber auch Hoffnung machen.
d as Schlimmste kommt noch
so, wie es jetzt ist,
bleibt es nicht
oder hattet ihr gedacht,
dass es immer so weitergeht?
hattet ihr das wirklich gedacht?
nun, wenn dem so ist,
so muss ich euch leider enttäuschen
denn es wird definitiv nicht so weitergehen
denn wie gesagt: das Schlimmste kommt noch
ja, das Schlimmste kommt noch
man kann es eigentlich nicht oft genug sagen
und wenn ich „das Schlimmste“ sage,
dann meine ich auch „das Schlimmste“
und nicht etwa nur das Sterben
oder gar den Tod
denn gegen das Sterben gibt es Medikamente
und der Tod ist sowieso eine Erlösung
aber das Schlimmste ist und bleibt nun mal das Schlimmste
ob euch das nun gefällt oder nicht
das Schlimmste ist das Schlimmste
und wie gesagt: es kommt noch
ja, das Schlimmste kommt noch
denn so, wie es jetzt ist,
bleibt es nicht
oder hattet ihr gedacht,
dass es immer so weitergeht?
hattet ihr das wirklich gedacht?
ja, das könnte euch so passen
nur keine Veränderungen!
immer soll alles so bleiben,
wie es ist
doch das eine sage ich euch:
es wird nichts so bleiben,
wie es ist
alles wird sich ändern
ja, das wird es
und dann könnt ihr zusehen,
wo ihr bleibt
doch mit eurem Luxusleben ist es dann definitiv vorbei
denn wie gesagt: das Schlimmste kommt noch
macht euch darauf gefasst
so, wie es jetzt ist,
bleibt es jedenfalls nicht
wäre ja auch zu schön,
um wahr zu sein,
wenn es immer so weiterginge
doch es geht nun mal nicht so weiter
zumal das Leben nicht im Konjunktiv stattfindet
doch ich möchte jetzt gar nicht allzu philosophisch werden
und deshalb sage ich noch einmal:
das Schlimmste kommt noch
so, wie es jetzt ist,
bleibt es nicht
irgendwas ist schließlich immer
da könnt ihr letztlich machen,
was ihr wollt
doch das Schlimmste kommt noch
Das Gedicht haben wir dem 2024 erschienenen Gedichtband „nur Sex“ von Clemens Schittko entnommen, mit freundlicher Genehmigung des XS-Verlags, Berlin.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Trump erneut gewählt
Why though?
Pro und Contra zum Ampel-Streit
Sollen wir jetzt auch wählen?
US-Präsidentschaftswahlen
Die neue Epoche
US-Präsidentschaftswahlen
Warum wählen sie Trump?
Harris-Niederlage bei den US-Wahlen
Die Lady muss warten
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala