Wahlempfehlung der „Washington Post“: Bruch mit der Tradition
Nach dem Entschluss der US-Zeitung „Washington Post“, keine Wahlempfehlung abzugeben, ist die Empörung groß. Hunderttausende Leser*innen kündigten Abos.
Erinnern Sie sich noch an den „Trump Bump“? Nach dem 9. November 2016, dem Wahltag, an dem Donald Trump zum Präsidenten der USA gewählt wurde, stieg die Anzahl der neuen digitalen Abonnent:innen sowohl bei der New York Times und dem Wall Street Journal als auch bei der Washington Post deutlich an.
Ein Phänomen, das in den vergangenen Jahren immer wieder als Beispiel dafür angeführt wurde, dass Qualitätsjournalismus auch außerhalb journalistischer Kreise noch einen Stellenwert in der Gesellschaft hat.
Im ersten Amtsjahr Trumps knackte die Washington Post die Millionengrenze bei den digitalen Abonnent:innen. Dieser Anstieg wird darauf zurückgeführt, dass wieder mehr Menschen bereit waren, für Nachrichten zu bezahlen.
Für eine unabhängige Presse, denn „Democracy Dies in Darkness“, die Demokratie stirbt in der Dunkelheit. Der Slogan, den die Washington Post ihren Leser:innen als Versprechen gab, galt für alle großen etablierten Zeitungen.
Empfohlener externer Inhalt
Erfolg gerät ins Wanken
Empfohlener externer Inhalt
Spätestens seit der Amtszeit von Joe Biden stagnierte die Zahl der zahlenden digitalen Leser:innen bei den drei größten Zeitungen der USA, die Washington Post hatte 2023 jedoch bereits rund 2,5 Millionen zahlende Leser:innen.
Seit gut einer Woche gerät der Erfolg des „Trump Bump“ ins Wanken: Erst zum zweiten Mal seit fast 50 Jahren wird die Washington Post keinen Präsidentschaftskandidaten unterstützen. Sie wird diese Praxis sogar ganz aufgeben.
Eine Empfehlung für Kamala Harris sei von der Redaktion vorbereitet worden, hieß es in einem Artikel der Post, doch wenige Tage vor der Wahl sei entschieden worden, sie nicht zu veröffentlichen. Diese Entscheidung sei nicht von der Redaktion der Zeitung getroffen worden, berichtete unter anderem die Washington Post selbst, sondern von ihrem Eigentümer, dem Amazon-Gründer Jeff Bezos.
Die Redaktion veröffentlichte daraufhin einen Protestbrief von 21 Kolumnist:innen, Kommentare sowie eine kritische Einordnung der Entscheidung. Darin heißt es, Bezos leite Amazon zwar nicht mehr selbst, sein Vermögen bestehe aber zu einem großen Teil aus Aktien des weltgrößten Onlinehändlers. Außerdem gehört ihm das Raumfahrtunternehmen Blue Origin, das auf Staatsaufträge angewiesen ist. Eine Trump-Regierung könnte seinen Unternehmen das Leben schwermachen.
Mitarbeitende verlassen Zeitung
Die Redakteur:innen bitten nun ihre Leser:innen, ihr Abo nicht zu kündigen. Schon nach einer Woche sind mehr als 250.000 Kündigungen bei der Zeitung eingegangen. Damit hat sich jeder zehnte digitale Abonnent von der Washington Post verabschiedet.
Es gibt auch personelle Folgen der Entscheidung: Am Freitag gaben zwei Redakteur:innen, Robert Kagan und Danielle Allen, ihren Wechsel zum ebenfalls in Washington ansässigen Magazin The Atlantic bekannt. Kagan war einer der führenden Meinungsredakteure.
Allen, eine politische Philosophin und Professorin an der Harvard University, war dort mehr als 15 Jahre lang Kolumnistin. „Ich denke, die Entscheidung von Herrn Bezos ist eine beschämende Kapitulation vor der Desinformation“, schrieb Allen bei der Bekanntgabe am Freitag. „Es ist, als würde ein guter Lehrer in Zeiten des Lehrermangels das Klassenzimmer verlassen.“
Auch wenn andere Medien kurzfristig Kapital aus der Kontroverse schlagen, indem sie Journalist:innen und Kund:innen abwerben, wird langfristig die gesamte journalistische Landschaft leiden.
Trump nutzt Nichtunterstützung aus
Trump konnte die Entscheidung wenige Tage vor der Wahl für sich nutzen: Auf einer Kundgebung in North Carolina behauptete er am Mittwoch, die Nichtunterstützung der Washington Post sei eigentlich ein Gütesiegel für seine Kampagne: „Dass sie niemanden unterstützen, heißt eigentlich, dass die Demokraten nicht gut sind. Und sie denken, dass ich einen guten Job mache. Sie wollen es nur nicht sagen.“
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