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Vampir-Serie „Love Sucks“Luft, Liebe und Blut

Mit „Love Sucks“ bringt ZDFneo eine neue Vampirserie pünktlich zu Halloween heraus. Sie hätte der Zuschauerschaft allerdings mehr zutrauen können.

Zelda Zoris (Havana Joy, M.) sucht auf einer Party ihren Geliebten Ben Foto: Frank Dicks/ZDF

Das Vampirmotiv gehört mit „Twilight“ und „Vampire Diaries“ unter Gen Zs und Millennials wie kaum ein anderes zur indiskutablen Popkultur. Anderthalb Jahrzehnte später legt ZDFneo mit der achtteiligen Serie „Love Sucks“ eine Interpretation vor. Sie macht viel richtig im abgegrasten Feld der Vampirnarrative und hat dennoch den ganz großen Wurf verfehlt.

Zelda (Havana Joy) arbeitet als Profi­boxerin gemeinsam mit ihrem Bruder und ihrem Vater (Stipe Erceg) auf dem Jahrmarkt, als sie Ben von Greifenstein (Damian Hardung) das erste Mal begegnet. Eine Liebe auf den ersten Blick, die ein kleines, nun ja, Problem beinhaltet: Ben kann nicht von Luft und Liebe leben, sondern braucht Blut. Ben ist ein echter Vampir, mitten in Frankfurt.

Viel mehr passiert dann auch gar nicht – das unmögliche Paar kämpft gegen den Vampirhass ihrer und die Unerbittlichkeit seiner Familie, uralte Fragen nach der Entscheidung zwischen (im wahrsten Sinne des Wortes) Blutsverwandtschaft und Liebe kommen auf, am Ende gibt’s eine Tragödie.

Ein paar originelle Twists gelingen Headautor Marc O. Seng durchaus: Die Liebesgeschichte wird wie jede gute unmögliche Liebe auch zum Klassendrama: Sie ist nicht nur sterblich, sondern auch arm, er nicht nur unsterblich, sondern aus gutem Hause.

Die Serie

„Love Sucks“, acht Folgen, ab 31. 10. um 20.15 Uhr auf ZDFneo, dann täglich neue Folgen

Die szenische Dichotomie zwischen edlen Gemäuern und alten Luxuskarossen der von Greifensteins – die ihr Blut originellerweise durch die Fake-Stiftung „New Dawn“ beziehen – auf der einen und den Jahrmarktwohnwägen von Zeldas Familie auf der anderen Seite strukturiert die Serie.

Genderfluider Vampir

Auch eine genderfluide Interpretation der männlichen Vampirästhetik ist eine wahre Freude: Ben lebt sein Vampirleben mit lackierten Fingernägeln, Ohrringen und Boots. Im Vergleich zum verklemmten „Twilight“-Universum mit seiner frauenfeindlichen Sexualmoral wird hier ein Sinnlichkeitsparadigma ins Vampir­universum eingeflochten, das dem des amerikanischen Raums weit voraus ist; Blut, Techno und Lust werden auf ästhetisch anspruchsvolle Weise verflochten.

Szenen, in denen Ben seine nun greisenhafte erste Ehefrau auf dem Sterbebett küsst, brechen auf ebenso überraschende wie logische Weise mit Gattungskonventionen der ewig jungen Weiblichkeit des menschlichen Liebesparts – wenn eine Seite einer Liebe unsterblich ist, bringt das eben ganz eigenen Probleme mit sich.

Besonders die Besetzung der Brüder von Greifenstein ist ein Glück für die Serie: Damian Hardung, deutscher Jungstar der Serienlandschaft und zuletzt durch „Maxton Hall“ international bekannt geworden, und Rick Okon, bekannt als Kommissar des Dortmund Tatorts, glänzen mit blasshäutiger, rotlippiger Vampirmelancholie.

Bei allem Lob über neue Ideen im mittlerweile völlig überstrapazierten Vampiruniversum wäre dennoch der jungen Zuschauerschaft das entscheidende bisschen Mehr zuzutrauen gewesen: Ein wenig zu glatt geht diese große Liebe über die Bühne, echte potenzielle Konfliktlinien wie die, dass Ben nebenbei erklärt, er könne nie eine Familie gründen, verschwinden im Nichts.

Stattdessen wird ruckzuck geheiratet und so doch wieder ein bisschen zu sehr in die Twilight-Logik abgerutscht. Eine ambivalentere Betrachtung der Beziehung wäre ebenso lohnenswert gewesen wie ein Ende, das nicht auf Shakespeare-Art alle Angehörigen am Grab versöhnt. Originelle Ansätze hätten durch mehr Mut zu echter Mehrdeutigkeit funktionieren können – so bleibt „Love Sucks“ in vielversprechenden Kinderschuhen stecken.

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