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Regierungsbildung im OstenSondierungen zum Dritten

Fünf Wochen nach der Wahl in Brandenburg stehen SPD und BSW vor Koalitionsverhandlungen. Auch in Thüringen und Sachsen wird wieder geredet.

Zufrieden mit den Vorgesprächen: Dietmar Woidke (SPD) und Robert Crumbach (BSW) Foto: Michael Bahlo/dpa

Berlin taz | Nach dem Stocken der Regierungsverhandlungen in Thüringen und Sachsen werden die Gespräche zwischen CDU, SPD und BSW in beiden Ländern fortgesetzt. Am Montag vermeldeten auch die dort seit 34 Jahren regierende SPD und die Politiknewcomer den erfolgreichen Abschluss von Sondierungsgesprächen. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woid­ke und BSW-Landeschef Robert Crumbach empfahlen am Montag die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen.

„Das Vertrauen ist gewachsen“, betonte Woidke vor der Landespressekonferenz. Crumbach sprach von „erheblichen Übereinstimmungen in der Analyse der Situation in Brandenburg“. Am Abend wollen die Vorstände beider Parteien darüber abstimmen, ob sie der Empfehlung folgen und über eine gemeinsame Regierung verhandeln.

Während die Zustimmung der SPD-Gremien in Brandenburg als gesichert gilt, ist die spannende Frage beim BSW, inwieweit Parteigründerin Sahra Wagenknecht aus Berlin dazwischenfunkt.

In Thüringen, wo das BSW mit CDU und SPD verhandelt, lagen die Gespräche wegen der Interventionen der Parteichefin in Sachen Außenpolitik auf Eis. Am Montagnachmittag erklärten die Spitzen aller drei Parteien jedoch, die Verhandlungen wieder zu vertiefen, mit dem Ziel eine stabile Regierung für Thüringen zu bilden. In einem Kompromisspapier mit dem Titel „Mut zur Verantwortung – Thüringen nach vorn bringen“ beschrieben die drei Partner in spe ihre Differenzen – „Westbindung“ bei CDU und SPD, „kompromissloser Friedenskurs“ bei BSW – und bekundeten andererseits den Willen, „das Land aus der Mitte heraus zusammenzuführen“.

Die Thüringer BSW-Vorsitzende Katja Wolf hatte sich hier im Ringen um einen Kompromiss gegen Wagenknecht durchgesetzt und verteidigte ihn mit den Worten: „Uns verbindet alle diese Sehnsucht nach Frieden.“

Knackpunkte sind überall die gleichen

In Sachsen stockten die Sondierungsgespräche zwischen den drei Parteien, nachdem das BSW für einen AfD-Antrag auf einen Corona-Untersuchungsausschuss gestimmt hatte. Inzwischen laufen sie hier ebenfalls wieder.

Die Knackpunkte – die Rolle der Außenpolitik auf Landesebene und eine mögliche Zusammenarbeit mit der AfD – sind in Brandenburg die gleichen. BSW-Landeschef Crumbach gab sich dennoch optimistisch, dass Verhandlungen in Brandenburg störungsfreier verlaufen. Auf die Frage, ob die Chefin mit am Tisch sitze, reagierte er gelassen: „Das Parteipräsidium kennt das Papier.“ Wie in anderen Parteien habe man sich mit der Bundespartei „eng und gut“ abgestimmt, so Crumbach und hob hervor: „Das BSW Brandenburg ist das BSW Brandenburg“.

In dem dreiseitigen Sondierungspapier, welches am Montag öffentlich wurde, ist die SPD dem BSW in zentralen Fragen weit entgegengekommen. Zu der für die Wagenknecht-Partei identitätsstiftenden Frage über eine Verhandlungslösung im russischen Krieg in der Ukraine und den Stopp von Waffenlieferungen heißt es im Papier: „Der Krieg wird nicht durch weitere Waffenlieferungen beendet werden können.“

Und weiter: Man sei übereingekommen, „dass wir uns im Sinne der Charta der Vereinten Nationen und des Budapester Memorandums auf Bundesebene und auf Ebene der Europäischen Union dafür einsetzen, eine diplomatische Lösung des Ukrainekonflikts […] voranzutreiben.“ Wagenknecht zeigte sich via X zufrieden: „Brandenburg zeigt, dass gute Kompromisse möglich sind.“

BSW bekennt sich zur Bundeswehr

Der Verweis auf beide Verträge – er findet sich auch in dem Thüringer Papier – ist allerdings entscheidend, gründen sie doch auf der Unverletzlichkeit der Grenzen und der Souveränität der Staaten. Im Budapester Memorandum hatte sich Russland 1994 sogar gegenüber der Ukraine zu beiden Grundsätzen verpflichtet. Eine bedingungslose Kapitulation der Ukraine oder der Verzicht auf weitere militärische Unterstützungen seien also nicht gemeint, erläutert der Brandenburger SPD-Generalsekretär David Kolesnyk gegenüber der taz. „Das heißt nicht, dass wir Waffenlieferungen für falsch halten oder sie einstellen wollen.“ Es handele sich um einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands, das gebe der Ukraine das Recht und die Pflicht, sich zu verteidigen.

In einem anderen Punkt weicht das Sondierungspapier von Beschlüssen des SPD-Präsidiums ab. Das hatte die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen im August als „wichtigen Baustein“ verteidigt. Im Sondierungspapier werden diese „kritisch“ gesehen. Woidke betonte, man stehe zur Bundeswehr und ihren Standorten in Brandenburg. Dazu gehört auch der Fliegerhorst Holzdorf. Dort soll das mobile Luftabwehrsystem „Arrow 3“ stationiert werden – das mit Hyperschallraketen operiert.

Crumbach hatte dem „wenig hinzuzufügen“. Das BSW habe „nie die Bundeswehr in Frage gestellt“. Beim Thema Corona-Aufarbeitung wollen BSW und SPD eine Enquetekommission, die herausarbeiten soll, „wie unser Gesundheitssystem für die Bewältigung von Pandemien aufgestellt ist“. Falls die Landesgremien zustimmen, könnten die Koalitionsverhandlungen nächste Woche beginnen, so die stellvertretende SPD-Landesvorsitzende Katrin Lange.

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4 Kommentare

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  • Da arbeitet man sich 30 Jahre lang an der Linken ab als SEDNachfolgepartei, regierungsunfähig etc. und sobald sich die echten SEDler wiederfinden und ihrer Führerin huldigen freuen sich alle.

    Alternativlos von wegen

  • In Brandenburg hat das BSW es mit Woidke zu tun, einem Schwergewicht innerhalb der SPD. Wer hat zuletzt ein Flächenland für die SPD gewonnen? Woidke ist unangreifbar, er hat im Wahlkampf hoch gepokert und gewonnen. Er kann sich auch eine Distanzierung zu seiner Bundespartei erlauben, um eine Regierung zu bilden.

    In Thüringen hat das BSW es mit Voigt zu tun, einem Leichtgewicht innerhalb der CDU. Natürlich kann Voigt nicht in eine Konfrontation mit seiner Bundespartei gehen. Er muss nach außen hin härter auftreten, weil er nach innen hin schwächer ist. Er kann nicht in einer Präambel alles unterschreiben. Dafür müsste auch das BSW Verständnis haben.

    Sachsen liegt so dazwischen.

    Habe aber inzwischen leider den Eindruck, dass es den BSW-Oberen alles völlig egal ist, und dass sie den Laden aus Prinzip "auf Linie bringen" wollen. Damit werden sie ihn aber zerstören.

  • Das freut mich, zu hören!



    Es muss einen Weg ohne "afd" geben.



    Ich bin auch davon überzeugt, dass letztlich Alle Frieden wollen.



    Wenn die Friedensformel lautet, dass mehr diplomatische Anstrengungen unternommen werden müssen, was sollte daran falsch sein?



    Das demokratische Ziel lautet: es geht ohne "afd",



    wir brauchen keine "afd",



    DemokratInnen sind in der Lage, auch schwierige Lagen zu lösen.



    Daher hoffe ich auf erfolgreiche Koalitionsverhandlungen in allen drei Bundesländern und wünsche allen DemokratInnen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg Glück und Erfolg.

  • Sieh an: Es geht doch. Und in Brandenburg noch am besten. Wo ein Wille ist, ist ein Weg ...