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Kritik an Investor Lars WindhorstDer große Windhorst-Jammer

Werften in Flensburg und Rendsburg und das Ihme-Zentrum in Hannover: Unternehmen, in die Lars Windhorst einstieg, stecken in der Krise. Er schweigt.

Will sich nicht an der öffentlichen Diskussion beteiligen Lars Windhorst während einer Pressekonferenz zur Lage seiner Werften Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

Rendsburg taz | Aus grauen Wolken fällt feiner Regen auf das Gelände der Nobiskrug-Werft in Rendsburg. Hinter den Zäunen regt sich nichts. Die Kräne stehen still, auf den Parkplätzen fehlen die Wagen der Mitarbeitenden: 500 der insgesamt 530 Beschäftigten von Nobiskrug in Rendsburg sowie von der Flensburger Schiffbau Gesellschaft (FSG) in Flensburg sind seit dem 21. Oktober von der Arbeit freigestellt. Schon in der Vergangenheit gab es immer wieder Probleme bei der Auszahlung der Löhne. Derzeit warten noch rund 80 Beschäftigte auf ihr Septembergehalt, teilt die IG Metall mit.

„So geht man nicht mit Arbeitskräften um“, sagte Martin Bitter von der IG Metall Rendsburg bei einer Demonstration am Freitag vor den Werkstoren. „Die Kolleginnen und Kollegen und auch die Werft selbst haben eine weniger windige Zukunft verdient.“ Das Wortspiel ist auf Lars Windhorst gemünzt, der 2019 die FSG und 2021 Nobiskrug übernahm. Es sind nicht die einzigen Firmen, deren Lage nach dem Einstieg des Investors eher schlechter als besser wurde.

Windhorst, Jahrgang 1976, bastelte schon als Jugendlicher Computer zusammen und galt in den 90er-Jahren als „Wirtschaftswunderkind“. Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl nahm ihn als Vorzeige-Unternehmer auf eine Auslandsreise mit. 2003 und noch einmal 2009 ging Windhorst pleite, startete aber nach jedem Rückschlag neu durch. Heute soll er nach Angaben des NDR-Magazins „Panorama 3“ rund 150 Firmen in der ganzen Welt besitzen oder an ihnen beteiligt sein. Doch nach Recherchen des Magazins „scheint es vielen seiner Unternehmen nicht gut zu gehen. Die Frage, womit er überhaupt Geld verdient, beantwortet Windhorst nicht.“

Werft-Beschäftigte fürchten um ihre Zukunft

In Norddeutschland ist der Unternehmer, der einige Jahre auch Hauptanteilseigner des Fußballklubs Hertha BSC Berlin war und dort wohl rund 374 Millionen Euro investierte, an mehreren Projekten beteiligt. So kaufte er das Ihme-Zentrum in Hannover, einen Betonbau mit Wohnungen und einer Ladenzeile, der einst als Teil der Stadtmodernisierung gefeiert wurde, längst aber mit Leerstand zu kämpfen hat.

Windhorst hatte viele Pläne für den Klotz, passiert ist wenig. Im Jahr 2022 kündigte die Stadt zugesagte Mietverträge, im August 2023 stellte die Hausverwaltung des Ihme-Zentrums Insolvenzantrag. Doch ob das Verfahren wie geplant ablaufen kann, ist unklar: Der Immobilienunternehmer Ulrich Marseille sagt, er habe Lars Windhorst vor Jahren mehr als 200 Millionen Euro geliehen und dafür Grundschuldrechte auf die Ihme-Zentrum-Anteile erhalten, berichtet die Hannoversche Allgemeine Zeitung. Jetzt wolle er sein Geld zurück.

In Schleswig-Holstein fürchten Beschäftigte und Politik um den Fortbestand der Werften. Mehrere Aufträge, darunter ein Schwimmkran und Bunkerschiffe für Flüssiggas (LNG), für die der Bund 62 Millionen Euro Fördermittel bereitstellen wollte, platzten. „Wir haben wirklich alles unternommen, damit die FSG die Förderung erhalten kann“, sagte der Koordinator der Bundesregierung für Maritime Wirtschaft, Dieter Jane­cek (Grüne), im Sommer. „Leider wurde das mehrfach zugesicherte Eigenkapital zur Besicherung der Aufträge nicht zur Verfügung gestellt.“

Zwar widersprach ein Werftsprecher dieser Darstellung, doch der fehlende Auftrag ist ein weiterer schwerer Schlag für die Betriebe. Die Würzburger Interieur Manufaktur (Wima), eine Tochter der FSG-Nobiskrug Holding, ist laut Medienberichten offenbar bereits insolvent.

Auch die Landesregierung ist alarmiert: Von den Versprechen, die Windhorst gegeben habe, sei keines eingehalten worden, sagte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) bei einem Besuch der Werften im Sommer. Oppositionsführerin Serpil Mid­yatli (SPD) wünscht sich einen Neuanfang ohne Windhorst, sie brachte eine staatliche Beteiligung ins Spiel. Die lehnte Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) aber ab: „Die Landesregierung sieht darin keine tragfähige Lösung“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Es sei nicht möglich, den „Betrieben in ihrer derzeitigen wirtschaftlichen Situation öffentliche Kredite zu gewähren“. Auch könne das Land „den Eigentümer nicht zwingen, seine Werften zum Verkauf anzubieten“.

Belegschaft will weiter demonstieren

Allerdings forderte der Minister Windhorst auf, den Weg freizumachen: „Wir haben lang genug Geduld gehabt, wir haben überall unterstützt“, sagte Madsen. Doch „alles, was Herr Windhorst versprochen hat, hat er nicht eingehalten, und deswegen ziehen wir jetzt eine rote Linie und hoffen, dass wir ein schnelles Ende finden, damit wir wiederum einen schnellen Start gemeinsam finden können.“

Doch Windhorst denkt derzeit offenbar nicht an einen Verkauf. Der Unternehmer meldete sich nach den Demonstrationen zu Wort, allerdings nur, um zu erklären, dass er sich nicht an der „öffentlichen Diskussion über die Situation bei der FSG“ beteiligen wolle. Es werde „mit Hochdruck“ an der Sanierung gearbeitet, aber das sei „eine interne Geschäftsangelegenheit“.

Immerhin versprach er, dass das Geld für die ausstehenden Löhne auf den Konten der Werft eingetroffen sei und demnächst ausbezahlt werde. „Ich erwarte von Herrn Windhorst, dass Ende des Monats auch die Oktoberlöhne für alle 530 Beschäftigten bezahlt werden“, sagte Michael Schmidt von der IG Metall Flensburg. Am Mittwoch will die Belegschaft erneut demonstrieren.

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1 Kommentar

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  • Als ich Herrn Windhorst zum ersten Mal wahrnahm, wusste ich sofort, dass er nicht zu denen gehört, denen ich Geld anvertrauen würde, nicht einmal einen 10€-Schein. Warum so viele "Unternehmer", Journalisten und Politiker auf solche Windbeutel und Dampfplauderer immer wieder hereinfallen, ist mir schleierhaft.