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Vor der UN-Klimakonferenz in BakuWie viel darf Klimaschutz kosten?

Bei der COP29 muss ein neues Ziel für die Klimafinanzierung vereinbart werden. Der Bedarf ist hoch, woher das Geld kommen soll, ist umstritten.

Fluten in Feni, Bangladesch: Der Globale Süden braucht viel Geld fürr Investitionen in Prävention und Folgen von Klimakatastrophen Foto: Mohammad Ponir Hossain/reuters

Berlin taz | Die Frage nach der Finanzierung von Klimamaßnahmen sei „das Herz der Klimadiplomatie“ auf der diesjährigen UN-Klimakonferenz, sagte der Konferenz-Präsident Mukhtar Babayev. Wer wie viel Geld zur Verfügung stellt, damit Länder des Globalen Südens das Klima schützen und sich an die Folgen der Erderhitzung anpassen können, wird eine der zentralen Fragen sein, die im November auf der Klimakonferenz im aserbaidschanischen Baku verhandelt werden.

Aktuell ist das Ziel, dass die Industriestaaten jährlich 100 Milliarden Euro für Klimamaßnahmen im Globalen Süden bereitstellen, die sogenannte Klimafinanzierung. 2020 wollten die Länder den Betrag zum ersten Mal erreichen – das versprachen sie 2009 bei der Klimakonferenz in Kopenhagen. Aber erst 2022 sind erstmals mehr als 100 Milliarden Dollar für Klimainvestitionen vom Globalen Norden in den Globalen Süden geflossen. Das 100-Milliarden-Ziel gilt nur bis 2025. Deshalb müssen sich die Vertragsstaaten in Baku auf ein neues Ziel einigen.

Der Bedarf an Klimafinanzierung ist viel höher als die bislang vereinbarten 100 Milliarden Dollar pro Jahr. Der UN zufolge brauchen die Entwicklungsländer allein für die Anpassung an die Erderhitzung jährlich 194 bis 366 Milliarden US-Dollar mehr in Krediten und Zuschüssen, als sie derzeit von den Industrieländern bekommen, also das 10- bis 18-fache. Damit könnten sie zum Beispiel Dämme sturmflutfest machen oder Bewässerungssysteme fördern, um besser vor Dürren zu schützen.

Dazu kommen noch die Investitionen in grüne Infrastruktur, die nötig sind, um die Erderhitzung wie auf der Pariser Klimakonferenz vereinbart zwischen 1,5 und 2 Grad zu halten. Die Internationale Energieagentur IEA schätzt, dass die Länder des Globalen Südens bis in die 2030er Jahre 1,4 bis 1,9 Billionen US-Dollar jährlich investieren müssten, eine Steigerung um das Siebenfache.

Der Globale Süden braucht eine Billion Euro jedes Jahr

Bei dieser Schätzung sind aber im Gegensatz zur Schätzung der Anpassungskosten auch private Investitionen enthalten: Mit Flutprävention lässt es sich schwer Gewinne erwirtschaften, das müssen die Staaten selbst übernehmen. Aber Geld in Windräder und Eisenbahnnetze zu stecken, kann sich auch für private Investoren lohnen. Die IEA geht davon aus, dass etwa 60 Prozent der nötigen Investitionen von privater Seite kommen müssen, bisher ist es nur etwa die Hälfte.

Von den Industriestaaten brauchen die Länder des Globalen Südens bis 2030 also mindestens eine Billion Euro jedes Jahr. Das sind zwar weniger als zwei Prozent der Wirtschaftskraft der Industriestaaten. Gleichzeitig wäre es eine Verzehnfachung des bisherigen Ziels – schwer vorstellbar, auch angesichts der Kürzungen des Entwicklungsetats der Bundesregierung, sagt Jan Kowalzig, Referent für Klimapolitik bei der Entwicklungsorganisation Oxfam. Der Bedarf sei gewaltig, „aber die Möglichkeiten sind da.“ Die zentrale Frage sei, wer bezahlt.

Aktuell gilt das Klimafinanzierungsziel für die Länder, die im Kyoto-Protokoll 1997 als Industriestaaten ausgewiesen wurden. Neben den EU-Staaten und den USA zum Beispiel auch die Türkei und Russland. Diese Länder haben sich zu den Finanzierungszielen verpflichtet, weil sie historisch weit mehr CO2 ausgestoßen und daher mehr zur Erderhitzung beigetragen haben als die Entwicklungsländer. Nicht dabei sind Staaten wie China, Südkorea und Saudi-Arabien, die 1997 noch als Entwicklungsländer galten, aber heute große Volkswirtschaften sind und teilweise mehr CO2 ausstoßen als die Industrieländer.

EU will größere Beteiligung von privaten Geldgebern

Die Europäische Union will deswegen durchsetzen, dass die Klimafinanzierung von einer „breiteren Gruppe der Geberländer“ getragen wird. Das soll „die Entwicklung der jeweiligen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und den steigenden Anteil der weltweiten Treibhausgasemissionen seit Anfang der 90er Jahre widerspiegeln“. Dass zum Beispiel China weiterhin als Entwicklungsland gilt und deswegen nicht zur Unterstützung des Globalen Südens verpflichtet ist, kritisieren die EU und die USA schon seit Jahren.

Kowalzig sagt, viele Entwicklungsländer fürchteten, dass dieser Streit letztlich dazu führt, Verantwortlichkeiten für die Klimafinanzierung aufzuweichen. Ohnehin, sagt er, würde es nicht viel mehr Geld einbringen, mehr Staaten zu beteiligen: „Berechnet man auf Grundlage der historischen Emissionen und derzeitigen Finanzkraft eine neue Geberbasis, würde man nicht einmal auf 150 Milliarden Euro Klimafinanzierung kommen.“ Den Industrieländern aber gehe es ums Prinzip: Wenn sich die Welt ändert, müssten sich auch die Klimaverträge ändern.

Viel wichtiger für die Klimafinanzierung sind Kowalzig zufolge Alternativen zu Krediten und Zuschüssen direkt von den Geberländern. Zum Beispiel könne man Entwicklungsbanken mit mehr Kapital ausstatten und es ihnen erleichtern, für grüne Projekte billige Kredite zu vergeben. Auch die Einnahmen aus einer globalen Mindeststeuer auf die Vermögen von Superreichen, wie sie Brasilien vorschlägt, könnten der Klimafinanzierung zufließen. Greenpeace fordert etwa, durch Steuern und Abgaben fossile Unternehmen stärker zu beteiligen. „Der Wohlstand ist da“, sagt Oxfam-Experte Kowalzig, „nur müssen die Regierungen auch die Quellen anzapfen.“

Die EU-Staaten setzen bei den Verhandlungen eher auf die Beteiligung privater Geldgeber. Öffentliche Gelder allein reichten nicht aus, um die nötigen Investitionen zu erreichen, betonte der EU-Rat. Der größte Teil müsse von privater Seite kommen. Durch sogenannte Public-Private-Partnerships sollen öffentliche Gelder dafür genutzt werden, private Investitionen anzuregen. Schon im 100-Milliarden-Ziel von 2009 war vorgesehen, dass ein Drittel der Gelder von privaten Investoren kommen sollte. 2022 war es lediglich ein Fünftel. „Sicher ist auf jeden Fall, dass Public-Private-Partnerships nicht so gut funktionieren, wie die Optimisten es vorhergesagt haben“, sagt Kowalzig, „aber daran lässt sich arbeiten.“

Finanzhäuser wollen nicht zur Klimakonferenz kommen

Die weltgrößten Finanzhäuser wie Blackrock und auch die Deutsche Bank haben bereits angekündigt, dass ihre Vorstandsvorsitzenden im Gegensatz zur Klimakonferenz in Dubai im vergangenen Jahr nicht an der Konferenz in Baku teilnehmen werden, berichtete die Financial Times.

Neben der Höhe der Klimafinanzierung müssen die Delegationen auf der Klimakonferenz auch klären, für welchen Zeitraum das neue Ziel gelten soll: bis 2030 oder doch lieber bis 2035? Viele Entwicklungsländer favorisierten eher eine kürzere Frist, sagt Kowalzig, um den Betrag je nach Bedarf besser anpassen zu können. Einige Industriestaaten bevorzugten dagegen den längeren Zeitraum, um nicht nach wenigen Jahren neu verhandeln zu müssen und so Planungssicherheit aufzugeben.

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1 Kommentar

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  • Die Frage müsste eher lauten: Wie viel kostet es uns, wenn Klimaschutzmaßnahmen weiterhin torpediert werden? Kurzsichtige Politik, die nur auf Stimmenfang und das nächste Mandat aus ist, interessiert das natürlich nicht. Na ja, und das Blackrock - ein fossiler Koloss, der im Mai mit 430 Milliarden in Shell und Co. investiert war - und die Deutsche Bank - steckt ebenfalls Milliarden in klimaschädliche Projekte - nicht erscheinen, ist nur konsequent. Schließlich beißt man nicht die Hand, die einen füttert. Es wird wieder einmal nur viel Bla Bla geben und den Schaden zahlen ohnehin hauptsächlich die, die keine starke Lobby und Geld für Bestechung - sorry, Großspenden - haben.