+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Ukraine verliert Vorposten Wuhledar
Russland nimmt die Bergarbeiterstadt Wuhledar im Gebiet Donezk ein. Selenskyj lobt Kooperation mit ausländischen Rüstungsfirmen und die höhere Rüstungsproduktion.
Ukraine verliert im Osten Wuhledar
Die Ukraine hat nach inoffiziellen Berichten an ihrer Ostfront einen seit mehr als zwei Jahren verteidigten Vorposten verloren: die Bergarbeiterstadt Wuhledar. Nach mehrmonatigen Angriffen rückten russische Truppen in die stark zerstörte Stadt im Gebiet Donezk ein, die vor dem Krieg knapp 15.000 Einwohner hatte. Russische Militärblogs veröffentlichten Fotos von russischen Flaggen auf mehreren Gebäuden. Auch ukrainische Militärbeobachter markierten auf ihren Karten Wuhledar als russisch kontrolliert. Von offizieller ukrainischer Seite wurde der Verlust der Stadt bislang nicht bestätigt.
Russische Truppen sind seit Monaten in der Ostukraine auf dem Vormarsch. Die Situation hat sich seit dem ukrainischen Vorstoß ins russische Grenzgebiet Kursk im August und der Verlegung von mehreren Brigaden aus der Ostukraine in das neue Operationsgebiet verschlechtert. Mehrere Kleinstädte konnten seither von russischen Truppen erobert werden.
Im Fall Wuhledar versuchte die russische Armee seit langem vergeblich, die Stadt einzunehmen, erlitt aber mehrmals hohe Verluste. Zuletzt gelang es den russischen Truppen, die zur Festung ausgebaute Stadt im Osten und Westen zu umgehen und nahezu einzukreisen. Berichte über einen geordneten Rückzug der letzten ukrainischen Verteidiger gab es nicht. Russische Militärblogger gingen davon aus, dass in der Stadt noch einzelne versprengte ukrainische Soldaten seien.
Aus den Lageberichten des ukrainischen Generalstabs ließ sich die Entwicklung nur indirekt herauslesen. Er erwähnte am Dienstagmorgen noch Kämpfe um Wuhledar, in den Berichten für den Nachmittag und Abend aber schon nicht mehr. Die russischen Angriffe konzentrierten sich auf das nächstgelegene Dorf Bohojawlenka, hieß es. (dpa)
Ukrainische Rüstungsindustrie stockt rasch auf
Präsident Wolodymyr Selenskyj widmete seine abendliche Videoansprache der ukrainischen Kooperation mit ausländischen Rüstungsfirmen. In Kiew findet derzeit zum zweiten Mal ein Forum der Verteidigungsindustrie mit Vertretern aus mehr als 30 Ländern und fast 300 ukrainischen und ausländischen Unternehmen statt.
Für die Aufrüstung der ukrainischen Armee sind nach Worten Selenskyjs nicht nur staatliche Militärhilfen anderer Länder notwendig. „Für die Ukraine ist es absolut entscheidend, dass nicht nur Partnerländer, sondern auch Verteidigungsunternehmen aus der ganzen Welt zunehmend an einer Zusammenarbeit mit uns und unserer Verteidigungsindustrie interessiert sind“, sagte er.
Es gebe Investitionen von außen in die ukrainische Rüstungsbranche wie auch ausländische Firmen, die in der Ukraine produzierten. „Die Ukraine stellt bereits Dinge her, die wir vorher nicht hatten, wie das Kaliber 155 und unsere Langstreckendrohnen, unsere Marinedrohnen.“ Neben anderen Rüstungsfirmen sind Rheinmetall aus Deutschland und die deutsch-französische KNDS in der Ukraine aktiv.
Die Ukraine werde bis Jahresende 1,5 Millionen Drohnen hergestellt haben, sagte Ministerpräsident Denys Schmyhal bei einer Regierungssitzung. Die Rüstungsproduktion des Landes habe sich im Vergleich zu 2023 verdreifacht. Bei dem Rüstungsforum sagte Selenskyj, sein Land habe im ersten Halbjahr dieses Jahres 25 Mal mehr Munition produziert als 2022. Die Ukraine habe auch eine eigene ballistische Rakete erfolgreich getestet. (dpa)
Kiew vermutet Kriegsverbrechen
Die ukrainische Justiz vermutet aufgrund eines Videos die Ermordung von 16 ukrainischen Kriegsgefangenen durch die russische Armee. Die Generalstaatsanwaltschaft in Kiew sprach von einem mutmaßlichen Kriegsverbrechen. Sie teilte mit, auf Telegram-Kanälen sei am Dienstag ein Video aufgetaucht. Es sei angeblich an der Front nahe der umkämpften Stadt Pokrowsk aufgenommen worden. Zu sehen sei, wie ukrainische Soldaten aus einem Waldstück herauskommen, sich in Reihe aufstellen und dann erschossen werden. Sollte sich der Fall bewahrheiten, sei es nach Einschätzung von Generalstaatsanwalt Andriy Kostin der schlimmste Fall der Tötung ukrainischer Kriegsgefangener an der Front. (dpa)
Russland nimmt angebliche Internet-Verschwörer fest
Der russische Inlandsgeheimdienst FSB hat nach eigenen Angaben bei einer koordinierten Aktion 39 Menschen festgenommen, darunter mehrere Minderjährige. Es handele sich um Teilnehmer „destruktiver Internetgemeinschaften“, die im Auftrag der Ukraine Gewalttaten in Russland hätten verüben sollen, hieß es. Gegen weitere mehr als 250 Personen werde ermittelt. Angeblich sollen sich die Verdächtigen über den Messenger Discord mit ihren ukrainischen Führungsoffizieren verständigt haben.
Russische Behörden warnen seit Monaten vor den angeblichen Anwerbungen, Medien berichten über einzelne Fälle. Moskau hat nach Beginn des von Kremlchef Wladimir Putin befohlenen Angriffskriegs gegen die Ukraine die Verfolgung von Kriegsgegnern und Andersdenkenden im eigenen Land noch einmal verschärft. (dpa)
Wieder russische Kampfdrohnen
Zum Tag des Vaterlandsverteidigers am Dienstag gedachte die von Russland mit Krieg überzogene Ukraine mit einer landesweiten Schweigeminute ihrer gefallenen Soldaten. Die Nacht zum Mittwoch begann für mehrere Gebiete im Norden und in der Mitte des Landes erneut mit Luftalarm. Die ukrainische Luftwaffe ortete zahlreiche russische Kampfdrohnen in der Luft. Mittwoch ist der 951. Tag seit Beginn der großangelegten russischen Invasion. (dpa)
Leser*innenkommentare
Encantado
Ein deutliches Signal, dass Russland auf lange Sicht gegenüber der wesentlich kleineren Ukraine schlicht den längeren Atem haben wird.
Das sollte bei allen Überlegungen mit berücksichtigt werden. Ich habe zunehmend den Eindruck, dass alle hoffen, die Lage bleibt so wie sie ist und Russland schließlich doch irgendwie aufhören wird.
Gesundbeten heißt das wohl.
metalhead86
@Encantado Nein, das nennt man Boiling the frog. Nur wird da nicht Russland gekocht, sondern die Ukraine.
Dass dieses Szenario bei der unzureichender Unterstützung droht wusste man bereits im Frühjahr 2022. trotzdem ist man reingerannt. Wie man auch in den Georgienkrieg und in den Ukrainekirieg rannte.
Es besteht eben kein Interesse daran, eine Friedensordnung oder generell eine lebenswerte Zukunft zu schaffen. Besitzstandswahrung scheint wichtiger. Bis das eben irgendwann auch nicht mehr funktioniert.
Alexander Schulz
@Encantado Es ist ja kein Zufall, dass Ankündigungen nur schleppend umgesetzt werden und die Ukraine auch in Zukunft mit "einer Hand auf dem Rücken kämpfe" muss. Es besteht bei den wichtigsten Akteuren einfach kein Interesse daran das Risiko einer Eskalation einzugehen.
Letztendlich erleben wir hier knallharte Geopolitik und die Ukraine hat hier einfach "Pech gehabt" so hart das klingt. Vermutlich wird man den US-Wahlen auch versuchen eine Lösung zu finden bei der die USA und Russland irgendwie als Gewinner darstehen. Man wird sich vermutlich mit Russland arrragieren und aktzeptieren dass Russland nicht bereit ist seinen Einflussbereich zu verkleinern, aber man kann als Erfolg verbuchen, dass man Russland signifikant geschwächt hat. Leid können einem die Menschen in der Ukraine tun, die unter diesen geopolitischen Zerren leiden müssen.
Mouse
Warum wird denn der Vorschlag von China und Brasilien, jetzt auch der Schweiz, nicht weiter verfolgt, erst einmal eine Waffenruhe zu vereinbaren? Glaubt denn Selenskyi ernsthaft, dass Russland sich zurück ziehen wird und dann verhandelt? So wird das nichts mit den Verhandlungen.
Alexander Schulz
@Mouse Das wäre zum jetzigen Zeitpunkt (noch) ein zu großer Gesichtsverlust.
Machiavelli
@Mouse Russland macht massive territoriale Abtretungen der Ukraine zur Vorbedingungen eines Waffenstillstandes.
Alexander Schulz
@Machiavelli Ja, dass die Konditionen sich eher verschlechtern bestreitet ja niemand.
metalhead86
@Alexander Schulz Es gab seit 2014 nie Andere.
Monomi
Wird die Unterstützung der USA noch fortgesetzt, wenn Israel alles von den USA einfordert?