Pro und Contra E-Scooter: Kann das weg?

Die Interessenvertretung von Fuß­gän­ge­r*in­nen aus Berlin rechnet in ihrer neuen Studie hart mit E-Scootern ab. Sollten sie aus der Stadt verbannt werden?

Zwei E-Scooter stehen auf dem Gehweg

Teil der Mobilitätswende oder einfach im Weg? E-Scooter spalten die Gemüter Foto: Christoph Eckelt/Caro

Ja

Es war ja eine gute Idee: Menschen sollten kürzere Wege nicht etwa mit dem Auto, sondern mit dem Fahrrad oder einem Roller erledigen. Um das auch für jene attraktiv zu machen, die es mit körperlicher Anstrengung nicht so haben, war es naheliegend, das mit den neu aufkommenden Möglichkeiten der E-Mobilität zu nutzen. Denn: Ja, auch E-Roller und E-Räder verbrauchen Strom, aber nach gängigen Rechnungen weniger umweltbelastend als dieselben Fahrten mit einem klassischen Auto. Weiterer Vorteil, zumindest in den Innenstadtbezirken: Die Roller und Räder brauchen beim Abstellen weniger Platz.

die Roller scheinen vorrangig der Unterhaltung von Touristen und Jugendlichen zu dienen

So weit die Theorie. In der Praxis aber klappt das schlichtweg nicht. Das mit dem „weniger Platz“ gilt nämlich nur, wenn man oder frau die Roller und Räder so abstellt, dass sie nicht mitten auf dem Gehweg stehen oder liegen. Es wäre so einfach, wenn jede und jeder ein bisschen schaute, wo es am wenigsten stört – aber das passiert zu oft eben nicht.

Die am Dienstag vorgestellten Zahlen des Fuss e. V. untermauern zudem tägliche Beobachtungen mit Fakten, dass auch die erhofften Ökoversprechen nicht eingelöst werden: Auf den Rollern stehen, auf den Räder sitzen im selteneren Fall Menschen, die qua Anzug oder Blaumann so aussehen wie auf dem Weg zur Arbeit. Stattdessen scheinen die Roller vorrangig der Unterhaltung von Touristen und Jugendlichen zu dienen.

Gut, es gibt viele energiefressende Angebote in der Stadt, die zu hinterfragen wären und doch erlaubt sind. Dieses aber kam mit ausdrücklicher Billigung des Senats auf den Markt, als Teil der Verkehrswende, mit der der Energieverbrauch reduziert werden sollte. In den Außenbezirken sollten die Kombinationen E-Rad oder Roller plus S-Bahn Autofahrten ersetzen.

Auch jenseits der Leihräder wirkt es so, als diene E-Mobilität vorrangig einem Ziel: mehr Bequemlichkeit. Es war ja eine schöne Idee, dass sich jene Senioren, die nicht mehr die Fittesten sind, mit einem E-Bike einen Ausflugsradius erhalten, der ihnen mit einem normalen Rad nicht mehr möglich wäre. Doch warum sind dann am Wochenende auch so viele Menschen weit unter 50 Jahren zu beobachten, die mit einem E-Bike auf Ausflugstour gehen? Statt den Energieverbrauch zu senken, ist auf diese Art eine zusätzliche Verbrauchsquelle entstanden.

Kurzum: Die Hoffnung, via E-Roller und E-Rad einen Weg zum Energiesparen gefunden zu haben, wirkt gescheitert. Wäre das anders, ließe sich in einer Güterabwägung vielleicht der eine oder andere im Weg stehende Roller noch hinnehmen. Wenn diese Form der E-Mobilität aber vorwiegend der Bespaßung dient und damit in Sachen Umwelt nicht ent-, sondern belastend wirkt, lässt sich bloß sagen: Weg damit. Stefan Alberti

Nein

Klar, E-Scooter nerven. Sie stehen im Weg, kommen überraschend um die Ecke gebraust, verschmutzen die Spree. Und dennoch: E-Scooter aus dem öffentlichen Raum zu verbannen, so wie Paris es getan hat, wäre falsch. Denn das Problem liegt ganz woanders: Nicht die kleinen Roller nehmen zu viel Platz ein, sondern die vielen Autos. Selbst wenn je­de*r Ber­li­ne­r*in einen eigenen E-Scooter besitzen würde, würden sie nur einen Bruchteil des öffentlichen Raumes einnehmen, den derzeit die Blechkolonnen besetzen.

Nicht die kleinen Roller nehmen zu viel Platz ein, sondern die vielen Autos

Zumal E-Scooter eben nur in seltenen Fällen in Privatbesitz sind. Sie sind als Sharing-Angebot vielmehr Teil der Verkehrswende. Und selbst wenn sie nicht dafür genutzt werden, von der nächsten Bahn- oder Busstation nach Hause oder zur Arbeit zu fahren, sondern nur zum Spaß: Drei Jugendliche auf einem E-Scooter sind allemal besser als eine einzelne Person in einem SUV.

Das zugrundeliegende Problem in der Hauptstadt ist nämlich die fehlende Flächengerechtigkeit. Nur je­de*r dritte Ber­li­ne­r*in besitzt ein Auto und doch ist der Großteil des öffentlichen Raumes genau davon besetzt. Das emotionale Scooter-Bashing geht also von einer völlig falschen Prämisse aus: Der wenige Platz, den sich Nicht-Autofahrer*innen teilen müssen, ist umkämpft, und in diesem Kampf werden die E-Scooter als störend empfunden. Würde man jedoch Flächengerechtigkeit herstellen, gäbe es das Problem überhaupt nicht. Anders gesagt: Wäre Berlin autofrei, gäbe es ausreichend Platz für Scooter, Fahrräder und Fuß­gän­ge­r*in­nen – und einen Ausbau des ÖPNV.

Nun wäre ein E-Scooter-Verbot natürlich sehr viel leichter umzusetzen als ein Auto-Verbot. Allerdings ist der leichte Weg nicht immer der richtige. So auch in diesem Fall. Fakt ist, dass knapp ein Fünftel der CO2-Emissionen in Deutschland durch den Verkehr verursacht werden – und dass dies auch noch der einzige Bereich ist, in dem der Ausstoß von Klimagasen zu- statt abnimmt. Angesichts der fortschreitenden Zerstörungen durch den Klimawandel kommen wir um eine Mobilitätswende nicht herum. Dazu muss die Zahl der privat genutzten Pkw reduziert werden.

Das ist keine beliebte Maßnahme und damit gewinnt man ganz sicher keine Wahlen – wer verzichtet schon gern auf Bequemlichkeit. Aber es ist ein notwendiger Schritt, um den nachfolgenden Generationen einen lebenswerten Planeten zu hinterlassen. E-Scooter können Teil der Verkehrswende sein – Autos sind es nicht.

Schon jetzt ersetzt jede elfte Fahrt mit dem Roller eine Autofahrt. Wenn alle Ber­li­ne­r*in­nen gezwungen wären, auf Bus, Bahn und Sharing-Angebote umzusteigen, würde der Anteil weiter steigen. Und so ein Scooter-Trip kann auch ganz spaßig sein – jetzt müssen wir nur noch lernen, die Vehikel im Straßenverkehr auch respektvoll zu nutzen. Das trifft aber wahrlich auf alle Verkehrsmittel zu. Marie Frank

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Leiterin taz Berlin und Redakteurin für soziale Bewegungen, Migration und soziale Gerechtigkeit. Hat politische Theorie studiert, ist aber mehr an der Praxis interessiert.

Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.