piwik no script img

Ratsherr postet rechte MemesHier lacht der FDP-Mann

Fabio Lietzke ist in Georgsmarienhütte Ratsherr für die FDP und in Bad Iburg Schöffe am Amtsgericht. In seiner Freizeit hat er Rechtslastiges gepostet.

Hier wirkt Fabio Lietzke als Schöffe: Amtsgericht Bad Iburg Foto: Friso Gentsch/dpa

Osnabrück taz | Auf Elon Musks Mikroblogging-Dienst X ist vieles möglich. Das muss sich auch Fabio Lietzke gedacht haben. Fragwürdige Inhalte wie das ausländer- und islamfeindliche Posting „Deutsche Kultur früher – Deutsche Kultur heute“ zeugen davon.

Zwei Bilder stehen sich dort gegenüber: Das eine zeigt Gegenstände, von der Gewürzketchup-Flasche bis zum Kachel-Couchtisch, vom Coca-Cola-Glas bis zur Salatschale – das andere lange Reihen knieender Betender in einer großen Moschee. Darunter, beklemmenderweise: Dutzende „Gefällt mir!“-Herzchen.

Seine rechtslastigen Social-Media-Äußerungen sind Lietzke jetzt auf die Füße gefallen. Nach kritischer Berichterstattung der Neuen Osnabrücker Zeitung war er selbst es, der letzten Montag die Reißleine zog. Er tat es öffentlich, im Amtsgericht der niedersächsischen Stadt Bad Iburg.

Eigentlich hätte Lietzke dort als Schöffe auftreten sollen, in einem Strafverfahren gegen einen rumänischen Staatsbürger. Vor Beginn des Prozesses ging er zum Vorsitzenden Richter und zeigte seinen Sachverhalt an. Der schloss Lietzke vom Prozess aus: kein ehrenamtliches Richteramt für ihn. Personeller Ersatz musste her.

Besorgnis der Befangenheit

Zur Anwendung kam Paragraf 24 der Strafprozessordnung: „Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.“

Das sah der Vorsitzende offenbar als gegeben: Die in Lietzkes Social-Media-Nachrichten gezeigte „innere Haltung“ lasse befürchten, „er verhalte sich bei einem Angeklagten mit Migrationshintergrund und/oder mit einer bestimmten Religionszugehörigkeit nicht objektiv, sondern voreingenommen und verfolge möglicherweise das Ziel, losgelöst vom konkreten Strafverfahren, solche Angeklagten zu den höchst möglichen Strafen zu verurteilten“.

Ob tatsächlich Befangenheit besteht, ist dabei nicht entscheidend – die Wahrscheinlichkeit und Stichhaltigkeit der Besorgnis eines Beschuldigten oder der Staatsanwaltschaft, sie könne gegeben sein, dagegen schon. Lietzke, dem das Gericht zudem attestiert, auf X „den deutschen Rechtsstaat (‚Gespött der Nation‘) kritisiert“ zu haben, war aus dem Spiel.

„Die Entscheidung bezog sich allerdings nur auf dieses eine Strafverfahren, nicht auf zukünftige Einsätze des Schöffen“, sagt Susanne Kirchhoff, die Direktorin des Amtsgerichts. „Eine Amtsenthebung, eine Streichung von der Schöffenliste, kennt zu Recht hohe Hürden.“ Die Voraussetzungen dafür würden „derzeit geprüft“, sagt das Gericht in einer Mitteilung zum Schöffenaustausch.

Für die FDP ist das Thema abgehakt

Er werde sich „dem Gericht weiterhin zur Verfügung stellen“, sagt Fabio Lietzke. Zur Sache sagen möchte er nichts. Stattdessen verweist er auf die Neue Osnabrücker Zeitung. Dort hatte er, eher allgemein, von Social-Media-Beiträgen gesprochen, die „überspitzt“ seien, aber die Notwendigkeit zeigten, „diese gesellschaftlich relevanten Themen sachlich zu diskutieren“. Stattdessen werde oft moralisch verurteilt. Sachlich waren seine Postings nicht. Über sie sagt er: „Ich habe den Account deaktiviert. Ich werde den auch nicht mehr bespielen.“

Das hat Lietzke auch seiner FDP gesagt. Für die sitzt er in der Bad Iburg benachbarten Stadt Georgsmarienhütte im Rat; zugleich ist er Vorstandsmitglied der Jungen Liberalen im Osnabrücker Land.

Für sein politisches Engagement haben Lietzkes rechte Postings keine Konsequenzen. „Wir haben das Thema in einer Ortsvorstandssitzung aufgearbeitet, mit ihm ein Gespräch geführt“, sagt Lutz Haunhorst, Vorsitzender des FDP-Ortsverbands Georgsmarienhütte/Hagen/Hasbergen. „Er hat den Account stillgelegt, und das haben wir begrüßt. Er hat aus alldem seine Lehren gezogen.“ Lietzke habe versichert, das mit den Postings komme nicht wieder vor. „Jeder macht mal Fehler, für uns ist das Thema damit erst mal abgehakt“, sagt Haunhorst.

„Gerade in Zeiten weltweiter Krisenherde, Demokratieverdruss und Rechtsruck ist es wichtiger denn je, dass sich mehr Menschen aktiv einbringen“, ruft uns Haunhorsts Ortsverband auf seiner Website entgegen. „Die Freien Demokraten bieten dazu zahlreiche Möglichkeiten.“ Ob Lietzkes Postings ein Mittel zur Krisenbewältigung waren, die Demokratie gestärkt haben, dem Rechtsruck entgegengetreten sind? Es sind Zweifel erlaubt.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!