LGBTIQ+ in Bulgarien und Belarus: Den Knast vor Augen

Das Oberste Gericht in Bulgarien hat den Asylgesuch eines belarussischen Aktivisten abgelehnt. Jetzt droht ihm die Abschiebung in sein Heimatland.

Silhouetten von mehreren Personen hinter einer Regenbogenfahne

Demonstrierende mit Regenbogenfahen vor dem Parlamentsgebäude in Sofia, Bulgarien am 8. August Foto: Valentina Petrova/ap/picture alliance

Berlin taz | Man braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, was Andriy bevorstehen könnte. Dem belarussischen Aktivisten – sein Nachname findet sich aus Sicherheitsgründen nicht in Medienberichten -, der mit dem russischen Journalisten und Oppositionsaktivisten Alexei Bachinsjy verheiratet ist, droht die Abschiebung aus Bulgarien in sein Heimatland.

Die beiden hatten 2014 in Kopenhagen geheiratet. 13 Jahre lang lebten sie in Russland. Nach dem Beginn von Moskaus Angriffskrieg gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 gingen sie nach Bulgarien. Beide hatten unter anderem pro-ukrainische Demonstrationen in Russland, Belarus und Bulgarien unterstützt.

Alexei Bachinsjy hatte am 25. April in Bulgarien einen Asylstatus erhalten. Ein entsprechendes Dokument, das dem Webportal BalkanInsight (BIRN) vorliegt, weist Bachinsjy als unverheiratet aus. Ein entsprechendes Gesuch von Andriy hingegen lehnte das Oberste Gericht in Sofia in der vergangenen Woche ab.

Im August hatte Bulgarien ein Gesetz verabschiedet, das „Propaganda“ für „nicht-traditionelle sexuelle Orientierungen“ verbietet – insbesondere was die Behandlung von LGBTIQ+-Themen im Unterricht betrifft. Die Anwältin Denitsa Ljubenowa, die in Bulgarien queere Menschen bei Rechtsstreitigkeiten vertritt, sagte gegenüber BIRN, man versuche eine beschleunigte Anhörung vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg (EGMR) zu erwirken. Das Urteil in Sofia hätte den Status der beiden als rechtmäßig verheiratetes Paar außer Acht gelassen.

Repressive Gesetze

Im September 2023 hatte der EGMR geurteilt, Bulgarien müsse einen rechtlichen Rahmen schaffen, der es gleichgeschlechtlichen Paaren ermögliche, in angemessener Weise Anerkennung und Schutz zu erhalten. Doch in dieser Richtung ist bislang noch nichts passiert.

Dessen ungeachtet will Andriy in Bulgarien einen weiteren Antrag auf Asyl stellen. Darin solle auch auf neue repressive Gesetze in Belarus hingewiesen werden. Den Gesetzen zufolge kann die Darstellung von LGBTIQ+-Beziehungen als pornografisch eingestuft und mit einer Gefängnisstrafe geahndet werden. Diese Neuerungen wurden erst im vergangenen April verabschiedet – will heißen, nachdem Andriys erster Antrag gestellt worden ist. Sie hofften, dass dieser Umstand berücksichtigt werde, zitiert BIRN den Mann von Andriy.

Im April 2024 hatte das belarussische Kulturministerium „nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen“ mit Pornografie gleichgesetzt. „Nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen/Verhalten“ werden als gleichgeschlechtliche und bisexuelle Beziehungen, Polyamorie, Pädophilie, Nekrophilie, Sadismus, Masochismus, Voyeurismus, Exhibitionismus, Transvestitismus und Transsexualität verstanden.

Festnahmen in Belarus

Die Generalstaatsanwaltschaft von Belarus hatte einen Gesetzesentwurf über die Haftung für „LGBTIQ+-Propaganda“ ausgearbeitet. Zusätzlich dazu sieht das Dokument eine Bestrafung für die Förderung von Pädophilie und das Werben für freiwillige Kinderlosigkeit vor.

Das sei laut des queeren belarussischen Aktivisten Pascha Dscheschora, den das Nachrichtenportal Nastojaschee vremja zitiert, mit dem Umstand zu erklären, dass in den vergangenen Jahren der Einfluss Russlands auf Belarus zugenommen habe. Das gelte auch für Integrationsprozesse zur Schaffung eines sogenannten Unionsstaates.

Laut Nastojaschee vremja seien im September bereits acht trans Personen sowie neun weitere Mitglieder der queeren Community festgenommen worden. Die Festnahmen seien oft mit Misshandlungen, psychologischem Druck und Beleidigungen einhergegangen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.

Ihren Kommentar hier eingeben