LGBTQ+ in Bulgarien: Verlogene Solidarität
Die demonstrative Sympathie von Politiker*innen mit der LGBTQ+-Community ist verlogen. In Bulgarien lebt der Hass auf sexuelle Minderheiten.
V erlogener geht es nicht: Da wird in der bulgarischen Hauptstadt Sofia ein Treffpunkt der LGBTQ+-Community überfallen und eine Aktivistin von einem der Eindringlinge ins Gesicht geschlagen. Und was passiert? Führende Politiker*innen verleihen ihrer Bestürzung Ausdruck, darunter auch auch der frühere Regierungschef Bojko Borissow. Gerade der ist bislang keineswegs durch Solidaritätsbekundungen für die Minderheit aufgefallen.
Borissow regierte von 2017 bis 2021 in einer Koalition mit dem nationalistischen Wahlbündnis Vereinigte Patrioten. Diese Truppe war, wo es um Hetze gegen Vertreter*innen der Minderheit geht, stets an vorderster Front unterwegs. Noch unappetitlicher ist der Vorfall angesichts der Tatsache, dass der selbst ernannte „National-Sozialist“ und Rechtsaußen Bojan Rasate an der Aktion federführend beteiligt war.
Rasate will übrigens bei der kommenden Präsidentenwahl antreten. Seine Haltung gegenüber der LGBTQ+-Community wird ihm dabei keinen Abbruch tun. In weiten Teilen der Gesellschaft herrschen nach wie vor Hass und Ablehnung, wenn es um die Belange sexueller Minderheiten geht. Ausgrenzung, Stigmatisierung bis hin zu körperlichen Übergriffen sind an der Tagesordnung.
Selbst unter den demokratisch gesinnten Politiker*innen gibt es kaum solche, die sich die Forderung von LGBTQ+-Menschen nach Schutz und Wahrung von deren Rechten zum Anliegen machen. Eine Art Vorspiel zur Verwüstungsorgie in Sofia könnte auch ein Urteil des bulgarischen Verfassungsgerichts über die Istanbul-Konvention von Ende Oktober gewesen sein, die seit ihrer Annahme durch die Regierung 2018 im Parlament dümpelt.
Die Konvention verstoße gegen die Verfassung, da der Terminus „Geschlecht“ auch als soziale Kategorie gelesen werden könne. Mit anderen Worten: Wieder eine volle Breitseite gegen LGBTQ+. Immerhin hat die Zentrale Wahlkommission Rasate die Immunität entzogen, was den Weg für eine Anklageerhebung frei machen würde. Ob das an der Situation von LGBTQ+ etwas ändert, ist eher zweifelhaft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett