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Erinnerung an ermordete Sinti und RomaProtest gegen Baupläne am Mahnmal

Für eine Bahnstrecke soll das Mahnmal für die im NS ermordeten Sin­ti*z­ze und Rom*­nja in Berlin beschädigt werden. Verbände rufen für Samstag zur Demo auf.

Kundgebung von Sinti- und Romainitiativen gegen die Pläne der Bahn am 13. Juni 2020 Foto: Stefan Boness/IPON/imago

Berlin taz | Verbände rufen auf, gegen die drohende Beschädigung des Mahnmals für die von Nazi-Deutschland ermordeten Sin­ti*z­ze und Rom*­nja unweit des Brandenburger Tors zu protestieren. Neben dem Mahnmal soll eine S-Bahn-Strecke in Richtung Hauptbahnhof entstehen. Ab 18 Uhr findet am Samstag deshalb eine Kundgebung am Potsdamer Platz statt. Aber nicht alle Organisationen aus der Community unterstützen den Aufruf.

Der Gedenkort wurde 2012 errichtet und erinnert an den Völkermord an bis zu 500.000 Sin­ti*z­ze und Rom*­nja durch das nationalsozialistische Deutschland während des Zweiten Weltkriegs. Er liegt auf einem Gelände zwischen Brandenburger Tor und Reichstag. Darunter soll nun aber eine neue S-Bahn-Strecke in Richtung des nahegelegenen Hauptbahnhofs entstehen.

Dafür ist geplant, einige Bäume auf dem Gelände des Mahnmals zu fällen, außerdem dürfte Baustellenlärm und später der Lärm der Züge die Ruhe am Gedenkort stören. Ursprünglich sahen die Baupläne sogar vor, das Mahnmal komplett ab und später wieder aufzubauen. Dies konnten Sin­ti*­zze und Rom*nja-Verbände in Verhandlungen jedoch abwenden.

Nicht alle Sin­ti*­zze und Rom*ja-Verbände sind der Meinung, dass die geplanten Eingriffe in das Mahnmal-Gelände so dramatisch sind, dass sich der Protest lohnt.

Dass es ausgerechnet ein Bahnprojekt ist, für das die Gedenkstätte teils weichen soll, sorgt für zusätzliche Irritation, war es doch die deutsche Eisenbahn, mit der die Nazis viele ihrer Opfer in die Vernichtungslager in Osteuropa deportierten.

Unterschiedliche Meinungen bei den Verbänden

Nicht alle Sin­ti*­zze und Rom*ja-Verbände sind der Meinung, dass die geplanten Eingriffe in das Mahnmal-Gelände so dramatisch sind, dass sich der Protest lohnt. Der Zentralrat der Sinti und Roma etwa hält die mit der Bahn und der Stadt Berlin gefundene Lösung für tragbar. Dessen Vorsitzender sagte nun der taz: „Die deutschen Sinti und Roma sind Teil der Gesellschaft unseres Landes und wenden sich nicht gegen ein Infrastrukturprojekt, dass für alle Berlinerinnen und Berliner eine Notwendigkeit ist.“ Es sei aber wichtig, dass Berliner Senat und Bahn dafür sorgen, „dass das Denkmal während des gesamten Bauprozesses zugänglich und in seiner Würde geschützt bleibt.“

Die Bundesvereinigung der Sinti und Roma unterstützt die Kundgebung dagegen. Deren Generalsekretär Romeo Franz sagt der taz: „Die Ignoranz der Bundesbahn und der Stadt Berlin ist nicht mehr ertragbar.“ Man wolle deshalb „alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, um unser Mahnmal zu schützen.“

Dass der Zentralrat dies anders sieht, nennt Franz „traurig“ und sagt: „Es geht hier um einen Ort, an dem ich den Ermordeten gedenken kann, die kein Grab haben“. Dass bald S-Bahn Züge nur einen knappen Meter unter dem Mahnmal vorbeirauschen sollen, empfinde er als „Zerstörung“ des Orts.

Der Bundesromaverband wiederum beklagt nicht nur die Pläne an sich, sondern betont auch, dass nicht-deutsche Roma bei den Verhandlungen um die Eingriffe in das Mahnmal ausgeschlossen blieben. „In die Gespräche von Bahn und Politik um das Denkmal werden lediglich einzelne Repräsentanten der nationalen Minderheit deutscher Sinti und Roma einbezogen, während die europäischen Roma ausgeschlossen bleiben.“ Dabei seien letztere inzwischen in Deutschland in der Mehrzahl.

Aktualisiert und ergänzt am 28.09.2024 um 909:45 Uhr. d. R.

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6 Kommentare

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  • Das Bauprojekt der DB hatte mehrere alternative Trassen- der Tunnel muss nicht zwingend unter dem Denkmal durchgehen. Die aktuellen Folgen:Ein Großteil der umliegenden Bäume soll abgeholzt werden! Eine Wiederanpflanzung großer Bäume wird nicht mehr möglich sein, da nur ein Meter Erde über dem S-Bahn -Tunnel zum Denkmal hin bleibt, darin können größere Bäume keine Wurzeln schlagen



    Es wird Störungen durch Emissionen und Baulärm geben, da die Baustelle direkt bis zur Pflasterung des Denkmals geht. Der Schacht unter dem Denkmal über den die Blume im Wasserbecken täglich ausgewechselt wird muss verlegt werden und dazu muss die Wiese im Denkmal aufgegraben werden – das zieht eine mehrmonatige Schließung nach sich. Das Gelände unter dem Denkmal soll mit Betoninjektionen gestärkt werden und was dann die Folgen der Versiegelung betrifft kann derzeit nicht ausgesagt werden (Wasseraufnahmefähigkeit).



    Architekt und Künstler Dani Karawan, der das Denkmal konzipierte hatte, sagte aus, dass er sich in dem Falle dieser Durchführung an das Denkmal anketten würde. Die für das Denkmal verantwortliche Stiftung und viele Selbstorganisationen und Roma und Sinti Verbände protestieren zurecht.

  • Ich bin voll beim Zentralrat der Sinti und Roma, der die mit der Bahn und der Stadt Berlin gefundene Lösung für tragbar hält.

  • Bevor jetzt hier wieder, wie in den Kommentaren unter den anderen Artikeln zum Thema, auf die Angehörigen und Nachkommen einschlägt, sollte man sich erst einmal das Denkmal selbst angeschaut haben.

    Und sich dann fragen, wieso der U-Bahn-Tunnel am Alex in Mitleidenschaft gezogen wurde. Wenn die Bahn meint, quasi auf den Millimeter genau bauen und die geologischen Auswirkungen vorhersagen zu können, waren dann die Ingenieure von Covivo unfähig oder haben die das eingeplant?

    • @dtx:

      Ist es auf die "Angehörigen und Nachkommen einschlagen", wenn man die symbolische Überfrachtung der Bauarbeiten und der Bahnlinie nicht mehr nachvollziehen kann? Es geht eben nicht darum, gezielt einen Gedenkort zu zerstören, sondern irgendeinen Weg durch die Stadt für dringend benötigte Infrastruktur zu finden. Und da gilt es auch Kompromisse zu finden.

      Es ist ein Mahn- und Gedenkort. Und der wird es auch mit einer S-Bahn untendrunter noch sein.

      Und was die Sorgen vor Schallbelästigung von der S-Bahn angeht: Der Ort ist in Sicht- und Hörweite von Scheidemann- und Ebertstraße. Außerdem wird nicht mehr nach den Standards der zwanziger Jahre gebaut. Eventuell doch noch durchdringender Schall geht da meines Erachtens im Grundrauschen des Verkehrs unter.

      Und ja, was die Deutsche Bahn angeht, teile ich Ihre Skepsis. Selbige ist bei Planung und Ausführung von Bauprojekten notorisch unzuverlässig. Aber ich glaube, dass selbst dort angekommen ist, dass ein enormer Shitstorm über die Bahn hereinbrechen würde, sollte das Mahnmal über das Angekündigte hinaus beeinträchtigt werden.

  • Bitte liebe taz, nicht irgendwelche Narrative zur Zerstörung aufgreifen!



    In einer Großstadt gehören S-Bahn-Linien, Tunnel usw… dazu.

    Wichtig ist doch einfach, dass ein Mahnmal am Ende im Wesentlichen erhalten bleibt und der Staat nicht wieder Millionen von EUR Zusatzkosten entstehen. Ein bisschen Pragmatismus wäre gut…

  • "Dass es ausgerechnet ein Bahnprojekt ist, für das die Gedenkstätte teils weichen soll, sorgt für zusätzliche Irritation, war es doch die deutsche Eisenbahn, mit der die Nazis viele ihrer Opfer in die Vernichtungslager in Osteuropa deportierten."



    Stimmt, im Gedenken an die Opfer sollten wir den Zugverkehr auf alle Zeit aus dem Zentrum Berlins verbannen - super Argument 👍



    Nur am Rande: einen Steinwurf entfernt - unter dem jüdischen Denkmal, bzw direkt 5 Meter davor - führt übrigens der bereits bestehende Nord-Süd-Tunnel der Berliner S-Bahn entlang...



    In dem rumpeln im Minutentakt die Züge zwischen Brandenburger Tor und Potsdamer Platz durch den Berliner Untergrund.



    Proteste? Demos? Stilllegungsforderungen? Berichte über wackelnde Stelen oder Zuggeräusche?



    Nein?



    Na dann wird es das Ingenieurswesen auch bei diesem geplanten Tunnel hinbekommen die Ansprüche des Jetzt (ÖPNV) mit der Verantwortung gegenüber dem Gestern zu vereinen.