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Hamburger Sozialpolitik vor der WahlJugendhilfe fordert Gehör im Rathaus

Hamburgs Kinder- und Jugendhilfe arbeitet am Limit, sagen Beschäftigte. Helfen könnten neue Angebote wie Housing-First-Projekte für Jugendliche.

Machten im September schon mal auf sich aufmerkam: Jugendhilfe-Beschäftigte mit Transparent im Familienausschuss Foto: Tu was, Hamburg!

Hamburg taz | Für die Sorgen und Nöte von Kita-Beschäftigten nahm sich der Familienausschuss der Hamburger Bürgerschaft im Sommer Zeit. Er lud zu einer Anhörung, die sich eines hohen Andrangs erfreute. Doch auch andere Bereiche der Jugendhilfe, wie etwa die Jugendämter selbst, der Kinder- und Jugendnotdienst (KJND) und andere Schutzeinrichtungen sind überlastet. Deshalb fordert das Netzwerk „Tu was, Hamburg!“ eine Anhörung für den Bereich, und zwar noch vor der Wahl am 2. März.

„Dass sich Politik mit der Kita-Anhörung zur Gesellschaft öffnete, haben wir als positives Signal wahrgenommen“, sagt Ver.di-Sekretärin Elke Wolfram, die bei „Tu was, Hamburg!“ mitarbeitet. Das Netzwerk hatte im Mai zum „Kinder- und Jugendgipfel“ eingeladen, zu dem 300 Personen aus allen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe kamen.

Ein Fazit: Es brennt überall. Dies liege an der verschärften Armut und zusätzlichen Aufgaben in der Migration und wurde durch die Coronapandemie verstärkt, sagte „Tu was!“-Mitini­tiator Ronald Prieß im taz-Interview. Eine Große Anfrage der Linken zeigte zudem, dass vor allem die Verweildauer der Kinder und Jugendlichen in Kinderschutzhäusern und beim KJND viel zu lang ist, weil Folgeplätze und Pflege­familien fehlen.

Ein Vorschlag, den KJND zu entlasten, der von „Tu was, Hamburg!“ forciert wird, ist eine gezielte Versorgung von Straßenkindern mit Wohnraum in der Art eines Housing-First-Projekts, wie es im Ruhrgebiet seit Jahren erfolgreich praktiziert wird. „Es geht uns bei der Anhörung auch darum, über die Bedarfe und Alternativen zur Entlastung zu sprechen“, sagt Ronald Prieß.

CDU und Linke sind schon mal dafür

Die Politik reagiert auf die Forderung relativ offen. Sie wolle den Austausch mit dem Netzwerk intensivieren und befürworte einen lösungsorientierten Dialog über die Weiterentwicklung der Jugendhilfe, sagt etwa die grüne Jugendpolitikerin Britta Herrmann. Und auch ihr Kollege von der SPD, Uwe Lohmann, sagt, er stehe jederzeit der Initiative für Gespräche zur Verfügung. Allerdings, so beide, müsse man mit den anderen Fraktionen und eignen Gremien beraten, ob es jetzt noch, da die Legislatur ihrem Ende zugeht und es viele Anliegen gebe, zu einer Anhörung kommen kann.

Die Linken-Jugendpolitikerin Sabine Boeddinghaus, die zugleich Ausschussvorsitzende ist, sagt, ihre Fraktion setze sich sehr dafür ein, dass die Misere in der Kinder- und Jugendhilfe öffentlich bekannt wird. Doch für eine Anhörung im Familienausschuss reiche das Votum ihrer Fraktion leider nicht. „Deswegen müssen die übrigen demokratischen Fraktionen angesprochen und in die Pflicht genommen werden.“

Die CDU hat Boeddingshaus schon mal auf ihrer Seite. Deren Jugendpolitikerin Silke Seif weist darauf hin, dass auch die Arbeit der offenen Angebote für Kinder und Jugendliche seit Jahren unterfinanziert sei. „Das wird die CDU jetzt zu den Haushaltsberatungen in Form eines Antrags zur Sprache bringen“, sagt Seif. „Aus diesem Grund befürworten wir eine öffentliche Anhörung. Wir möchten, dass Fachkräfte und auch Adressaten der Jugendhilfe dort zu Wort kommen.“

Laut Geschäftsordnung der Bürgerschaft reichen die Stimmen von CDU und Linken aus, um so eine Anhörung zu beantragen.

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