Japanisches Kabinettfoto bearbeitet: Finde die Unterschiede
Wegen Schlamperei hat die japanische Regierung ein Foto des Kabinetts retuschiert. Finden Sie die Fehler?
G roße Aufregung in Japan: Der dortigen Regierung erschienen die Mitglieder des Kabinetts auf einem offiziellen Foto nicht ordentlich genug gekleidet. Das Bild wurde, wie Regierungssprecher Yoshimasa Hayashi einräumt, deshalb entsprechend nachbearbeitet, doch ältere Versionen waren aus dem Netz zum Teil nicht mehr zu tilgen. Ein User schrieb auf X: „Das ist schlimmer als ein Gruppenfoto von einem Rentnerklub auf einem Ausflug.“
Das ist jedoch stark übertrieben. Otoya Normaljapaner würde sicher gerne mal so rumlaufen. Zur Liste der bereinigten „Verfehlungen“ gehören unter den Jacketts hervorblitzende weiße Hemden oder stark geknitterte Anzughosen. Ein schütterer Kollege in der letzten Reihe erhält doch tatsächlich ein paar Haare mehr, und den beiden einzigen weiblichen Kabinettsmitgliedern werden in der 2.0-Version die Gesichtsfalten straff gezogen wie bei den Männern die der Buchsen. Altern gilt bei Frauen offenbar nach wie vor als Garderobenfehler.
Der Unordentlichste auf einem älteren Bild ist sogar Regierungschef Shigeru Ishiba; der König der Zausel kann sich das natürlich am ehesten leisten. Wäre er noch einen kleinen Tacken cooler und selbstbewusster vorgegangen, hätte er Shorts, Flip-Flops und Hawaii-Hemd angezogen. Aber, so unvorstellbar das uns Mitteleuropäer:innen auch erscheint: In der traditionell strengen japanischen Gesellschaft ist diese Form von Casual-Summer-Look vermutlich nicht allzu gern gesehen.
Was da in seiner megausgebeulten Hose alles drin sein mag: Handy, Schlüsselbund, Feuerzeug, Flaschenöffner, Geldbeutel und ein paar blankgeputzte Kastanien frisch von den Straßen Tokios für die Enkelkinder?
Altern bei Frauen offenbar ein Garderobenfehler
Besonders auffällig ist auch Verteidigungsminister Gen Nakatani, der aus Sicht der Betrachtenden prominent links neben Ishiba steht. Auch hier liegt die Hauptproblematik einerseits in keck hervorlugenden Hemdzipfeln und andererseits in unordentlichen Fältelungen und Ausbeulungen des oberen Hosenbereichs um den Schritt herum: noch mehr Enkelkinder, noch mehr Kastanien – eigentlich ganz sympathisch.
Vielleicht ist das auch der Grund, dass gerade dieser Bereich der beiden Lotterbuben weniger bearbeitet erscheint, als er hätte sein können. Wenn man nun schon mal rangeht und sich die Mühe bereitet, könnte man auch gleich Tabula rasa machen, bis da am Ende nur noch so ein Haufen makelloser Avatare steht. Sollte man denken.
Doch die Korrekturen erfolgten mit Augenmaß: Dass der Hemdzipfel reinmuss, versteht sich beim obersten Dienstherrn des Militärs von selbst. Wer einmal das zweifelhafte Vergnügen der Wehrdienstzeit genossen hat, weiß, dass das Wichtigste dort nicht der Umgang mit Waffen und sämtlichen Elementen des Selbstschutzes ist, sondern starr choreografiertes Männchenmachen, Bettdecken auf Stoß und faltenfreie Hemdchen unterm Koppelschloss.
Die Verwerfungen der besagten Hosenpartie wurden hingegen nur relativ leicht modifiziert, um womöglich eine Botschaft an das Volk zu transportieren: Bestimmt ist da auch noch ein Schweizer Offizierstaschenmesser in der Hosentasche, und man möchte den Eindruck der Wehrhaftigkeit, des praktischen Vermögens und einer gewissen kühnen Hemdsärmeligkeit des Ministers um jeden Preis aufrechterhalten, und sei es um den des Verdachtes minimaler Nachlässigkeit. Man muss schon sagen: Bei der Aktion war richtig viel Grips im Spiel.
Die digitale Spucke auf dem Taschentuch
Und ist die Regierung nicht unser aller Mutti: die Mutter des Kabinetts, die Mutter der Bürger:innnen und die Mutter der Porzellankiste? Sie ist schließlich für unser Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit verantwortlich. Die Retusche ist bloß die digitale Variante der guten alten Spucke auf dem Taschentuch, mit der die Kleinen nachbearbeitet werden, bevor sie der Großmutter (Staatsempfang, UN) übergeben werden.
Zahnpastaspuren werden von den Jacketts und aus den Mundwinkeln gewischt, aufgeschlagene Knie verpflastert. Die Korianderblättchen zwischen den Schneidezähnen werden wiederum schlau vermieden, indem das gesamte Kabinett den Mund geschlossen hält.
Doch zur Wahrheit, so unoriginell diese wie meistens leider ist, gehört auch, dass die Manipulationen insgesamt recht dezent sind. Der Autor dieser Zeilen, der allerdings auch die Empörung über den New-Gonzo-Journalisten Claas Relotius nie verstanden hat („Was haben die denn alle – der Typ schreibt doch ganz witzig“), hält die Aufregung über die „Fälschung“ für unangebracht.
Und wer kennt nicht diese Kindersuchbilder „Finde die sieben Unterschiede“? Hier sind es zwar deutlich mehr, doch die Suche hat großen Spaß gemacht. Es ist der vollkommen richtige Ansatz, die japanische Bevölkerung auf diese Weise spielerisch mit ihrem Kabinett vertraut zu machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels