Protest gegen Ampel-Pläne: Gegen das „Unsicherheitspaket“

Nach der Schockstarre: Tausend Menschen demonstrieren am Dienstag vor der SPD-Zentrale gegen Abschiebungen, Grenzkontrollen und Überwachung.

Demonstrierende mit einem Herz und der Aufschrift "Herz statt Hass"

Protest gegen die Asylpolitik der Ampel-Regierung Foto: Florian Boillot

Berlin taz | Gespenstisch ruhig blieb es in den vergangenen Wochen auf den Straßen angesichts des kollektiven Rechtsrucks der deutschen Politik nach dem islamistischen Anschlag von Solingen. Am Dienstagabend hat diese Schocklähmung zumindest in Berlin ein Ende gefunden: Vor dem Willy-Brandt-Haus, der Bundeszentrale der SPD, versammelten sich mehr als 1.000 Menschen zu einer Kundgebung, die maßgeblich von der Initiative Seebrücke organisiert wurde.

„Die neueste Zuspitzung rassistischer Diskriminierung ist nicht hinnehmbar“, sagte eine der Ver­an­stal­te­r:in­nen in ihrer Auftaktrede. Seien Anfang des Jahres noch Hundertausende gegen die Remigrationspläne rechtsextremer Politiker auf die Straße gegangen, werde „genau diese rassistische Politik“ nun umgesetzt: „Dies ist der wahre Erfolg der AfD.“ Bundeskanzler Olaf Scholz und Innenministerin Nancy Faeser (beide SPD) „tragen Verantwortung für diese Politik“, so die Seebrücke-Aktivistin. Auch ein Banner im Publikum brachte den Vorwurf auf den Punkt: „Sellners Remigration? Jetzt Ampelposition!“

Das Publikum, die Mehrheit kaum 30 Jahre alt, reagierte mit Sprechchören, die schon lange nicht mehr auf den Straßen zu hören waren: „Say it loud, say it clear, refugees are welcome here“. Und beklatschte sich danach selbst, eher aufmunternd angesichts einer um sich greifenden resignierten Stimmung als wirklich wütend. Unter den Anwesenden waren viele, die sich schon lange für die Rechte von Geflüchteten stark machen; Ver­tre­te­r:in­nen von Sea Watch, Pro Asyl, dem Republikanischen An­wäl­t:in­nen­ver­ein oder der Evangelischen Kirche, auch die Bundesgeschäftsführerin der Linken, Katina Schubert, war zugegen.

Die Reden allerdings hielten mehrheitlich jene, die von einer Politik, die vor allem auf Abschiebungen und Abschottung setzt, direkt betroffen sind. Und für die das Sicherheitspaket der Bundesregierung ein „Unsicherheitspaket“ ist, wie es immer wieder hieß: Flücht­lings­ak­ti­vis­t:in­nen aus Syrien, Kurdistan und Iran, von Women in Exile oder der Brandenburger Initiative Jugendliche ohne Grenzen.

Demokratie gilt für alle

Ein Vertreter aus Brandenburg sagte in seiner Rede – einer lautstarken Anklage, geprägt vor der Angst vor einem AfD-Wahlerfolg bei der Landtagswahl am kommenden Sonntag – „Vor Wahlen wird immer gesagt, wir müssen die Demokratie verteidigen. Doch wenn ihr uns Mi­gran­t:in­nen nicht verteidigt, wird die Demokratie nicht verteidigt.“

Kritisiert wurden insbesondere die bereits stattfindenden und vermehrt geplanten Abschiebungen in Länder wie Syrien, Afghanistan und den Iran. Genau zwei Jahre nach dem Mord an der kurdischen Iranerin Mahsa Amini durch die Sittenpolizei, der die „Frau, Leben, Freiheit“-Proteste auslöste, kooperiere Deutschland mit dem Mullah-Regime, so eine Rednerin aus dem Iran.

Sie erinnerte, wie kürzlich die Abschiebung einer jungen Frau, die aus dem Iran fliehen musste, weil sie Proteste an ihrer Schule organisierte, erst auf den letzten Drücker durch den Einsatz der Zivilgesellschaft verhindert wurde. In Richtung der SPD sagte sie: „Ich habe Euch nichts zu sagen außer: Schämt euch!“ Derweil stand kaum sichtbar in der zweiten Etage der Parteizentrale am Fenster ein SPD-Schild mit der Aufschrift: „Frauen. Leben. Freiheit.“

Thematisiert wurden auch die geplanten neuen Überwachungsmaßnahmen, etwa die Möglichkeit für Sicherheitsbehörden, öffentlich zugängliche Bilder mit biometrischen Daten abgleichen zu können. Formiert hat sich dagegen das Bündnis Gesichtserkennung stoppen. Für das Bündnis sprach eine Vertreterin von Amnesty International, die die Pläne als „Massenüberwachung“ und demnach grundgesetzwidrig geißelte. Sie warnte: „Ein schlüsselfertiger Überwachungsstaat ist brandgefährlich, wenn menschenfeindliche Kräfte die Macht übernehmen.“

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