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Hochwasserlage in SachsenKeine Angst vor der Elbe

In Dresden sieht man einem drohenden Hochwasser diesmal gelassen entgegen. Auch wegen einer neuen Zuversicht in den Katastrophenschutz.

Dresden, 15. September: Hochwasserschutz am Terassenufer Foto: Robert Michael/dpa

In Dresden haben die klassischen touristischen Fotomotive und sogar das akute Hochwasser keine Chance gegen die Bilder der am 11. September teilweise eingestürzten Carolabrücke. Auf dem „Balkon Europas“, am Geländer der Brühlschen Terrasse, drängen sich Gäste und Einheimische mit ihren Handys.

Auch jetzt noch bieten die beiden ins Hochwasser führenden schrägen Rampen einen Blick von makabrer Ästhetik. In einem vorbildlichen Kraftakt haben Stadtverwaltung, Feuerwehr, THW und Bundeswehr mit etwa 150 Helfern den geborstenen dritten Brückenzug zerkleinert und beräumt. In nur vier Tagen haben sie damit befürchtete zusätzliche Hindernisse für den erwarteten Anstieg der Elbe beseitigt.

Auch der Laie kann erkennen, dass sich vor dem weiterhin quer in der Elbe liegenden, längst überfluteten mittleren Brückenteil das Wasser kaum zusätzlich aufstaut und rechts und links vorbeifließen kann.

Trotz der aus Tschechien nahenden Flutwelle wird nach Prognosen des Dresdner Umweltamtes der bereits für Montag vorhergesagte Pegel von sechs Metern erst am Mittwoch mit dem Scheitel der Welle erreicht. Zur Jahrhundertflut 2002 stieg die Elbe in Dresden auf 9,40 Meter, 2013 erreichte sie einen reichlichen Meter weniger.

Stimmung bleibt entspannt

Überraschend rechnet auch das Landeshochwasserzentrum Sachsen mit einem Rückgang der Pegel an den meisten Flüssen und sogar an der Neiße. In Görlitz blieb sie am Montag knapp unter der höchsten Hochwasserwarnstufe vier. Tendenz bereits fallend. Auch der Dauerregen ließ am Montag bereits spürbar nach.

Entsprechend ist die Stimmung unter den Schaulustigen und den Einwohnern. Stadtgespräch ist nach wie vor die Carolabrücke und deren wahrscheinlicher kompletter Abriss. Innerstädtische Staus signalisieren ihr Fehlen.

Doch so ganz ist die Stadt von Hochwasserbildern nicht verschont. Das linkselbische Terrassenufer und der rechtselbische Radweg sind zwar gesperrt und teilweise überflutet. Aber so schlimm wie vor 22 Jahren kommt es nicht, sind auch Passanten überzeugt.

Zu dieser Gelassenheit trägt ein neues Vertrauen vorwiegend in den aktiven Hochwasserschutz bei. Richtung Radebeul, wo am letzten Septemberwochenende das Weinfest unbeeindruckt stattfinden soll, passiert man auf dem Radweg mobile Schutzwände auf den Deichen. Eine solche Leichtmetallwand steht nun erstmals auch unterhalb der Kunstakademie an der Brühlschen Terrasse und soll die Radeberger Biergaststätte schützen.

Bauwut der 90er

Für den passiven Hochwasserschutz besitzt Dresden dank seiner breiten Elbwiesen Retentionsräume, die freilich bei tagelangen Rekordpegelständen auch kein Wasser mehr aufnehmen könnten. Nur dank Bürgerintervention konnten diese Elbauen nach 1990 vor der neuen Bauwut gerettet werden. Im selben Ungeist naiven Fortschrittsglaubens wurde aber 40 Kilometer elbabwärts vor Riesa innerhalb der statistischen Linie für ein hundertjähriges Hochwasser die Siedlung Röderau-Süd für 400 Einwohner errichtet. Bis über die Dachfirste 2002 überflutet, kostete der komplette Wiederabriss den Freistaat Sachsen 50 Millionen Euro.

Aus solchen Fehlern hat man gelernt. Hinzu kommt jetzt der günstige Umstand, dass man neben der Elbe nicht an einer zweiten Wasserfront kämpfen muss. 300 Liter pro Quadratmeter fielen an jenem 12. August 2002 in Zinnwald auf dem Kamm des Osterzgebirges. Weit vor dem Elbanstieg stürzte die Weißeritz zu Tal, suchte sich in Dresden ihr altes Bett wieder und ergoss sich in Zwinger, Hofkirche und über den Theaterplatz.

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