AfD-Verbotsverfahren: Es ist höchste Zeit

Die AfD hat längst eine kritische Größe erreicht und sitzt in Machtpositionen. Der Antrag auf ein Parteiverbot kommt eher zu spät als zu früh.

Ein Kind hält ein Plakat auf denen die Buchstaben "AfD" durchgestrichen sind, im Hintergrund sieht man eine Menschenmenge

Berlin, 24.01. 2024: Demonstration für den Schutz der Demokratie und ein Verbot der AfD Foto: Stefan Boness

Während der Bundeskanzler Olaf Scholz sich noch ziert, sich klar zu einem möglichen Verbotsverfahren gegen die autoritär-nationalradikale AfD zu positionieren, haben die Rechtsextremen klare Vorstellungen, was demnächst so mit der SPD zu tun sei. AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla sagte kürzlich bei einem Wahlkampfauftritt in Thüringen: „Diese SPD ist endgültig für den Schafott geeignet.“ Ein Schafott ist eine Bühne für Enthauptungen. Das illustriert ganz gut die Debatte um das an Fahrt aufnehmende AfD-Verbot: Teile der SPD sind unsicher; die AfD will die SPD zerteilen.

Bereits im Juni hatten sich genug Bundestagsabgeordnete zusammengefunden, um einen entsprechenden Antrag einzubringen. Mittlerweile sind es mehr geworden und bald soll über den fraktionsübergreifenden Antrag im Bundestag diskutiert werden. Er soll auch die ersatzweise Möglichkeit nach dem Entzug der staatlichen Parteienfinanzierung ebenso wie ein Verbot einzelner Landes- und Jugendverbände als milderes Mittel beinhalten, wenn es vor Gericht nicht für ein Verbot der Gesamt-AfD reichen sollte.

Der Antrag auf ein Parteiverbot kommt eher zu spät als zu früh, denn spätestens mit dem Erreichen von Sperrminoritäten bei den Landtagswahlen von Thüringen und Brandenburg hat die AfD eine kritische und für unsere Demokratie problematische Größe erreicht. Das Urteil zum NPD-Verbot von 2017 unterstrich, dass die Entstehung konkreter Gefahren für die freiheitlich-demokratische Grundordnung „bereits weit im Vorfeld“ verhindert werden sollten – nach der Maxime „Wehret den Anfängen“.

Dafür ist es mittlerweile schon eher zu spät. Die ersten Schritte auf dem Weg zum Autoritarismus sind längst getan, Konservative üben sich im rechten Kulturkampf und die Bundesregierung betreibt Abschottungspolitik. Derzeit müsste es eher heißen: „Wehret dem Weiter-so“.

Gerichtliche Auseinandersetzungen

Es ist klar, dass das Verfahren auch verloren gehen kann. Aber es ist besser, wenn ein Verbotsverfahren scheitert, als wenn die Demokratie scheitert. Und die Partei hat immer wieder gerichtliche Auseinandersetzung zu ihren Einstufungen durch den Verfassungsschutz verloren – zuletzt die Bundespartei vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster, wo die Richter die Einstufung als rechtsextremen Verdachtsfall bestätigten.

Die rechtsextreme Materialsammlung über die AfD wächst unterdessen weiter: Sie versucht zwar, auch sich systematisch zu verharmlosen, aber wer sich im Sommer auf ihren Wahlkampfveranstaltungen umgeschaut hat, dürfte wenig Zweifel am ex­trem rechten Charakter dieser Partei haben. Die Partei hetzt gegen Minderheiten, will den Parteienstaat zerschlagen, die Pressefreiheit bekämpfen und mit Diktatoren wie Putin paktieren.

Björn Höcke forderte schon 2018 in seinem Buch ein „großangelegtes Remigrationsprojekt“ mit „wohltemperierter Grausamkeit“ und ist der Meinung, Deutschland könne mit 20 bis 30 Prozent weniger Menschen leben. Im Wahlkampf rief er in Cottbus von der Bühne: „Glaubt nicht, was in den Geschichtsbüchern steht“ – und machte dann Selfies mit jungen AfD-Fans, teils im „Blitzkrieg“-Shirt. In Brandenburg verteilte die AfD zwischen einer Hüpfburg, einem Zuckerwattestand und Kinderschminken sogenannte Kubotans, also kleine Waffen, als Wahlkampf-Giveaways.

Trotz ihrer Radikalität hat sich die Partei normalisiert und das macht sich gesellschaftlich nicht zuletzt durch steigende rechte Gewalt bemerkbar. Die AfD wie bisher „politisch zu stellen“, hat offensichtlich nicht geklappt.

Verfassungsfeindlich aber irrelevant

Das Bundesverfassungsgerichtsurteil von 2017 besagte: Die NPD ist zwar klar verfassungsfeindlich, aber zu irrelevant, um sie zu verbieten. Sie habe keine Chance, ihren Willen durchzusetzen. Nun, bei der AfD ist das anders. Die AfD hat den Diskurs vergiftet und kann bereits mit ihrer Sperrminorität in Thüringen und Brandenburg wichtige demokratische Prozesse blockieren.

Dass ihr dazu jegliche Mittel recht sind, daran kann es nach dem Eklat schon bei der Konstituierung des Thüringer Landtags wenig Zweifel geben. Sie will das Land unregierbar machen und nutzt dafür jeden Spielraum, den die Demokratie ihr bietet, um sie von innen heraus zu bekämpfen: Erst instrumentalisiert sie das formale Amt des Alterspräsidenten, um das Thüringer Parlament zu beschädigen, hinterher greift sie das Urteil des Verfassungsgerichts und den Rechtsstaat an – alles nach autoritärem Playbook. Die Besetzung desselben Verfassungsgerichtshofs in Thüringen können die Autoritären mittlerweile blockieren und langfristig lahmlegen. Ein Parteiverbot kommt in Thüringen eigentlich zu spät.

Zugleich darf ein Verbotsverfahren nicht bedeuten, dass es keine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Aufschwung des Autoritarismus braucht. Es braucht parallel dazu natürlich auch eine konfliktfähige Zivilgesellschaft, die für die Demokratie eintritt. Erinnert sei hier noch einmal an die Millionen Menschen, die Anfang des Jahres gegen Rechtsextremismus und für die Demokratie auf der Straße waren. Eine dort vielfach formulierte Forderung war übrigens ein AfD-Verbot. Das war ein Moment, in dem die AfD wirklich politisch gestellt wurde – und nicht, indem man schrittweise ihre Abschottungsagenda oder ihre rassistischen Erzählungen übernimmt und sich als Abschiebekanzler inszeniert.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Inland und taz Berlin. Themenschwerpunkte: soziale Bewegungen, AfD, extreme Rechte

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.

Ihren Kommentar hier eingeben