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Nette Raubtiere, unfreundliche BankenMedien, die „Wolf“ schreien

Junge Grüne sind enttäuscht, UniCredit will die Commerzbank übernehmen, aber vor allem ein wilder Vierbeiner sorgt immer für eine gute Quote.

Sollen wieder erlegt werden können Foto: Hohlfeld/imago

t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Anarchie-Festspiele im Thüringer Landtag.

taz: Und was wird besser in dieser?

Küppersbusch: Alle merken, wem’s nutzt.

taz: Das Massaker an Israelis durch die Hamas jährt sich am 7. Oktober. Auf welcher Kundgebung oder Demonstration wird man Sie antreffen?

Küppersbusch: Ich versuche, meine persönliche Staatsräson für den sicheren Ort der Juden auf diesem Planeten heil durch Reden von Netanjahu und die Methoden des israelischen Militärs zu bekommen. Bei jeder Nachricht über neue zivile Opfer, die Not der Geiseln und ihrer Angehörigen, bei jeder Friedensinitiative, die das Netanjahu-Regime zertrampelt, bildet sich ein innerer Demonstrationszug in mir. Damit hab ich genug zu tun.

taz: Der Vorstand der Grünen Jugend macht nun seine eigene Sache. Eine gute Entscheidung oder der erste Schritt auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit?

Küppersbusch: Weder der Linken noch den Jusos würde es schaden, frische Kräfte mit Organisationserfahrung und konsequenter Haltung zu gewinnen. In einigen Bundesländern haben inzwischen national-autoritäre Parteien Mehrheiten.

taz: Nach einer Umfrage des Statistischen Bundesamtes scheint eine große Mehrheit der Bürger und Unternehmen mit den Dienstleistungen deutscher Behörden zufrieden. Sie auch?

Küppersbusch: Wen zur Hölle haben die befragt? Ersatzpapiere, Hochzeitsaufgebot, mag sein. Aber schonmal jemand Bürgergeld beantragt? Und wie kann es sein, dass ukrainische Kriegsflüchtlinge fassungslos waren, im gelobten Land eher so immerwährende Mittelalter-Festspiele zu erleben? Also alles wie immer. Würde es wirklich besser, krähte schon der erste Rechtspopulist „die guten deutschen Behörden sind ein Pull-Faktor!“

taz: Der Bundestag hat Maßnahmen zum Abbau von Bürokratie beschlossen. Die Dämonisierung der Bürokratie ist aber doch gemeinsamer Nenner aller Parteien. Was, wenn der wegfällt?

Küppersbusch: Eh ein Schrottgesetz, weil der FDP nichts mehr eingefallen ist, womit sie ihre eigenen Ideen ablehnen kann. Siehe Aktienrente. Hotelmeldung, Arbeitsvertrag, Betriebskosten – alles darf jetzt digital und nix dagegen. Liberales Goodie: Künftig müssen Privatleute, aber auch Firmen ihren Steuerkram nur noch acht Jahre aufbewahren. Der erste aktenkundige Fall von „cum ex“ war 1990, insgesamt sind heute von 135 Verfahren gerade 13 abgeschlossen. Bei der Fristverkürzung muss man argwöhnisch sein, denn die FDP ist dafür.

taz: Die italienische UniCredit plant, die Commerzbank zu übernehmen. Scholz nannte das Vorgehen „unfreundlich“. Wie sähe eine freundliche Bankübernahme aus?

Küppersbusch: Wie Scholz. Oder Merkel. 2008 rettete der Staat – ­letztlich wir – die Commerzbank. Finanz- und Bankenkrise, und dann hatten sie sich auch noch an der maroden Dresdner Bank verschluckt. Ihre Filialen ­verschwanden, und bald die der ­Commerzbank hinterher: Online-Banking ist profitabler. Bank gerettet, Jobs futsch. So konnte die Bank den 25-prozentigen Staatsanteil langsam wieder abstottern und wurde für Anleger ­attraktiv: Black Rock etwa, Friedrich Merz ­gefällt das, und eben UniCredit. Die hat mit gutem Appetit schon die deutsche ­Hypocreditbank verspeist. Und wenn man ganz sicher sein will, dass die Commerzbank genauso ­verschwindet, muss man sie gewähren lassen. Letztlich kämpft Kanzler Scholz also um die Chance, im Ernstfall den Deckel bezahlen zu dürfen. Bitte recht freundlich. Ist nicht so schlimm, Gespräche mit Banken vergisst er ja schnell.

taz: Das Erlegen von Wölfen soll nun vereinfacht werden. Wie relevant ist das eigentlich?

Küppersbusch: Da haben sich Bauern und Tierschützer einen Wolf diskutiert, und der muss natürlich weg. In Deutschland sind es knapp 1.200 Tiere, mal Rotkäppchen hoch Medien gleich: schlimm viele. Ein Kollege, der eine TV-Sendung mit Publikumsbeteiligung herstellt, erzählte mir: „Wenn bei der Quote mal gar nichts geht, nicht mal Migration – dann machen wir halt wieder den Wolf“. Wegen dieser medialen Aufregung ist die Zahl der tatsächlichen Wolfsrisse umstritten. Viehhalter scheuen Kosten für besseren Herdenschutz – höhere und elektrische Zäune; Tierschützer sehen Bejagung als Fortbildung mit Blei: Die Wölfe werden schlauer, nicht weniger.

taz: Und was macht der RWE?

Küppersbusch: Vier Punkte aus drei Spielen, sagenwirmal geht so. Geht so eigentlich nicht weiter, doch seltenes Glück: Da die Mannschaft fast komplett ausgetauscht wurde, muss man nicht den Trainer feuern. Sonst ist immer andersrum.

Fragen: Chantalle El Helou

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Friedrich Küppersbusch
Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".
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7 Kommentare

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  • *Die Wölfe werden schlauer, ...*

    Die Wölfe werden schlauer, und das stimmt zum Glück. Leider werden die zweibeinigen Säugetiere (also die mit dem "aufrechten" Gang) - die sich für ganz besonders schlau halten - immer dümmer. Und weil der Homo sapiens immer dümmer wird und sogar seinen Heimatplaneten schon fast unbewohnbar gemacht hat, muss er jetzt irgendwie einem anderen für alles die Schuld geben und an den Pranger stellen. Und diese Schuld muss jetzt der Wolf übernehmen, denn der hat ja ohnehin seit Jahrhunderten eine schlechte Lobby.

    • @Ricky-13:

      Das bestätigt meine Auffassung, dass das menschliche Hirn eine Fehlentwicklung der Evolution ist. Wir wissen ganz genau, was für Folgen unser Handeln hat, sei es der Kampf gegen die Natur oder sei es der Kampf gegen uns selbst (Waffen werden immer lethaler, ein Fortschritt??). Nein, der Mensch ist nicht die Krone der Schöpfung - er ist der Verderb derselben...

  • Warum schreibt der Medienprofi Friedrich Küppersbusch eigentlich keine Kolumne über die Arbeitsweisen und das Wirken der Massenmedien, anstatt launige Beiträge zum Potpourri beizusteuern?

    Als Insider mit Verbindungen sollte er da manches klarstellen können. Vielleicht hat er sogar die eine oder andere Idee, wie man so etwas wie Bildungsarbeit im Sinne der Aufklärung in den Vordergrund gebracht werden kann? Jede Woche ein bis zwei Bespiele für gute und schlechte Medienpraxis, das wären auch für die taz ein Gewinn un ein Stücken medienkritische Bildung.

  • Ich frage mich ja immer: Was habe ich eigentlich davon, wenn sich in Deutschland wieder der Wolf ansiedelt? Wenn alles läuft wie gewünscht, sehe ich ihn nie, wenn ich ihn sehe, ist was schief gelaufen.

    Ich halte es für absurd, in einem dicht besiedelten Gebiet die Deutschland ein natürliches Gleichgewicht mittels eines Großraubtieres herstellen zu wollen. Für ein Natur-Bullerbü müssen dann Halter von Weidetieren einen wahnwitzigen Aufwand an Zäunen und Schutzhunden betreiben.

    Ich sehe immer wieder gerne den Stadtfuchs. Der hält die Karnickelppopulation in schach. Raubvögel ernähren sich von den Tauben.

    • @fleischsalat:

      Das ist in unserer Gesellschaft eine leider allzu typische Frage: Was habe ICH davon.... Es geht nicht nur um MICH - es geht um's Ganze. Kapito??

  • Auch die taz hat leider viel Schrott zum Thema Wolf produziert. Kein Wunder, dass dazu dann nur eine satirische Frage im Interview kommt, die glücklicherweise ziemlich ernst und treffend beantwortet wird. Danke dafür, Herr Küppersbusch.

    • @Frau Sperling:

      Dem schliße ich mich an. Doch eins noch: Sowohl Wolf als auch Mensch ist TEIL der Natur und das sollten wir bei allen Diskussionen und gar Maßnahmen berücksichtigen. Hingegen ist die Profitgier kein Naturphänomen und sollte Viehhaltern nicht gutgeschrieben werden.