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Neuer CDU-Landtagspräsident in ThüringenMal ein Grund zur Freude

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Geht doch: Ein Gericht weist die AfD in die Schranken, und die demokratischen Parteien halten zusammen. Rechtsextremisten können gestoppt werden.

Beten war nicht nötig: Thadäus König von der CDU ist neuer Parlamentspräsident in Thüringen Foto: Martin Schutt / dpa

D ie Front zur Verteidigung der liberalen Demokratie in Thüringen steht – zumindest vorerst. Das ist das erfreuliche Fazit des Dramas in der konstituierenden Sitzung des Landtags von Erfurt. Von der CDU über die SPD und Die Linke bis zum BSW – alle haben zusammengehalten und die Wahl einer verurteilten Betrügerin von der AfD zur Landtagspräsidentin verhindert. Sie haben den Rechtsextremen gezeigt: Auch in Thüringen haben sich zwei Drittel der Wähler gegen die AfD entschieden. Die Demokraten haben die ganz große Mehrheit.

Man kann natürlich bedauern, dass es überhaupt zu dem Eklat kommen konnte. Denn Juristen hatten lange vor genau diesem Szenario gewarnt. Deshalb hätte der Landtag seine Geschäftsordnung vor der Wahl ändern müssen, damit von Anfang an auch andere Fraktionen als die größte Kandidaten zum Parlamentspräsidenten vorschlagen können. Aber damals blockierte die CDU. Doch nach der Wahl haben auch die Christdemokraten noch die Kurve gekriegt. Das ist ein Grund zur Freude. Und berechtigte Freude ist wichtig bei der ständigen Schwarzmalerei, die vor allem der AfD nützt.

Doch die Wahl eines CDU-Abgeordneten zum Präsidenten des thüringischen Landtags ist nur ein Etappensieg gegen die Rechtsextremen. Für die Zukunft sollten die Demokraten aus dem Eklat in Erfurt vor allem zwei Lehren ziehen: Erstens müssen die Verfassungen und Geschäftsordnungen sowohl in den Ländern als auch auf Bundesebene dringend gegen Angriffe durch die AfD abgesichert werden.

Die Parlamente sollten Einfallstore für rechtsextreme Zerstörungstaktiken schließen, bevor die AfD sie nutzen kann. Auch die Justiz muss gegen Unterwanderungsversuche der Rechtsextremen geschützt werden. Wie entscheidend das ist, hat ebenfalls Thüringen gezeigt. Denn nur weil der dortige Verfassungsgerichtshof die AfD in die Schranken verwies, gab sie schließlich nach.

Die zweite Lehre ist: Die Verteidiger der liberalen Demokratie müssen auch bei Regierungsbildungen zusammenhalten. Wenn die Demokraten diese Lehren beherzigen, können sie die Rechtsextremen durchaus noch stoppen.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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13 Kommentare

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  • Ich weiß nicht wo genau das jetzt ein Sieg gegen rechts gewesen sein soll

  • Nein, ich sehe hier keinen Grund zur Freude. Für die sog. AfD handelt es sich um eine winwin-Situation: Setzt sie sich durch, hat sie sich durchgesetzt. Wenn nicht, kann sie sich wieder als Opfer stilisieren und noch mehr vom "Altparteien-Kartell", von fehlender Demokratie usw. faseln. Es ist allenfalls ein Grund, mal kurz durchzuschnaufen.

    • @Jörg Levin:

      Naja. - ich glaube schon, daß sie die AFD hier



      Überschätzen. - die AFD hat sozusagen eine wichtige Schlacht verloren, aber ein Ende ist noch nicht in Sicht.

  • Darüber habe ich mich auch gefreut. Aber ich dachte mir auch "wie lange wird es noch solche VerfassungsrichterInnen geben?" Diese Positionen werden auch mal neu besetzt werden und wenn man sich so ansieht, wie das geschieht, dann sehe ich düstere Zeiten auf uns zukommen. Zumindest mit einer AfD, die eine Sperrminorität hat.

    Das Problem mit der ungenauen Geschäftsordnung bzgl. der Whal des Landtagspräsidenten haben sie ja in letzter Sekunde noch kitten können - freilich nachdem die CDU das ja schon mal verhindert hatte. Als es um IHREN Posten ging (Mike Moring).

  • Danke für diesen Artikel!



    Es ist lobenswert, dass die wenig lobenswerte Rolle derCDU bei der angestrebten Änderung der Geschäftsordnung, vor der Wahl, Erwähnung findet.



    Bisher war das nur eine Randnotiz.



    Was mir außerdem, aus diesem Grund sehr "undeutschen" Artikel gut gefällt, er fällt ein positives Urteil.



    Damit ist er wahrscheinlich einer unter 1000.



    Dass sich die Deutschen das Jammern nicht verbieten lassen, lesen wir wahrscheinlich postwendend in der kommune.



    Ich sehe die Zusammenarbeit hingegen auch als positives Signal!



    Wir brauchen keine neuen Splittergrüppchen, die exklusiv ihr eigenes Süppchen kochen.



    Nur als breite Bewegung ist der Rechtsextremismus, der derzeit die größte Gefahr für unsere Demokratie darstellt, zu bekämpfen.



    Ohne Brandmauer geht es nicht, da muss der Eine oder die Andere schon mal über den eigenen Schatten springen.



    democracy first!

  • Die AfD-Landtagspräsidentin hätten die anderen Parteien ganz einfach haben können:



    Sie hätten gegen sie stimmen - und dann ihren Kandidaten ins Rennen schicken können. Ganz einfach und ganz demokratisch - und dabei noch leise und mit guten Manieren möglich.

    Stattdessen hat hauptsächlich die CDU einen Eklat daraus veranstaltet, dass die größte Fraktion die Geschäftsordnung so verstanden hat, wie sie bisher immer verstanden wurde.

    Ist das Verteidigung der Demokratie?

    Eher nicht.



    Es zeigt leider, wie nervös und unfähig der Umgang mit der AfD immer noch ist.

    • @Frauke Z:

      Ganz einfach ? -



      Nein, das glaube ich eben nicht... Die früher bestehende Geschäftsordnung hätte der AFD ein nicht zu unterschätzendes Momentum verschafft.

    • @Frauke Z:

      Mal davon ab, daß mer im Vorfeld die notwendigen Änderungen für die "Demokratieresilienz" hätte durchziehen können und des schon irgendwie die CDU verkackt hat; so Rumbrüllerei, irgendwelche Zwischenrufe und andere Rumkaspereien (womit ich eher die Kunstfigur "Kasper" beleidige *lol*) bringen halt auch bei eventuell wankelmütigen "Falschwählern" keine Punkte.



      Ich wäre übrigens für CDU-Minderheitsregierung, da können die wirklich mal Demokratie üben..

    • @Frauke Z:

      Das sehe ich auch so. Es hätte geräuschlos geschehen können.

      Die AfD wollte gar keine Landtagspräsidentin stellen und dafür Stimmen aus den anderen Parteien abgreifen. Wenn das das Ziel gewesen wäre, dann hätten sie sicher eine Kandidatin ohne einschlägige Vorstrafe gefunden. Sie wollten den maximalen Eklat auslösen, und die anderen haben ihr dabei geholfen.

      Man müsste doch langsam mal begreifen, dass die ganze Wutschnauberei und Theatralik im Umgang mit der AfD nur der AfD nützt. Man sollte der AfD inhaltlich nichts zugestehen, aber sich gleichwohl um formale Korrektheit im Umgang mit ihr bemühen.

  • Zitat: "Deshalb hätte der Landtag seine Geschäftsordnung vor der Wahl ändern müssen, damit von Anfang an auch andere Fraktionen als die größte Kandidaten zum Parlamentspräsidenten vorschlagen können. Aber damals blockierte die CDU. Doch nach der Wahl haben auch die Christdemokraten noch die Kurve gekriegt. Das ist ein Grund zur Freude."

    Nein, ist es nicht. Es sorgt bei Leuten, die sich um Kenntnis der Hintergründe bemühen für Frust über die "etablierten", wenn nicht nur schlichtweg vernünftige, sondern dringend gebotene Anträge aus Machtkalkül oder Profilierungssucht abgekanzelt werden.

    Auch wenn der Herr Voigt das hier nicht lesen wird: Es zahlt sich nicht aus. Leihstimmen, wie vor Jahren in Sachsen oder jetzt in Brandenburg, wird es immer weniger geben. Ein beträchtlicher Teil der Stimmen, die Herrn Woidkes SPD einfuhr, waren nicht Stimmen für ihn, sondern Stimmen gegen Berndt.

    Aber die betreffenden Parteifunktionäre können offenbar nicht anders, als sich mit fremden Federn schmücken und die Anhänger anderer Parteien abwatschen, anstatt die Tatsache anzuerkennen und sich für die Unterstützung zu bedanken.

    • @dtx:

      Ja, das wäre mal etwas neues in der politischen Landschaft, sich für die Unterstützung durch und bei anderen zu bedanken. Es ist leider immer noch so, dass es eher als Schwäche angesehen wird, etwas mit Unterstützung durch andere geschafft zu haben. Bekanntermaßen schafft niemand es, die anstehenden Aufgaben/Probleme ALLEINE zu stemmen.

  • Echt? Friedrich Merz und Rainer Wendt und Konsorten sind WEG? Die CDU macht plötzlich KEINE rechtsextreme Politik mehr?

    • @Mohammed Wasiri:

      Schön wär's. Leider vergessen die Menschen immer wieder, dass die AfD nicht die einzige rechtsextreme populistische Partei ist. Oder sie wollen es nicht wahrhaben.