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Studie zu Klimaerwärmung und GesundheitExtreme Hitze schadet den Nieren

Immer häufiger sterben Menschen aufgrund extremer Temperaturen. Eine neue Studie zeigt jetzt eine Verbindung zu Nierenversagen.

Zuckerarbeiter bei der Trinkpause, Managua, Nicaragua Foto: Oswaldo Rivas/reuters

Die heißen Tage sind vorbei, abgelöst von anderen Extremwetterereignissen. Es bleibt das erneuerte Bewusstsein, dass Sommertage längst nicht mehr nur für Eis am Stiel und Schwimmbadpommes stehen, sondern auch für Kreislaufkollaps und Gesundheitsbeschwerden. Dazu zählt auch ein oft übersehenes Leid, wie nun eine Studie von Forschenden aus London und Bristol nahelegt: Nierenversagen.

Die Studie

Die Forschenden nutzen ein Warnsystem des englischen Gesundheitsservice, das Alarm schlägt, sobald ein Labor einen außergewöhnlichen Kreatininwert feststellt. Kreatinin ist ein Abbauprodukt, das im Urin ausgeschieden wird. Sammelt es sich dagegen im Körper an, ist das ein Hinweis auf gestörte Nierenfunktionen. Für die Studie kreuzten die Forschenden 1,3 Millionen solcher Warnhinweise mit meteorologischen Daten.

Dabei fanden sie einen starken Anstieg der Meldungen, sobald die Temperatur vor Ort über 25 Grad Celsius steigt. Während einer einwöchigen Hitzewelle im Juli 2021 stieg die Fallzahl um 28,6 Prozent. Besonders wenn sich die Temperaturen den 30 Grad annäherten, explodierten die Warnhinweise – von durchschnittlich rund 1.500 auf 2.500 täglich. Die Wahrscheinlichkeit, einen Nierenschaden zu erleiden, lag so an einem 32 Grad heißen Sommertag um über 60 Prozent höher als während eines Herbstspaziergangs bei 17 Grad.

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Nun heißt Korrelation nicht zwingend Kausalität. Auch Eisverkäufe und Haifischangriffe steigen im Sommer. Nur eins davon ist direkt hitzebedingt, das andere hat wohl mehr damit zu tun, dass wir uns bei Wärme eher ins Meer trauen. Der Zusammenhang zwischen Hitze und Nierenfunktion ist allerdings medizinisch gut begründet, international bestätigt und folgt zudem häufig einer zeitlichen Abfolge: Der Kreatininwert schlug in dieser Studie besonders einen Tag nach den Temperaturen aus. Eine andere Studie findet drei Tage später vermehrt Nierensteine.

Was bringt’s?

Erstmal eine Mahnung, auf uns und unser Umfeld zu achten und sich bewusst zu machen, dass sich die Gefahren extremer Hitze als Seitenschmerzen, Konzentrationsschwäche oder Wassereinlagerungen äußern können. Auch der klassische Hitzeschlag wird laut den Forschenden bemerkenswert oft von Nierenschäden begleitet.

Noch weitaus stärker betrifft das Problem allerdings Menschen in Indien, Südostasien und Mittelamerika. Ar­bei­te­r*in­nen in überhitzten Minen oder auf sonnenverbrannten Feldern, die die Schäden oft erst zu spät bemerken. Im Herzen der nicaraguanischen Zuckerrohrindustrie ist Nierenversagen unter Männern inzwischen für die Hälfte aller Todesfälle verantwortlich.

Dabei ließen sich hochwirksame Gegenmaßnahmen ergreifen: Schatten, regelmäßige (Trink-)Pausen und Löhne, die Ern­te­ar­bei­te­r*in­nen nicht zwingen, über körperliche Grenzen hinauszugehen. Und langfristig gesehen alles, was wir noch bewerkstelligen können, um der globalen Erhitzung entgegenzutreten.

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4 Kommentare

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  • Ja, auch direkte Zusammenhänge mein ich unbestritten, nur kommen bei Hitze eben Dehydration, Stress und Blutdruck dazu. Und ggf. unterschätzt auch (plötzliche) Kälte, durch Klimatisierung in Gebäuden, dazu muss einem der kalte Zug nicht auf den nackten Rücken treffen, der Körper kämpft auch mit dem ständigen Wechselbad, und: strenge Kälte ist wiederum auch nicht gut, die Nieren insb. haben's gern warm, nicht heiss. Am besten wär, wie für viele chronische Leiden, dann grad tropisches aber max. beständiges Klima, optimal ozeanisch moderiert, also etwa Leeseite hawaiianischer Rücken, immer 25°C trocken. Oder temperiert-mediterran ohne Hitzespitzen (was es kaum noch gibt), bestenfalls mit der entspr. Küche. In kälteren Breiten wird dagegen auch eher salzig gegesssen und auch wenn's keiner hören mag, Salz ist echt nicht so gut, für Menschen mit entspr. Veranlagung eh. Hier soll nur nicht der Eindruck entstehen Sonne und Nieren vertrügen sich nicht, ganz im Gegenteil. Gerade für so jemanden ist es jedenfalls besser am Strand zu liegen als irgendwo schweissgebadet im Schatten eine Flasche nach der nächsten zu leeren. Aber Gesundheit und Überleben (zum Arbeiten) sind ja zwei Paar Schuhe.

    • @Tanz in den Mai:

      Das kann ich alles nur unterschreiben.

  • Wie soll in unserer Marktwirtschaft "Vernunft" funktionieren?



    Das Problem ist doch, dass die Mehrheit der Menschen "vernünftig" handeln müsste, um klimatechnisch noch etwas bewirken zu können.



    Genau darum funtioniert "teile und herrsche" so gut: Es funktioniert fast nie, dass viele Menschen gemeinsam vernünftig handeln.



    Schaut sie doch an, Amazonpaketrückläufer, shopping, Geld Geld Geld, Arbeit, schuften...



    Vergesst es, das geht erst wenn unser System zusammenbricht.

  • Toll recherchiert, so funktioniert Wissenschaft!