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Einsatz von geächteter StreumunitionZahlreiche Opfer in der Ukraine

Hilfsorganisationen schlagen Alarm und mahnen hunderte Fälle an. Vor allem Kinder wurden Opfer der international geächteten Streumunition.

Ein Mann zeigt einen Granatkrater als Folge eines russischen Raketenangriffs mit Streumunition in der Region Charkiw am 08.09.2024 Foto: Viacheslav Madiievskyi/imago

Genf/München epd/afp/taz | Der Einsatz von international geächteter Streumunition hat im vergangenen Jahr laut Handicap International wieder zahlreiche Menschen das Leben gekostet oder verletzt. Mindestens 219 Fälle seien bekannt, erklärte die Hilfsorganisation am Montag in München. Die tatsächliche Zahl der Opfer liege jedoch vermutlich wesentlich höher. Mindestens 118 Menschen seien Opfer direkter Angriffe mit Streumunition geworden.

Weitere 101 Fälle seien bekannt, in denen die Menschen durch Blindgänger getroffen wurden. Handicap bezieht sich auf den Bericht „Cluster Munition Report 2024“, der von einer Gruppe von Nichtregierungs- und Hilfsorganisationen veröffentlicht wurde. Der Großteil der bekannten Opfer von Streumunition stamme aus der Zivilbevölkerung. Im vergangenen Jahr seien 93 Prozent Zivilisten gewesen. Dabei seien Kinder einer besonders hohen Gefahr ausgesetzt.

2023 seien 47 Prozent aller Opfer von Blindgängern Mädchen und Jungen gewesen. Den Angaben nach setzten die russischen und ukrainischen Streitkräfte im Jahr 2023 Streumunition ein. Seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 seien über tausend Menschen durch Streumunition getötet und verletzt worden, erklärte Handicap International.

Einsatz auch in Myanmar und Syrien

Im vorigen Jahr seien auch in Myanmar und Syrien Einsätze von Streumunition erfasst worden. Keines dieser Länder habe sich dem internationalen Streubomben-Verbotsvertrag angeschlossen. Dem am 1. August 2010 in Kraft getretenen Verbotsvertrag gehören inzwischen 112 Staaten an. Streumunition gehöre zu den für die Zivilbevölkerung gefährlichsten Waffen, da sie noch lange nach Beendigung des Konflikts zu Opfern führen könne, mahnte Handicap International.

Diejenigen, die die Explosion der Streumunition überlebten, verlören oft Hände und Füße oder erlitten schwere Verletzungen an lebenswichtigen Organen. Streubomben können aus Flugzeugen abgeworfen oder vom Boden aus abgefeuert werden. In der Luft werden dann dutzende oder sogar hunderte kleinere Sprengkörper über großer Fläche freigesetzt, sogenannte Bomblets. Allerdings ist diese Streumunition nicht nur unpräzise. Auch detonieren viele der Sprengkörper beim Aufprall nicht. Selbst Jahre später können sie daher zur Gefahr für Zivilisten werden.

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6 Kommentare

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  • Ziemlich wirrer Artikel.

    Mal geht es allgemein um Opfer, mal um Opfer von Blindgängern, mal um Zivilisten.



    Eine Unterscheidung zwischen Einsatz gegen legitime Ziele und Einsatz gegen geschützte Ziele findet nicht statt, obwohl Letzteres schon unabhängig von Oslo geächtet ist und zwar für alle Waffen.



    Und der Einsatz von Relationen ohne Grundgesamtheit ist auch eher fragwürdig.

    Mir scheint hier soll der Eindruck erweckt werden, dass 93% der Submunition Blindgänger wären und später von Zivilisten gefunden werden.



    Dieser Wert wäre aber derart absurd, dass die nicht als Streubomben sondern als Landminen vermarktet würden.



    Realistischer sind da 2% bis 5%. Mit niedrigeren Werten für US-Munition und höheren für Russland.

    Und wenn man Streubomben auf dem Schlachtfeld einsetzt, dann landen deren Blindgänger da, wo sowieso schon anderweitige Blindgänger und scharfe Munition liegt. Wo also ohnehin keine Kinder spielen sollten bevor der Kampfmittelräumdienst da nicht das Erdreich bis auf 2m Tiefe durchgesiebt hat.

  • > www.streubomben.de

    Ausgangspunkt für das Verbot war der massive Streubombeneinsatz Israels im Südlibanon 2006. Ausnahmen vom Streubombenverbot gelten für Fälle der Kooperation mit Nicht-Unterzeichnerstaaten. Nicht unterzeichnet haben ua Russland, Ukraine, Israel, USA ... Litauen ist im Juli 2024 ausgetreten...

  • Einfach nur unglaublich wahnsinnige und moralisch verwerfliche Rückentwicklung der so genannten westlichen Werte, trotz des Wissens über all das oben im Artikel Beschriebene, immer noch gründe anzubringen, um diese Munition an Kriegsparteien zu liefern. Aber ich sehe generell einen rapiden Wert Verfall in der EU. Nichts an Werten oder Menschenrechten oder Abkommen scheint zu gelten und kann jederzeit selektiv außer Kraft gesetzt werden, was alle Werte und jegliche Moral defacto nicht existent macht. Und erst recht nicht eine Glaubwürdigkeit in der Wahrnehmung im Rest der Welt.



    Warum nochmal musste die Ukraine unbedingt diese Streumunition bekommen, was an ihr war so unverzichtbar? Wenn 93 % der Opfer zivile Bevölkerung waren und man die in Kauf nahm, muss die Tötung der 7 % für die sie eingesetzt wurden, sehr wichtig und wertvoll gewesen sein für die Ukraine. Ich hoffe nur sehr, diese Rechnung hat sich gelohnt, ganz besonders in Anbetracht der Langzeitfolgen für die Zivilbevölkerung.



    Man kann zwar gerne den eigenen Wertebruch jedesmal mit dem Verhalten der Gegenseite als notwendig rechtfertigen, aber dann ist man halt nichts Besseres mehr, sondern genauso moralisch verloren.

  • Deutschland hat die Oslo-Konvention ratifiziert und duldet trotzdem die Lagerung und den Transport in Deutschland, zB auf dem US-Stützpunkt Miesau. In einem Gastkommentar an dieser Stelle wurde die Lieferung von Streumunition an die Ukraine als notwendig bezeichnet. Ein Aechtung sieht fuer mich anders aus.

    • @elektrozwerg:

      Steht ja auch so im Bericht von Handicap International, was man leider hier im Artikel mit keinem Wort erwähnt. Dort heißt es : "Die ARD berichtete im Juli, dass auf einem US-Militärstützpunkt in Deutschland gelagerte US-Streumunition für den Einsatz im Krieg gegen Russland in die Ukraine verbracht und dabei durch Deutschland transportiert wurde. Dies kann als Unterstützung von durch die Konvention verbotenen Handlungen gewertet werden. Zumindest aber hält die deutsche Regierung den Partner USA offensichtlich nicht von solchen Handlungen ab, was die Konvention eigentlich von einem Vertragsstaat erwartet."

      • @Momo Bar:

        Wie soll denn die deutsche Regierung die US-amerikanische Regierung (die den Vertrag, um den es hier geht, nicht unterzeichnet hat) davon abhalten, ihre Waffen an die Ukraine (die den Vertrag ebenfalls nicht unterzeichnet hat) zu liefern?

        Wenn Sie sich verpflichtet haben, etwas nicht zu tun, müssen Sie dann alle Ihre Bekannten, die sich nicht verpflichtet haben, davon abhalten, das zu tun, was Sie nicht tun sollen? Also in dem Sinne, dass hier Erfolg, also das Unterlassen der jeweiligen Handlung geschuldet wird?