Kinderbetreuung in Hamburg: Das Kita-System schrumpft wieder
Die „Kitastrophe“ ist abgewendet, aber auskömmlich finanziert sind Hamburgs Kitas noch längst nicht. Erste schließen, weil es weniger Kinder gibt.
Der Einigung war eine monatelange Hängepartie vorangegangen. Weil – inflationsbedingt – der jüngste Tarifabschluss recht hoch war, sah sich zum Beispiel die stadteigene Kita-Vereinigung Elbkinder im Februar gezwungen, rund 80 Stellen unbesetzt zu lassen. Das erschwerte die ohnehin schwierige Lage, die Fachkräfte auf die Straße treibt. Hamburgs Kitas haben den höchsten Krankenstand in Westdeutschland.
Nun ist die Sperre bei den Elbkindern aufgehoben. Das Kita-Entgelt für Fachpersonal sei so deutlich gestiegen, „dass es keine weitere Pause bei der Besetzung von Stellen geben muss“, sagt Sprecherin Katrin Geyer. Damit das Drama sich nicht wiederholt, planen Stadt und Kita-Verbände in ihrer Vertragskommission zudem ein neues Verfahren. Möglichst ab 2025 sollen schon zu Jahresbeginn die Steigerungsraten feststehen.
Die Reaktionen auf den Deal sind dennoch gemischt. Es gebe „Licht und Schatten“, teilte der Paritätische Wohlfahrtsverband mit. „Das Ergebnis bedeutet noch nicht, dass alle Kitas ihre Fachkräfte künftig nach Tarif bezahlen können“, ergänzt Kai Fieguth vom alternativen Wohlfahrtverband Soal.
Kleine Kitas haben es schwer
Das liegt am System. Andernorts werden Kitas direkt über Pflegesätze vom Staat finanziert. Dann zahlt der die erhöhten Tarife. In Hamburgs Gutscheinsystem fließt das Geld nicht für Plätze, sondern nur für die tatsächlich existierenden Kita-Kinder, wobei es fürs Personal Pauschalen gibt. „Kleine Kitas mit langjährigen Fachkräften haben es schwer, hier nach Tarif zu bezahlen, weil die Pauschale es nicht hergibt“, sagt Fieguth. Größere Träger hätten es da einfacher.
Der Vorteil des Gutscheinsystems war, dass es wachsen kann und die Kitas leichter da entstehen, wo sie nötig sind. Ihre Zahl stieg in 20 Jahren von rund 800 auf rund 1.200 an. Doch die Kehrseite ist, dass das System keine leeren Plätze finanziert. Und inzwischen sind die Kinderzahlen leicht rückläufig. Die Sozialbehörde rechnet laut Sprecher Wolfgang Arnhold zwar von 2024 bis 2028 mit einem Bedarf von rund 3.800 zusätzlichen Krippenplätzen für unter Dreijährige. Doch bei den Drei- bis Sechsjährigen geht sie von einem Rückgang um über 5.000 Kinder aus.
Bei den Elbkindern, mit 178 Kitas Hamburgs größter Anbieter, stehen denn auch Schließungen und Fusionen an – wegen „baulicher Gründe und sinkender Nachfrage“, so Geyer. Zum 31. Oktober soll die Kita in der Eimsbüttler Monetastraße zumachen. Den Eltern wird angeboten, die Kinder in benachbarte Kitas zu geben.
Bereits zum August wurde die Kita Grunewaldstraße in Rahlstedt mit einer Nachbar-Kita zusammengelegt. 2025 soll auch die Kita Elisenstraße im Stadtteil Hohenfelde mit einer benachbarten Kita fusionieren. Den Beschäftigen biete man Alternativen.
Nun gibt es eine Arbeitsgruppe
Die Elbkinder-Betriebsratsvorsitzende Marina Jachenholz sieht den städtischen Träger seit Jahren unterfinanziert. „Es freut uns zu hören, dass die Stellenbesetzungssperre ein Ende hat“, sagt sie. Doch nötig sei angesichts des hohen Krankenstands und hoher Ausfallzeiten eigentlich ein Personalaufbau.
„Das läuft auf eine Verkleinerung der Elbkinder-Kitas hinaus. Ich frage mich, warum die freien Plätze nicht benutzt werden, um den Personalschlüssel zu verbessern“, sagt Sabine Lafrentz von der GEW-Fachgruppe Kitas. Zudem sei es sinnvoll, die Plätze vorzuhalten, falls die Flüchtlingszahlen steigen.
Auch Fieguth, dessen Wohlfahrtsverband Soal viele kleinere Kitas vertritt, sagt: „Es droht eine Art Marktbereinigung.“ Größere Kita-Firmen ließen sich teils in bereits ausgelasteten Gebieten nieder. Dadurch könnten kleine Einrichtungen kaputtgehen. „Das ist ein Problem, weil für Eltern die gesetzlich verbriefte die Angebotsvielfalt verloren geht.“
Enttäuscht ist Lafrentz auch, weil es bislang keine Absicht gibt, den Personalschlüssel durch Berücksichtigung von Krankheit und Urlaub zu verbessern. Positiv sei einzig, dass die Vertragskommission in Zukunft über einen Ausgleich von Anleitungsstunden für den Erzieherinnen-Nachwuchs verhandeln soll, und danach sogar über zusätzliche Stunden für die pädagogische Vor- und Nachbereitung.
Die Sozialbehörde erklärt, es gebe dazu eine Arbeitsgruppe. Doch die Finanzierung solch „mittelbarer Pädagogik“ sei sehr kostenintensiv, deshalb sei dies nur schrittweise und mit Blick auf Bundesmittel möglich.
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