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Selenskyjs „Siegesplan“Keine Sicherheit ohne Stärke

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Diplomatie ohne Militärgewalt funktioniert so wenig wie Militärgewalt ohne Diplomatie. Die Ukraine muss gestärkt werden, damit Russland verhandelt.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj besucht eine Munitionsfabrik in Scranton, Pennsylvania Foto: Office of the Ukrainian Presidency/via ap/dpa

A us den Schlagzeilen sind die täglichen russischen Angriffe auf Zivilisten in der Ukraine längst verschwunden. Die Appelle Präsident Wolodymyr Selenskyjs, diese Angriffe durch das Ausschalten der dafür genutzten russischen Militäreinrichtungen an der Quelle zu stoppen, stoßen bei seinen westlichen Partnern auf taube Ohren. Dieselben Regierungen, die kein Problem damit haben, wenn Israel bei Luftangriffen im Libanon 500 Menschen an einem Tag tötet, fürchten einen Dritten Weltkrieg bei der Zerstörung auch nur einer einzigen Raketenabschussrampe in Russland durch die Ukraine mit westlichem Militärgerät.

Vor diesem Hintergrund fällt es leicht, den „Siegesplan“ kleinzureden, mit dem Wolodymyr Selenskyj jetzt in New York und Washington ein baldiges Kriegsende in Aussicht stellt. Anders als oft dargestellt geht es dabei nicht um die Erwartung eines wundersamen Sieges auf dem Schlachtfeld. Es geht darum, die Ukraine so weit zu stärken, dass Russland mit der Aussicht auf eine sichere militärische Niederlage an den Verhandlungstisch gezwungen wird.

Selenskyj weiß, was in Deutschland viele nicht begreifen: Diplomatisches Geschick und militärische Stärke gehen Hand in Hand. Diplomatie und Waffengewalt wollen dasselbe, mit unterschiedlichen Mitteln. „Talk and fight“ heißt das: Man muss beides tun, abgewogen und dosiert, eines allein bringt nichts. Auch die westdeutsche Entspannungspolitik gegenüber der Sowjetunion im Kalten Krieg setzte nicht auf Abrüstung, sondern auf Abschreckung, realpolitisch begründet als notwendiges Übel.

Abschreckung im heutigen Kontext würde bedeuten, der Ukraine alles zur Verfügung zu stellen in der Hoffnung, dass es genau deswegen nicht eingesetzt werden muss. Statt der Ukraine Bedingungen für die Lieferung und den Einsatz weitreichender Waffen zu stellen, sollten westliche Länder also lieber Russland Bedingungen stellen: Wenn die Angriffe auf Zivilisten und kritische Infrastruktur in der Ukraine nicht enden, werden die dafür genutzten russischen Militäreinrichtungen zerstört. Das wäre eine Sicherheitsgarantie für die Ukraine, die den Namen verdient.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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11 Kommentare

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  • Bei solchen Kommentaren verschlägt es mir annähernd die Sprache, wirklich.

    "[...]werden die dafür genutzten russischen Militäreinrichtungen zerstört. "

    Herr Johnson, ist Ihnen klar, dass Sie damit den Eintritt der NATO in diesen Krieg fordern? Fänden Sie das richtig?



    Ich lese unter Ihrem Namen: "Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts . " Sie sind Co-Leiter des Auslandsressorts und fordern in einem Nebensatz den Eintritt der NATO in einen Krieg mit einer Atommacht?



    Ja, wie gesagt - da fällt mir dann einfach nichts mehr ein. Ich wüsste gar nicht wo ich anfangen sollte. Gedankenverloren und leichtfertig. Im besten Falle.

  • Danke für diese klaren Worte.



    Aber scheinbar sind die Zeiten vorbei, in denen Menschen Fakten einfach mal zur Kenntnis nehmen und entsprechend handeln.



    Fakt A: Die russische Armee galt als eine der stärksten weltweit und viele Länder bezogen günstige Rohstoffe daher.



    Daher lässt sich folgendes Schlussfolgern: Kein Staat und auch kein Staaten- oder Militärbündnis plante einen Angriff auf Russland.



    Sollte ich mich irren, bitte den Staat und dessen Motiv benennen.



    Fakt B: Putins Einschätzung der Fähigkeiten der ukrainischen Armee, der politischen Führung, des Widerstandswillens der Ukrainer*innen sowie die Einigkeit der westlichen Welt waren falsch und er hat die Fähigkeiten seiner Armee überschätzt.



    Fakt C: Putin hat mit seinem Überfall auf die Ukraine das Völkerrecht gebrochen und infrage gestellt. Das Vorgehen der russischen Armee ist extrem brutal und verletzt jedes Menschen- und Kriegsrecht.



    Fakt D: Da es Putin nicht nur um die Übernahme des Gebietes der Ukraine, sondern faktisch um die Beseitigung der ukrainischen Identität geht, würde ein Sieg Putins das Sterben nicht beenden, sondern verlagern.



    Fakt E: Verhandlungsbereitschaft Putins nur zu seinen Bedingungen sind Monologe.

    • @2Cents more :

      Das stimmt von A bis F.

  • Richtig!

  • Der Krieg in der Ukraine geht jetzt über zweieinhalb Jahre wenn wir der Einfachheit halber die Vorgeschichte einmal ausblenden. Mit dem Scheitern der ukrainischen Gegenoffensive im letzten Jahr sollte eigentlich dem Letzten klar geworden sein, dass die Ukraine diesen Krieg verlieren wird.

    Ich verstehe die Intention des Autors nicht, darauf zu setzen, dass noch mehr Nato-Unterstützung nun endlich die Wende bringen wird. In Anbetracht der horrenden ukrainischen Verluste, dem langsamen Zusammenbrechen unterschiedlicher Frontabschnitte und dem nahenden Winter ist es meines Erachtens für alle Unterstützer der Ukraine unabdingbar endlich den Realitäten ins Auge zu sehen.

    Jedenfalls dem Teil der Unterstützer dem etwas am Schicksal der Menschen in der Ukraine liegt.

    So hart das für diejenigen auch klingen mag die es sich zur Lebensaufgabe gmacht haben, Russland in die Knie zu zwingen: Die Nato hat dafür nicht die Mittel.

    Entsprechend ist es meiner Ansicht nach nun wirklich an der Zeit in der Ukraine die rechtlichen Grundlagen für Verhandlungen mit Russland zu schaffen - bislang sind sie ja gesetzlich verboten - und auf eine Politik der Schadensbegrenzung umzuschwenken.

    • @Hans im Glück:

      Zum ersten Absatz.



      Könnten Sie mir bitte erläutern, welche Vorgeschichte rechtfertigt, entgegen bestehenden Verträgen und internationalem Völker- und Kriegsrecht einen brutalen Angriffskrieg inkl. Zerstörung ziviler Infrastruktur vom Zaun zu brechen? Sie haben vergessen, den Einmarsch der ukrainischen Armee in der Region Kursk, russisches Nationalgebiet, und mangelnde Abwehrmöglichkeit der russischen Armee dagegen zu erwähnen.



      Zu Absatz zwei.



      Realität ist auch, das der ausbleibende Erfolg der Gegenoffensive sowie Rückschläge bei der Verteidigung sich aus mangelnder Munition, obwohl zugesagt, Trumpscher Blockadepolitik und unsinniger Diskussionen über Lieferung von Waffen erklärt. Zeitenwende ausrufen ist einfach, sie mit den nötigen Inhalten und entsprechendem Handeln zu unterfüttern, fällt unserem Kanzler sichtbar schwer.



      Zu Absatz drei.



      Anderen Menschen, die nicht ihrer Meinung sind, zu unterstellen nicht das wohlergehen der Ukrainer*innen im Blick zu haben ist übergriffig und unverschämt.



      Zu Absatz vier.



      Es reicht wenn Russland Kampfhandlungen beendet und sich ins eigene Land zurückzieht.



      Zu Absatz fünf.



      Eitle Herrenmenschendenke. Nur die Ukrainer*innen entscheiden das, Punkt.

    • @Hans im Glück:

      "Mit dem Scheitern der ukrainischen Gegenoffensive im letzten Jahr sollte eigentlich dem Letzten klar geworden sein, dass die Ukraine diesen Krieg verlieren wird."



      Mit dem Scheitern des Kriegsziels, innerhalb von ein bis zwei Wochen Kiew einzunehmen und die ukrainische Regierung abzusetzen, ist klar geworden, dass Russland den Krieg verloren hat.



      Und nu?



      "So hart das für diejenigen auch klingen mag die es sich zur Lebensaufgabe gmacht haben, Russland in die Knie zu zwingen: Die Nato hat dafür nicht die Mittel."



      Das sieht Putin offenbar anders. Er hat soviel Angst vor einer 'richtigen' NATO-Beteiligung, dass er sogar Russlands Atom-Doktrin ändern lässt.



      "Entsprechend ist es meiner Ansicht nach nun wirklich an der Zeit (...) auf eine Politik der Schadensbegrenzung umzuschwenken."



      Bevor Russland noch ernsthaft Schaden nimmt, oder wie?

  • "Selenskyj weiß, was in Deutschland viele nicht begreifen: Diplomatisches Geschick und militärische Stärke gehen Hand in Hand." Das begreifen in Deutschland allein der Kanzler, Teile der SPD, geringe Teile der Grünen und Sarah Wagenknecht und ihre Freunde nicht.

  • Ich bin sowohl erstaunt und begeistert wenn ich sehe, wie genau doch manchen Journalisten, in diesem Fall Herr Johnson, die Zukunft kennen. Denn offensichtlich ist ja klar, dass Putin nach der ersten Bombardierung eines militärischen Stützpunktes im russischen Hinterland sofort an den Verhandlungstisch kommt un Zugeständnisse macht. Anders kann es ja nicht sein.

    • @Jens Barth:

      Wo hat Herr Johnson das behauptet?



      "Anders als oft dargestellt geht es dabei nicht um die Erwartung eines wundersamen Sieges auf dem Schlachtfeld. Es geht darum, die Ukraine so weit zu stärken, dass Russland mit der Aussicht auf eine sichere militärische Niederlage an den Verhandlungstisch gezwungen wird."



      Lesen und das gelesene verstehen hilft.

    • @Jens Barth:

      "...dass Putin nach der ersten Bombardierung eines militärischen Stützpunktes im russischen Hinterland sofort an den Verhandlungstisch kommt und Zugeständnisse macht."



      Ohne macht er's jedenfalls nicht. Soviel wissen wir ja.



      Und Ihre Lösung ist...?