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UN-Generalversammlung in New YorkReformversuche eines Apparats

Die Vereinten Nationen beschließen einen Zukunftspakt – trotz Störfeuern aus Russland.

UN-Generalsekretär Antonio Guterres fordert eine umfassende Reform der globalen Finanzarchitektur Foto: Manuel Elias/imago

Berlin taz | Weniger Blockaden, ein ausgewogeneres Machtgefälle, mehr zielgerichtete Entscheidungen: Seit mehr als zwei Jahrzehnten steht das Projekt Reform des Weltsicherheitsrates im Raum. Das Gremium soll den „Realitäten der gegenwärtigen Welt“ angepasst werden, wie es der deutsche Kanzler Olaf Scholz nannte. In Zeiten, in denen die Weltordnung durch einen zermürbenden Abnutzungskrieg zwischen der Ukraine und Russland und den tobenden Krieg im Nahen Osten durcheinander gewirbelt wird, ein gewagtes Unterfangen für die Vereinten Nationen.

Im Rahmen der Verhandlungen in New York für einen „Pakt für die Zukunft“ bekam der Reformversuch nun wenigstens ein bisschen Auftrieb. So ist zumindest anvisiert, dass die Länder des Globalen Südens künftig besser vertreten sind – insbesondere afrikanische Staaten. Konkret sollen sie zwei ständige Sitze bekommen, außerdem sollen Kleinstaaten einen Platz erhalten. UN-Generalsekretär António Guterres unterstützt das Vorhaben.

Logisch wäre es, diese Reform in die Tat umzusetzen, denn in einem erheblichen Teil der Sitzungen des Weltsicherheitsrates geht es schließlich um Staaten des afrikanischen Kontinents. Aber auch andere Staaten hätten gerne einen ständigen Sitz in diesem Gremium – darunter Deutschland, Japan, Brasilien und Indien. Allerdings gibt es auch das Gegenargument: Keine weiteren ständigen Mitglieder, sondern mehr nicht-ständige Mitglieder, die in einem bestimmten Turnus wechseln.

Für eine echte Reform würde eine Zwei-Drittel-Mehrheit der UN-Staaten benötigt. Aber: Auch alle fünf Veto-Mächte des Sicherheitsrates müssten zustimmen. Dass Frankreich, Russland, die USA, China und Großbritannien sich darauf einig werden – und den entsprechenden Machtverlust zulassen – ist mehr als fraglich, wenn nicht ausgeschlossen.

56 Maßnahmen – aber keine Zielmarken für die Umsetzung

„Der Pakt für die Zukunft“ soll aber dennoch der große Wurf sein – wenn man Guterres Glauben schenken will. Es geht um die Stärkung internationaler Kooperationen, um die Umsetzung der Agenda 2030, um nachhaltige Entwicklung. Guterres hatte den Prozess 2021 angestoßen, um den „Multilateralismus fit für die Zukunft“ zu machen. Federführend übernahmen Namibia und Deutschland die Verhandlungen. Der erste Entwurf lag im Januar vor. Der Pakt umfasst nun insgesamt 56 allgemeine Maßnahmen, konkrete Zielmarken für die Umsetzung gibt es nicht.

Wie erwartet war der Weg zum Zukunftspakt spannungsgeladen. Die USA blockierten bei Aspekten zur Reform der internationalen Finanzarchitektur, etwa der Schaffung einer UN-Steuerkonvention, Russland wollte den gesamten Pakt zum Kippen bringen. Der stellvertretende russische Außenminister Sergej Werschinin forderte in letzter Minute einen Änderungsantrag, der den Grundsatz der Nichteinmischung betont. Der Pakt sei nicht im Sinne der Entwicklungsländer, sagte Werschinin.

Entwicklungsländer sahen das mehrheitlich anders. Kongo als Vertretung der Afrikanischen Gruppe sprach sich im Anschluss klar gegen die Änderung aus. Am Ende stimmten 143 Nationen für den Zukunftspakt. Neben Russland votierten 6 weitere Länder dagegen, darunter Belarus, Nicaragua, Nordkorea und Syrien.

Für hohe Erwartungen sorgt die Forderung nach Reformen in internationalen Finanz­institutionen. Auch hier soll die Repräsentation von Ländern des Globalen Südens verbessert werden, etwa im Internationalen Währungsfonds (IWF) und in der Weltbank. „Aus vielen Entwicklungsländern fließt mehr Kapital ab als hinein“, heißt es im Text. Es müsse mehr Kapital für nachhaltige Entwicklung zu günstigen Konditionen geben.

Dabei müssten auch Kreditagenturen in die Pflicht genommen werden. Es soll an einem gerechteren Steuersystem gearbeitet werden, von dem Entwicklungsländer profitieren. Außerdem sollen Verfahren für hochverschuldete Staaten verbessert werden.

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1 Kommentar

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  • Die große und wirklich nachhaltige Veränderung, die Abschaffung des Veto oder zumindest eine Reform, wie es von etlichen Staaten gefordert wird, wäre die einzige Möglichkeit tatsächlich die UN zu demokratisieren und auch den Schwerpunkt auf die Einhaltung von internationalen Gesetzen zu legen statt auf politische Interessen der 5 permanenten Mitglieder. Eine simple Erhöhung der Mitgliederzahl wird nichts bringen, auch wenn ich definitiv zustimme, dass der globale Süden mit am Tisch sitzen sollte. Deutschland sollte sich zurück halten, die 5 permanenten Mitgliedern stammen alle aus dem globalen Norden und vier davon sind Staaten mit überwiegend weißer Bevölkerung. Afrika, Südamerika und der Rest Asiens ist nicht vertreten, bilden aber den Großteil der Weltbevölkerung.



    Wenn schon nicht Abschaffung dann Reform des Vetorechts: kein Veto bei Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord; mindestens 2 Vetos von permanenten Mitgliedern und noch Stimmen von nicht-permanenten nötig um Antrag abzulehnen, kein Veto wenn man selbst der Angeklagte ist.



    Tatsächlich wäre ein völlig unabhängiges Gremium, dass nach Gesetzeslage entscheidet nicht nach pol. Interesse, besser.