Bremen wärmt Massenverpflegung auf

Schulbehörde schert aus dem Aktionsplan 2025 für gesunde und nachhaltige Ernährung aus: Bei neuen Ausschreibungen für Schulcaterer spielt der Preis die entscheidende Rolle

Hier könnte das Essen künftig nicht mehr frisch auf den Tisch kommen: Bremer Schulküche Foto: Sina Schuldt/dpa

Von Lotta Drügemöller

Gesunde Ernährung in allen Schulmensen und Kitas, und zwar zu hundert Prozent in Bioqualität – das wollte Bremen mit seinem Aktionsplan 2025 bis Ende nächsten Jahres erreichen. Nun scheint die Bildungsbehörde sich zumindest in Teilen von dem Ziel zu ­verabschieden.

Dass Bremen seine Ziele nicht ganz erfüllen wird, ist schon seit einiger Zeit klar. Der Zwischenbericht zum Aktionsplan von Juli dieses Jahres zeigt gerade im Bildungsbereich viele rote und dunkelgelbe Ampeln an: Aufgaben, die bisher nicht angegangen wurden. Es gibt kein Personal, es mangelt an Infrastruktur, kontrolliert wird die Einhaltung der Bioverpflegung auch nicht. Aber immerhin: 40 Prozent Bioanteil könne man durchschnittlich an Schulen anbieten, heißt es, bei Kitas seien es 35 Prozent.

Alle Caterer, die seit 2021 neu verpflichtet worden seien, habe man vertraglich auf die Bioziele festgelegt, schreibt das Ressort. Doch nun gibt es Anzeichen, dass das keine notwendige Bedingung mehr für eine Vertragsvergabe ist: Die Kosten bekommen das höchste Gewicht.

Der Weser-Kurier hatte bereits vor einer Woche berichtet, dass das Bildungsressort aus finanziellen Gründen plant, bei Schulneubauten keine Frischeküchen mehr einzurichten. Mehr noch: Auch bei der Neuvergabe von Verpflegungsaufträgen wolle die Stadt auf zentral angefertigtes Essen setzen – die vorhandenen Frischeküchen in den Schulen würden damit zu reinen Aufwärmküchen degradiert.

Nach außen hin bestätigt die Behörde das bisher nicht, dementiert wird aber auch nicht. Eigentlich hatte die Bremer Politik mehrere Weichen auf dezentrale Angebote gestellt. Das neue „Forum Küche“ in der Volkshochschule sollte mit seiner Lehrküche als Multiplikator dienen und möglichst viel Küchenpersonal aus Kitas und Schulen dabei helfen, selbst günstiges gesundes Mittagessen anbieten zu können.

„Ein Essen, das frisch zubereitet wird, hat einfach eine andere Qualität als eines, das lange warm gehalten wurde“, erklärt Lieselotte Albers vom Forum Küche. Außerdem böten die Frischeküchen in den Schulen auch die Chance, die Themen nachhaltige und gesunde Ernährung pädagogisch zu begleiten.

Doch trotz der Vorzüge: Auch eine zentral zubereitete Verpflegung könnte prinzipiell die Bedingungen des Aktionsplans erfüllen – sofern mit regionalen Biolebensmitteln gekocht würde. Die Grünen fragten den Senat Anfang September, nach welchen Kriterien neuerdings der Zuschlag für Caterer vergeben würde.

Der Hintergrund: Einzelne Caterer erzählen, dass sich die Ausschreibungskriterien verändert hätten und nun zu 75 Prozent der Preis entscheide. Eine Antwort auf die Anfrage gibt es noch nicht. Die Schulbehörde, die dieses Jahr mit einer frühen Haushaltssperre und hohem Spardruck Schlagzeilen gemacht hat, erklärt aber, der Preis sei „von erheblicher Bedeutung“.

Bithja Menzel von den Grünen befürchtet, dass andere Ziele damit hintangestellt würden. „Wir haben uns politisch auf das Ziel 100 Prozent Bio festgelegt“, sagt die Bürgerschaftsabgeordnete. „Verträge müssen dann auch gemäß dieser Ziele ausgeschrieben werden.“

Die genaue Prozentzahl will die Behörde bisher nicht bestätigen. Schließlich sei die Ausschreibung nicht öffentlich. Das stimmt im doppelten Sinne: Bis 2023 waren immer alle Caterer der Stadt angeschrieben worden, wenn ein neuer Verpfleger für Mensen gesucht wurde. Seit diesem Jahr geht die Ausschreibung für jede Schule nur noch an drei Betriebe. „Wir sind gar nicht mehr dabei“, erzählt Manja Riebe von der Frischen Pause. Der Verein hatte sich vor etwa 15 Jahren gegründet, als mehrere Bremer Schulmensen nicht von großen Caterern übernommen werden wollten.

Seitdem gelingt dem Verein das Kunststück, Bio-Essen an sechs Bremer Schulen frisch zuzubereiten, zu einem Preis, der nicht höher ist als bei konventionellem Catering. Das geht, weil der gemeinnützige Verein von der Umsatzsteuer befreit ist. Aber auch, weil es langjährige Erfahrung mit nachhaltiger Ernährung gibt: „Wir mussten nicht erst umstellen auf Bio.“

Von dem Ziel, die Umstellung auf Bio fast kostenneutral zu gewährleisten, hat sich der Beirat, der die Umsetzung des Aktionsplans begleiten sollte, bereits verabschiedet – zu schwer scheint es für Unternehmen, die nicht die Vorzüge eines Vereins genießen.

Warum aber der Anbieter, dem das kostenneutrale Bioessen trotzdem gelingt, nicht mehr dabei ist, sorgt für Fragen. „Es ärgert mich, dass diese vorbildlichen Caterer nicht mal angeschrieben wurden“, sagt die Abgeordnete Menzel. Riebe reagiert derweil mit Sarkasmus. „Man kennt uns wohl nicht mehr in der Behörde“, sagt die Vereinsvorständin. Mehrfach habe sie angefragt, woran es gelegen habe, was man tun könne, um bei der nächsten Ausschreibung wieder dabei zu sein. „Aber es gab einfach keine Antwort“, sagt sie.