Versuchtes Attentat auf Trump: Sprache der Rechten bedroht alle

Nach dem ersten Attentat auf ihn sprach Ex-Präsident Trump davon, die spalterische Rhetorik müsse aufhören. Erinnert sich noch jemand daran? Eben.

Ein Mann zeigt seinen tätowierten Unterarm auf dem Proud Boys steht, im Hintergrund die US Flagge

Ein Unterstützer des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump mit einem „Proud Boys“-Tattoo: Immer direkt und bedrohlich unterwegs Foto: Michael Nigro/imago

Gewalt hat keinen Platz in Amerika.“ Das hat die demokratische US-Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris nach dem mutmaßlichen erneuten Attentatsversuch auf ihren Konkurrenten Donald Trump wirklich gesagt. Es ist schon klar, was sie meint: Gewalt darf keinen Platz haben. Deshalb ist es auch gesetzlich verboten, auf Präsidentschaftskandidaten zu schießen. Aber die affirmative Aussage, Gewalt habe keinen Platz, ist einfach nicht wahr, und das nicht nur in den Sphären gewöhnlicher Kriminalität und patriarchalischer Machtausübung.

Im Gegenteil: Die politische Auseinandersetzung erscheint heute in demokratischen Staaten, nicht nur in den USA, so sehr von Gewalt oder deren Androhung geprägt wie seit Jahrzehnten nicht.

Was den mutmaßlichen Attentäter, der in Florida offenbar vorhatte, auf den Golf spielenden Donald Trump zu schießen, tatsächlich dazu bewogen hat, ist zunächst nicht bekannt. Sein öffentliches Profil und die Erinnerungen etlicher US-Journalist*innen, die in den vergangenen Jahren gleich mehrfach auf ihn getroffen sind, legen nahe, dass es ihm um die Ukraine ging. Vielleicht hat ihn wirklich die Sorge umgetrieben, unter einer zweiten Trump-Präsidentschaft würden die USA die Ukraine einfach fallenlassen. Es braucht eine unfassbare Selbstüberhöhung, wie wir sie auch von islamistischen Attentätern oder anderen Terroristen kennen, um daraus die Eigenermächtigung zu ziehen, jemanden erschießen zu dürfen, ja sich selbst von dem Auftrag zu überzeugen, das tun zu müssen.

Aber zumindest die Sorge um die Zukunft der Ukraine nach einer Wiederwahl Trumps ist real und wird von der Ukraine selbst und ihren Verbündeten in Europa geteilt.

„Proud Boys“ marschieren auf

Ohne jede Grundlage in der Realität ist hingegen, was Trump am Dienstag vergangener Woche in der TV-Debatte mit Kamala Harris über Haustiere verzehrende haitianische Mi­gran­t*in­nen in Springfield, Ohio, von sich gab. Außerhalb von Springfield lachte die Welt über Trump, der sich mit diesem offensichtlichen Unsinn zum Löffel machte. Tagelang beherrschte das Zitat Memes, Songs wurden geschrieben, die Hosts aller Late Night Shows hatten ihr Thema.

In der Stadt selbst jedoch: Krankenhäuser, Schulen und andere öffentliche Gebäude mussten wegen Bombendrohungen schließen, die rechtsmilitanten „Proud Boys“ marschierten in der Stadt auf.

Die haitianische Community, legal und in Springfields Arbeitsmarkt integriert, geriet unter erheblichen Druck. Immerhin: Die Stadt hielt zusammen, Weiße besuchten aus Solidarität gezielt haitianische Restaurants, die Stadtverwaltung und selbst Ohios republikanischer Gouverneur wiesen zurück, was Trump und sein Vizekandidat J. D. Vance da national verbreitet hatten. Bloß: Die Angst bleibt.

Spätestens seit dem Sturm aufs Kapitol am 6. Januar 2021 ist vollkommen klar, welche Gewalt Trump mobilisieren kann. Auch er selbst weiß das, auch wenn er sich immer wieder dumm stellt, um nicht verurteilt zu werden.

Und genau das dürfte der Unterschied zur heutigen Art von politischer Gewalt in demokratischen Staaten zu früher sein. Militante Organisationen, von rechts bis links, gab es auch zuvor. Rechten Terror wie der des US-rechtsextremen Timothy McVeigh, der 1995 das Bundesgebäude von Oklahoma in die Luft sprengte, linken Terror wie den der Rote Armee Fraktion in der Bundesrepublik der 1970er Jahre. Aber die einen wie die anderen bewegten sich gedanklich wie praktisch in den Extremen, an den Rändern, und die waren klein. Niemand in Regierungsverantwortung nahm sie in Schutz. Auf der Linken ist das so geblieben.

Spalterische Rhetorik

Rechts aber scheinen die Zeiten des Lynchmobs zurück zu sein. Nicht immer mit Strick oder Mistgabel in der Hand, aber immer direkt und bedrohlich gegen Einzelpersonen und feindlich markierte Orte, längst nicht mehr nur im Netz. Sie sind auf Knopfdruck mobilisierbar durch Leute, die gute Chancen haben, in Regierungsfunktionen zu kommen.

Noch vor nicht allzu langer Zeit wäre die Nähe zum gewaltbereiten organisierten Mob ein Stoppschild gewesen, eine Disqualifikation fürs politische Amt. Die Trumps und Höckes der heutigen Welt hingegen spielen offen mit diesem „Vorfeld“ und nötigen der um gesellschaftlichen Zusammenhalt besorgten Mitte ihre Themen und Lösungen auf.

Dass es in diesem US-Wahlzyklus nun schon zweimal den Versuch gegeben hat, Donald Trump umzubringen, ist vollkommen unakzeptabel. Erinnert sich noch jemand daran, wie Trump und die Re­pu­bli­ka­ne­r*in­nen nach dem ersten Mordversuch davon sprachen, die spalterische Rhetorik müsse zurückgefahren werden? Eben. Und die meisten derer, die bedroht sind, haben keinen Secret Service, der sie rund um die Uhr beschützt. Nicht zu Hause und schon gar nicht auf dem Golfplatz.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

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