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Zeit, anders zu handeln

Klimakrise und Klimagerechtigkeit waren bereits im vergangenen Jahr das Schwerpunktthema der Fairen Woche. 2024 rücken die Jungen in den Fokus: Sie müssen die Folgen ausbaden. Aber es gibt auch ermutigende Perspektiven

Von Cordula Rode

„Die Klimakrise mit Starkregen und ungewöhnlicher Hitze ist ein Desaster für die Kaffeeproduktion. Das hat auch meine Familie in Nicaragua schwer zu spüren bekommen“, berichtet Karla Mendez, Auszubildende zur Kauffrau für Groß- und Außenhandelsmanagement beim Fair-Handels-Unternehmen Gepa. „Junge Menschen in der ganzen Welt sagen, es kann nicht in unserem Sinne sein, auf Kosten der Natur zu wachsen.“ Hoffnung, dass sich etwas ändert, gibt ihr unter anderem der Faire Handel.

Ändern muss sich einiges. So sind etwa Ursachen und Folgen der Klimakrise global sehr ungerecht verteilt. Die Länder des Globalen Südens sind von den Folgen der Klimakrise weit stärker betroffen als jene des Globalen Nordens, obwohl letztere in weitaus größerem Maße Verantwortung für die Klimaschäden tragen und gleichzeitig die Folgen finanziell besser auffangen können als die ärmeren Länder. Zu diesem Nord-Süd-Gefälle kommt ein weiterer Missstand: zwischen den Generationen. Vor allem junge Menschen, die nur wenig zur Entstehung der Klimakrise beigetragen haben, müssen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten die Folgen ­tragen.

Aus diesen Gründen führt die Faire Woche 2024 den Schwerpunkt vom vergangenen Jahr fort. Erneut geht es um Klimakrise und Klimagerechtigkeit: „Fair. Und kein Grad mehr!“ Im Fokus werden nun die Auswirkungen für junge Menschen stehen. „Die junge Generation ist sich der Bedrohung durch die Klimakrise sehr bewusst“, erklärt Julia Lesmeister, Projektleiterin der Fairen Woche beim Forum Fairer Handel. „Wir sehen unsere Aufgabe darin, den jungen Menschen zu vermitteln, wie vielfältig der Fairen Handel wirkt und wie er zu mehr Klimagerechtigkeit beiträgt.“ Existenziell betroffen von den Auswirkungen der Klimakrise seien die jungen Menschen im Globalen Süden. Für sie stelle sich zunehmend die Frage, ob es sich überhaupt noch lohne, ihre Zukunft in der Landwirtschaft zu sehen.

Doch auch die Jugendlichen im Globalen Norden sind, wenn auch nicht ganz so unmittelbar wirtschaftlich, von der Situation betroffen. Sie werden die Folgen einer Krise zu tragen haben, die sie nicht selbst verschuldet haben. Studien zeigen, dass besonders die 16- bis 25-Jährigen starke Sorgen und Ängste entwickeln. In einem Interview erklärt die Psychologin Lea Dohm, dass es inzwischen den Begriff „Klimaangst“ gebe. Diese Angst sei kein psychotherapeutisch behandelbares Problem, sondern real. „Die beste Medizin ist wirksamer Klimaschutz“, so Dohm. Dies sei die geeignetste Bewältigung der Gefühle von Ohnmacht und Hilflosigkeit. Gemeinsam mit anderen Psy­cho­lo­g:in­nen hat Dohm die „Psychologists for Future“ gegründet, die auf ihrer Website über wirksame und machbare Handlungsmöglichkeiten informieren (daskannstdutun.de). „Unsere Möglichkeiten sind oft viel größer, als wir denken“, weiß die Psychologin. Aktiv werden und Mitdenken kann unsere Zufriedenheit und das Erleben von Eingebundensein begünstigen.“

Die größte Veranstaltungs- und Aktionsreihe des Fairen Handels in Deutschland lädt in diesem Jahr vom 13. bis zum 27. September zum Austausch ein. Interessierte können die Produkte des Fairen Handels kennenlernen, sich über Hintergründe informieren und beteiligte Menschen treffen. Den Auftakt bildet u. a. der Markt der Möglichkeiten in Berlin.

Unter anderem kommen anlässlich der Fairen Woche Handelspartner:innen aus verschiedenen Ländern zu Besuch. Sie berichten aus erster Hand von den Wirkungen des Fairen Handels und ermöglichen einen direkten Dialog zwischen Produzent:innen und Verbraucher:innen.

Die rund 2.000 Veranstaltungen im Rahmen der Fairen Woche finden an vielen unterschiedlichen Orten statt: bei Akteur:innen direkt aus dem Fairen Handel, wie etwa den Weltläden, aber auch in Supermärkten, Schulen, gastronomischen Betrieben, Kirchengemeinden und Organisationen, die Verbraucher:innen beraten.

Ein Onlinekalender listet alle Aktionen auf: vom Kinderfest über gemeinsame Kaffeetafeln, Modenschauen und Sportveranstaltungen bis hin zu Workshops und Theatervorführungen:

faire-woche.de/kalender

Auch das Forum Fairer Handel setzt auf konstruktive Lösungen, wie Lesmeister erläutert: „Wir wollen auf keinen Fall schwarzmalen, sondern informieren, Bewusstsein schaffen und vor allem Mut machen.“ Im Rahmen der Fairen Woche geschieht dies nicht an einen zentralen Ort gebunden, sondern bundesweit durch viele Aktionen unterschiedlichster Art. „Wir bieten nur den Schirm, unter dem all unsere Ak­teu­r:in­nen die Faire Woche mit Leben füllen“, erzählt Lesmeister. „Der Gemeinschaftsfaktor und das Engagement jedes Einzelnen sind die Besonderheit dieser Veranstaltung.“

„Wir können anhand von konkreten Erfolgsgeschichten zeigen, dass eine gerechtere Welt keine Utopie ist“, formuliert es Lesmeister. Sie setzt darauf, dass das diesjährige Thema besonders die jungen Menschen ins Boot holt und somit auch den Nachwuchs für die Organisationen des Fairen Handels sichert.

Den direkten Bogen von der Produktion in anderen Erdteilen bis zum hiesigen Konsum schlagen die geladenen Handelspartner:innen: Marisol Villar Batista und Rossy Then Tejada von einer Kakao-Kooperative aus der Dominikanischen Republik sowie Ernest Ndumuraro und Jonas Nzohabonayo von einer Kaffee-Kooperativen aus Burundi berichten von ihren Erfahrungen und bieten damit Informationen aus erster Hand.

Kakao Von der Ernte bis zum Versand in einer Hand

Am Anfang steht die Ernte der Kakaobohnen (Foto) und es geht weiter bis zum Versand der fertig verpackten Schokoladen. Eine Produktionsgemeinschaft in Ghana macht vor, wie man faire und ökologische Wertschöpfung realisiert. Die Reportage zur Fotoserie im taz thema fairer handel steht auf der folgenden Seite. Foto: Jörg Böthling