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Von der Hamas getötetAbschied von Hersh Goldberg-Polin

Vom Nova-Festival entführt, überlebte der junge US-Israeli selbst die Amputation seines Armes. Nun wurde er von der Hamas erschossen.

So soll er in Erinnerung bleiben: Hersh Goldberg-Polin in einem undatierten Bild Foto: Bring Them Home Now/rtr

Berlin taz | Das Nova-Festival in der israelischen Negev­wüste sollte das Ende von Hersh Goldberg-Polins neunwöchiger Festivalreise sein, die im Juni mit dem Fusion-Festival in Deutschland begann. Als palästinensische Terroristen in den frühen Morgenstunden des 7. Oktober die Party mit Panzerfäusten und Maschinengewehren überfielen, ermordeten sie 364 Menschen. 40 weitere verschleppten sie nach Gaza – auch Hersh. Es war vier Tage nach seinem 23. Geburtstag.

Nun, 331 Tage nach seiner Entführung, vermeldeten seine Angehörigen: „Mit gebrochenem Herzen muss die Familie Goldberg-Polin den Tod ihres geliebten Sohnes und Bruders Hersh bekanntgeben. Die Familie dankt euch allen für eure Liebe und Unterstützung.“ Die israelische Armee fand die Leichen von ihm wie fünf weiteren Geiseln in einem Tunnel in Rafah, sie waren ebenfalls vom Nova-Festival entführt worden. Laut einem Militärsprecher seien sie wahrscheinlich mit einem Kopfschuss hingerichtet worden, kurz bevor die Armee sie erreichen konnte.

Hersh wurde im Jahr 2000 in Kalifornien geboren. Als er sieben war, zog seine Familie nach Israel. Neben Musik war Sport seine Leidenschaft: Er war Fan des Fußballvereins Hapoel Jerusalem, im dortigen Teddy-Stadion oft zu Gast und Mitglied der antifaschistischen Ultragruppe „Brigade Malcha“, die klare Kante gegen Rassismus und Homofeindlichkeit in Israel zeigt. Auch Basketball liebte er: Ein früheres Profilfoto auf Social Media war das Logo der Chicago Bulls – die Heimatstadt seiner Eltern.

Das Schicksal des israelisch-amerikanischen Staatsbürgers wurde international bekannt, auch dank seiner Familie und Freund*innen, die unermüdlich für seine Freilassung kämpften. Die von ihnen gestartete Instagram-Seite „Bring Hersh Home“ hat mehr als 150.000 Follower. Seine Eltern sprachen außerdem jüngst beim Parteitag der Demokraten, zu tobendem Applaus der vielen Teilnehmenden.

„Stay Strong Hersh“ im Weser-Stadion des SV Werder Bremen

Auch die Freundschaft seiner Ultragruppe zu den Fans des SV Werder Bremen sorgte dafür, dass Hershs Geschichte in Deutschland eine größere Öffentlichkeit fand: Im Weserstadion prangte ein „Stay Strong Hersh“-Banner. Auf dem diesjährigen Fusion-Festival erinnerten Hunderte Be­su­che­r*in­nen an ihn.

Im April veröffentlichte die Hamas ein Video von Hersh, sein Gesicht abgemagert, sein linker Arm nur noch ein Stumpf. In Erinnerung bleiben werden aber vielmehr die Fotos von Hersh, dem Raver, dem Sportfan, dem Weltenbummler – der stets gelächelt hatte.

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14 Kommentare

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  • An dieser Stelle Dank an Herrn Potter für seine Artikel, die oft eine Seite beleuchten, die sonst wohl im Dunkeln bleiben würde.

  • "Laut einem Militärsprecher seien sie wahrscheinlich mit einem Kopfschuss hingerichtet worden, kurz bevor die Armee sie erreichen konnte."

    Traurig, sehr, sehr traurig. Ein weiterer Tiefpunkt des Handelns der gegnerischen Kriegspartei.

    Ich bin militärisch zu unwissend, um zu verstehen, weshalb sie "die Jungs" nicht zurück und "einfach" ihrem Schicksal überließen. Solcher Hass und diese Gnadenlosigkeit sind erschreckend.

    Sie hätten diese Männer doch "quasi im Austausch für die Polio-Impfungen" am Leben lassen können.

    Ebenso fürchterlich finde ich es, dass dieses Handeln der Reputation der Gaza-Hamas-palästinensischen Kriegspartei weder im In- noch im Ausland schaden wird und sich keiner ihrer Anhänger oder Unterstützer von ihnen abwendet.

  • Es ist wirklich tragisch wie viele Menschen in diesem Konflikt bislang sterben mussten und weiterhin sterben. Ich frag mich was das heißt: “Laut einem Militärsprecher seien sie wahrscheinlich mit einem Kopfschuss hingerichtet worden, kurz bevor die Armee sie erreichen konnte.” Wenn jemand durch Kopfschuss hingerichtet wird, ist das doch eindeutig — warum der Zusatz “wahrscheinlich”?

    • @elma:

      ???

      Der IDF war nicht dabei.

      Also kann der Militärsprecher nur vermuten, dass es eine Hinrichtung war und dass sie kurz vorher stattfand.

      Eindeutig ist bestenfalls der Kofschuss.

    • @elma:

      und Mitglied der antifaschistischen Ultragruppe „Brigade Malcha“

      Die Geiseln sind nach meinem Kenntnisstand im Wesentlichen Menschen, die Netanjahu nicht wählen würden. Das dürfte ein weiterer Grund sein, warum Netanjahu keinerlei Interesse am Schicksal der Geiseln zeigt. Außer vielleicht an ihrem Tod, denn den kann er weiter instrumentalisieren.

  • Das ist reine Bosheit von der Hamas.

  • Die Hamas kommuniziert, ja regelmäßig und teilweise, sehr offen, dass ein Genozid aller Israelis eine "tolle Sache wäre" wie die Houthis, die Hezbollah und der Iran. Von den Israelis haben



    Ich so etwas extremes noch nie gehört.

  • Mein Herz ist gebrochen. Ich kann es nicht fassen, dass du tot bist, Hersh! Verzeih uns, dass wir dich nicht beschützen und nicht retten konnten... 💔

  • Wie man die Mörderbande Hamas zu Freiheitskämpfern hochstilisieren kann, wird sich mir nie erschließen. Das lässt sich eigentlich nur durch tiefverwurzelten Judenhass erklären.

    • @Milonga:

      "Das lässt sich eigentlich nur durch tiefverwurzelten Judenhass erklären."



      oder vielleicht durch 75 Jahre Leid und Besatzung?

      • @Des247:

        Gaza war seit 2005 nicht mehr besetzt und mit einer vernünftigen Regierung und den Milliarden und Abermilliarden aus fast allen Ländern diese Welt hätte dort etwas Gutes entstehen können.

        Das sagt sogar Herr Sinwar: "Yahya Sinwar sagte einmal einer italienischen Journalistin, „aus Gaza könnte Singapur werden oder Dubai“, es gebe in der jungen Generation der Palästinenser genug Brillanz und Esprit."

        taz.de/Yahya-Sinwa...nelblick/!6029505/

        Die immer wieder begonnenen Kriege der arabischen-palästinensischen Seite, bereits mit Beginn der Staatsgründung Israels und zuletzt am 07.10.23, sind meiner Meinung nach der Garant für Leid.

        Ich hoffe aber weiterhin darauf, dass es nach diesem Krieg für die Bürger und Bürgerinnen in Gaza besser werden wird. Vermutlich wird Herr Netanjahu nicht mehr in der israelischen Regierung vertreten sein und die Bürger*innen Gazas werden sich vielleicht auch für eine andere Regierung entscheiden.

        Dazu noch die Aufbauhilfen aus der gesamten Welt und die Gasfelder vor der Küste (wer darauf Zugriff hat, muss noch verhandelt werden). Vielleicht gibt es dort ja nach dem Krieg auch so Menschen wie "unsere Trümmerfrauen".

        • @*Sabine*:

          Nein, Gaza war seit 2007 kurz nach der Übernahme durch die Hamas durch Israel von der Außenwelt abgeriegelt, was laut Igh gleichbedeutend ist wie besetzt, das sollten Sie mittlerweile mitbekommen haben. Ja, es hätte ein tolles Gaza werden können, doch das hat Netanjahu erfolgreich verhindert.



          Und der Garant für ihr Leid war bzw ist, dass ihnen ihr Land genommen wurde.

          • @Des247:

            "dass ihnen ihr Land genommen wurde."

            Keinem Menschen gehört Land. Blut und Boden Ideologie ist Revanchismus aus dessem Leib nur Faschismus kriecht.

            Sollen schlesische Deutsche Schlesien zurückfordern? Nein.

            Es hätte schon viele Friedensverträge geben können, die PLO hat versäumt diese zu unterschreiben, diese öffentlich auskonkretisiert zu präsentieren und trägt Verantwortung für ihr Versagen. Ihre fehlenden Wahlen mal ignoriert.

    • @Milonga:

      Und/oder mit ignoranter Dummheit!



      Viele derjenigen im Westen, die die Hamas als Freiheitskämpfer bejubeln, übersehen geflissentlich, dass die Hamas auch die Freiheit vieler Palästinenser im Gazastreifen genommen hat und dass die Hamas ihre westlichen Claqueure, würden sie derer habhaft werden, umbrächte, da sie deren Lebensstil verachten und vernichten möchte.



      Das sind, so unschön sie klingen, Fakten.