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Reaktionen auf Asylrechtsverschärfungen„Absehbar verfassungswidrig“

Viele zivilgesellschaftliche Organisationen warnen vor den geplanten Verschärfungen in der Migrationspolitik – und äußern rechtliche Bedenken.

Abschiebeflüge nach Kabul machen die Kooperationen mit den Taliban salonfähig (Archivbild 2021) Foto: Jan Woitas/dpa

Berlin taz | Die von der Bundesregierung geplanten asylrechtlichen Verschärfungen, wie die fast komplette Streichung von Leistungen für Ausreisepflichtige, stoßen bei Ver­tre­te­r:in­nen von Zivilgesellschaft und Kirchen auf heftige Kritik. Pro Asyl verweist in seiner Pressemitteilung auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgericht, wonach Sozialleistungen „nicht aus vermeintlichen Abschreckungseffekten gestrichen oder willkürlich gekürzt“ werden dürften: Die aktuellen Vorschläge zur Streichung der Leistung für Dublin-Fälle seien aus Sicht von Pro Asyl „absehbar verfassungswidrig“.

Auch seitens der Kirche gibt es Bedenken. Der ehemalige Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche, Heinrich Bedford-Strohm, sagte am Freitagmorgen im Interview im Deutschlandfunk: „Ich kann nicht nachvollziehen, dass wenn man die Sozialleistungen kürzt, dass wenn man Menschen überhaupt nicht mehr geben will, von dem sie Leben sollen, was das für einen Vorteil bringen soll.“ Er befürchtet, dass dies eher zu mehr Kriminalität führe.

Am Donnerstag haben Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) Pläne vorgestellt, um die Migrationspolitik zu verschärfen: Unter anderem sollen Geflüchtete, für deren Asylantrag andere EU-Staaten zuständig sind, die Leistungen gekürzt werden.

Schon jetzt können die Sozialleistungen in diesen sogenannten Dublin-Fällen abgesenkt werden. Das gilt bisher, wenn sie nicht ausreisen, obwohl das zuständige Land sie zurücknehmen will. Das passiert selten. Nun könnten Leistungen komplett oder aber bis auf das Existenzminimum reduziert werden – Details dazu sind bislang unklar. Über das Asylaket soll laut Innenministerin Faeser mit den Ländern und der Union gesprochen werden.

„Taliban salonfähig gemacht“

Am Freitagmorgen sind dann erstmals seit Machtübernahe der Taliban wieder Menschen nach Afghanistan abgeschoben worden. Nach Angaben der dpa handelte es sich um 28 afghanische Staatsangehörige, die verurteilte Straftäter seien.

Der Berliner Flüchtlingsrat zeigte sich entsetzt über den Abschiebeflug nach Kabul. „Mit diesem Flug hat Deutschland die Kooperationen mit den Taliban salonfähig gemacht“, kritisierte Abuzar Toran vom Flüchtlingsrat. Dabei handele es sich um eine „menschenrechtsverachtenden de-facto Regierung, die zuletzt Mädchen und Frauen das Sprechen und Singen in der Öffentlichkeit verboten hat und Menschen, die nicht ihren Glaubensgrundsätzen folgen, einsperrt, Folter und tötet“, so Toran.

Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von Pro Asyl, betonte, dass „eine Zusammenarbeit mit den Taliban – auch über Bande“ Terrorismus und Islamismus fördere, anstatt sie zu bekämpfen. Alaows spielt darauf an, dass Deutschland nicht direkt, sondern über das Emirat Katar mit den Taliban verhandelt haben soll.

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12 Kommentare

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  • Libuda , Moderator

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  • Dann wird eben die Verfassung in dem Punkt geändert. Dafür wird sich wohl nach den Ereignissen und den in Wahlergebnissen ausgedrückten Bürgerwillen eine Zweidrittelmehrheit finden. Daran wird es nicht scheitern, eher an politischer Untätigkeit. Wenn der Wille vorhanden ist geht vieles ganz schnell.

  • Es ist schon interessant wie die Propaganta aus dem rechten Lager langsam Früchte trägt. Es kam rund eine Mio. zu uns uns einige wenige fallen auf. Geurteilt wird aber über alle, die gekommen sind. Das ist exakt dieselbe Vorgehensweise und Diskussion, wie wir sie ständig bei dem Bürgergeld sehen.



    Der deutsche Bürger blickt es aber nicht und meint, dass sich dadurch irgendetwas verbessert.



    Das rechte Lager hat längst die Führung übernommen und alle hängen am Tropf. Die Diskussion über Abschiebung und den bösen Ausländer und den deutschen Arbeitsverweigerern sollte beendet werden und sich um wirlich wichtigere Themen beschäftigt werden. Demokratiefeind AfD und der ganz rechte Mopp, der sich dieser unpatriotischen Partei anschließt.

  • Die beiden Kirchen gehören zu den reichsten Organisationen der Welt.

    Ich würde es glaubwürdiger finden, wenn diese doch einen Unterhalt der Migranten selbst übernehmen würden anstatt dies dem Steuerzahler zu überlassen.

  • Man kann nur hoffen, dass bald Gerichte mit den Maßnahmen befasst werden, hier tut Klarstellung not. Ich bin auf die Begründung für die 0-Euro-für-Dublin-Flüchtlinge-Maßnahmen gespannt.



    Offenkundig sind die Zustände in Afghanistand der Bundesregierung sowas von egal, hat man ja bereits bei den Vor-Ort-Mitarbeitern gesehen, die man schmälich im Stich gelassen hat. Einmal mehr eine Bankrott- und Kapitulationserklärung vor der AfD-Agenda.

  • Gerade beim Bäcker die heutige BLÖD-Schlagzeile gelesen, die ich hier nicht zitieren werde. Die Meute ist von der Leine gelassen, und mir graut davor, was noch alles kommen wird.



    Wen interessieren schon das deutsche Asylrecht oder die Genfer Flüchtlingskonvention? Das ganze Menschenrechts-Gedöns ist sowieso nur noch lästig...

  • Nun könnten Leistungen komplett oder aber bis auf das Existenzminimum reduziert werde...



    ---



    Sozialleistungen, gleich ob für Nativs wie für "Flüchtlinge, Asyslsuchenden usw. SIND nie mehr als das EXISTENZMINIMUM!



    Was ist daran dann noch zu kürzen?



    Ps. Eigentümliche Vorstellung unserer Politiker, die mit Ministergehältern, Abgeordneten Diäten, uvam, das "Nebenbei noch als kleines Zubrot für erlaubte Nebentätigkeiten so mitgenommen wird" von Sozialleistungen zu haben scheinen! :-(

  • Nur mal so



    "....Ver­tre­te­r:in­nen von Zivilgesellschaft und Kirchen auf heftige Kritik. "



    Die danach genannten Organisationen sind also die Zivilgesellschaft? Und alle anderen, inklusive der Regierung, vertreten was? Eine Militärgesellschaft? Was ist, wenn man zu den Organisationen gehört oder (teilweise) andere Meinungen vertritt? Ist die Regierung ausserhalb der Zivilgesellschaft?



    Diese Kategorisierung führt ins Nichts.

    • @fly:

      Eines Tages werden die Nachfahren all derer, die unter der Dominanz der (Neo-)Europäer gelitten haben und heute noch leiden, sich erheben. Sie werden sich erheben. Die Nachfahren derer, die Primitive, Barbaren, Wilde usw. genannt wurden, werden Gerechtigkeit fordern. Sie werden keine schönen Worte oder Almosen mehr akzeptieren. Sie werden von uns, die Nachfahren der Unterdrücker, eine echte Wiedergutmachung, eine Korrektur des begangenen Unrechts fordern. Und egal, wie wir sie nennen werden, ob Extremisten oder Terroristen, sie werden keine Rücksicht nehmen, genau so, wie unsere Vorfahren und wir keine Rücksicht genommen haben. Sie werden uns jagen, vertreiben, vergewaltigen, versklaven und töten. Alte, Väter, Mütter, Kinder, ob bewaffnet oder nicht, ob wachend oder schlafend. Sie werden nicht mehr fragen, ob wir vielleicht in guter Absicht gehandelt haben oder ob wir doch noch echte Reue zeigen wollen. Es wäre an uns gewesen, Verantwortung für unsere Geschichte zu übernehmen. Unser Tod ist ihre einzige Chance auf Befreiung.

      Meine Gedanken sind frei. Ich wünsche den Aufständischen der Welt viel Glück.

    • @fly:

      Nein es sind Vertreter:innen von Zivilgesellschaft. Die zu nichts führende Kategoriesierung kommt von ihnen. Sind sie die Bundesregierung? Trotzdem spricht diese für sie im Ausland, egal ob dies ihre persönliche Meinung spiegelt oder nicht.



      Die Zivilgesellschaft wählt Vertreter die dann die Regierung bilden.



      Diese sollte aber muss nicht die Meinung der Zivilbevölkerung (die es defacto nicht gibt, nur eine Mehrheit und selbst diese ist oft genug ungetrübt von Sachkenntnis) widerspiegeln.



      Eigentlich nicht so schwer.



      Zivil bedeutet nicht Staatlich (staatlich ist zB das Militär).

    • @fly:

      Ehras ja nun erst recht! Woll



      Daß die genannten richtig liegen - anschließe mich - wird sich allerspätestens in Karlsruhe erweisen •

      kurz - “Sagen - was man denkt. Ist schonn ok!“ Gelle



      &



      “Vorher was gedacht haben - wäre fein!“



      Harry Rowohlt in memoriam



      (entre nous - mit 20Jährchen plus für Asyl&FlüchtlingsR & auch AuslR zuständig - hastes halt einfach - diesen Zirkus der Ahnungs&Hilflosen - aber brandgefählichen Rechtsausleger &



      Wasserträger für Arschlöcher für DEUTSCHLAND 🇩🇪 richtig einzuschätzen



      Newahr & Normal •

      Na Mahlzeit