Streit um Justizreform in Mexiko: Demonstranten dringen in Senat ein
Die Justizreform des scheidenden mexikanischen Präsidenten Andrés Manuel López Obrador wurde trotz der Erstürmung des Senats verabschiedet.
In der Nacht zum Mittwoch beschlossen die Senator*innen nach turbulenter Sitzung seine Reform anzunehmen. Damit will der Amlo genannte López Obrador die in der Justiz grassierende Korruption bekämpfen.
Künftig werden die Mitglieder des Obersten Gerichtshof und 6.500 weitere Richter vom Volk gewählt. Senat, Staatschef und Oberstes Gericht, das von zwölf auf neun Mitglieder reduziert wird, sollen dafür jeweils ein Drittel der Kandidat*innen vorschlagen. Bislang schickte der Präsident drei ins Rennen und die Senator*innen hatten das letzte Wort.
Kritiker*innen fürchten, dass der Einfluss von Amlos ohnehin dominierender gemäßigt linker Morena-Partei noch größer wird. Schon jetzt stellt sie mit zwei kleinen Koalitionspartnern im Parlament die für Verfassungsänderungen nötige Mehrheit.
Das Abgeordnetenhaus hatte schon zugestimmt
Entsprechend deutlich sprach sich letzte Woche das Abgeordnetenhaus für die Reform aus. Das Votum musste in einem Stadion stattfinden, nachdem Demonstrant*innen das Parlament blockiert hatten.
Auch der Senat ist mehrheitlich von der Regierungskoalition besetzt. Dort benötigte Amlo jedoch oppositionelle Unterstützung, um eine Zweidrittelmehrheit zu erreichen. Dass ihm dabei ausgerechnet Miguel Ángel Yunes von der rechten Partei PAN aus dem Bundesstaat Veracruz die nötige Stimme gab, empörte Oppositionelle. „Verräter“ riefen Protestierende, die das Senatsgebäude gestürmt hatten.
Vor der Abstimmung, die ebenfalls an einem anderen Ort stattfinden musste, hatten sie der Regierung vorgeworfen, Abgeordnete unter Druck zu setzen. Nun vermuten sie hinter Yunes' Verhalten einen Deal. Gegen den PAN-Politiker und Mitglieder seiner Familie laufen im von Morena regierten Veracruz Strafverfahren u. a. wegen Wahlbetrugs. Diese könnten nun womöglich eingestellt werden, meinen sie.
Ist die Reform das Ende der Demokratie und die Installierung eines autoritären Regimes? Oder ist sie der nötige Schritt, um die korrupte, von der Elite dominierte Justiz zu reinigen? Weder noch, sagt der Analyst Jorge Zepeda Patterson.
Hexenjagd auf regierungskritische Kandidat*innen droht
Es bestehe die Gefahr, dass es bei der Wahl der Richter*innen zu einer Hexenjagd gegen regierungskritische Kandidat*innen komme. Doch werde der Oberste Gerichtshof zugleich pluraler. Amlo sei es darum gegangen, die 30 Tage der parlamentarischen Mehrheiten zu nutzen, über die er verfüge, nachdem Morena bei den Wahlen im Juni massiv zugelegt hatte.
Zwar könnte auch seine Nachfolgerin die Justizreform durchsetzen, wenn sie am 1. Oktober ihr Amt antritt. Doch das sei nicht opportun. „Für Claudia Sheinbaum ist es fundamental, dass die Abstimmung keinen Wirbel auf den Finanzmärkten verursacht oder Entscheidungen im Bereich privater Investitionen beeinflusst“, schreibt ein Kolumnist in der Zeitung El País.
Mit den obersten Richter*innen steht Amlo schon lange auf Kriegsfuß. Sie sorgten mehrmals dafür, dass Projekte des Präsidenten gestoppt wurden. Beispielsweise eine nationalistisch orientiert Energiereform oder die von ihm beabsichtige militärische Führung der Nationalgarde.
Justiz hat veritables Korruptionsproblem
Zugleich steht außer Frage, dass große Teile insbesondere der regionalen und lokalen Justizbehörden korrupt sind und häufig von der Mafia kontrolliert werden.
Carlos Pérez Ricart von der Universität Cide hält eine Reform auch deshalb für notwendig. Dennoch ist er kritisch: „Die Regierung hat darin versagt, uns zu erklären, warum beispielsweise die Wahl von Richtern helfen soll, uns ein besseres System zu bringen und nicht noch mehr Probleme bringt, als wir ohnehin schon haben.“
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