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Die WahrheitVier Fäuste für ein Halali

Tröt, trööt, tröööt: In der herbstlichen Jagdsaison erschallt wieder das erbärmliche Pathos der Jäger, und die Tiere müssen sich warm anziehen.

Es wird kälter, und die Jäger kommen aus ihren Löchern Foto: dpa

Es wird Herbst. Aus dem Wald hinter unserem Garten im Brandenburgischen ertönt nun jeden Abend das blecherne Getröte der Jäger. Wahrscheinlich ist für irgendwelche Tiere jetzt wieder irgendeine Schonfrist abgelaufen. Da kommen die Jäger aus ihren Löchern, und die Tiere können sich so richtig warm anziehen. Das Kleidungsstück der Saison wäre wohl die schutzsichere Weste in Camouflage, Damhirschfleck oder Steingrau-Oliv.

Das Halali, das Signal zur Waffenruhe, muss den Tieren wie Hohn in den Ohren klingen beziehungsweise wie ein Friedensvorschlag von Sahra Wagenknecht. Schließlich ist es ein sehr einseitiger Waffenstillstand, da die Tiere ja über keine adäquaten Abwehrwaffen verfügen: ein paar Zähne, Hauer oder Geweihe – und das war’s dann schon. Die Blindschleiche kann sich sogar nur ducken. Weglaufen geht auch nicht; eine Gewehrkugel ist immer schneller. Und am nächsten Morgen wird dann ab 5 Uhr 45 ohnehin munter weitergeballert.

Da versammeln sich die Tierlein im Morgengrauen auf dem Feld unter dem Hochsitz. Weil sie ja was äsen müssen, wie man das Wort „essen“ in Verbindung mit Tieren eigens kindisch verballhornt, nur um zu zeigen, dass man sie nicht für voll nimmt. Schutzlos und ohne jede Deckung stehen sie da. Feuer frei.

Kritisch anmerken könnte man eventuell noch, dass der Lerneffekt bei den Wildtieren einiges zu wünschen übrig lässt. Wenn ich merke, dass jeden Tag am gleichen Ort Kollegen von mir hinterrücks abgeknallt werden, dann geh ich da doch irgendwann nicht mehr hin. Würde man meinen.

Doch letztlich ist es egal, ob mangelnde Intelligenz, schlechtes Erinnerungsvermögen oder schlicht Trotz dahinterstecken, denn Victim Blaming gehört sich nicht. Auch wenn ich als Tier morgens im Minirock auf eine Lichtung gehe, muss ich dennoch erwarten können, dass ich nicht einfach angegriffen werde. Das sind doch zivilisatorische Basics.

Posaunen beim Blutrausch

Tröt, trööt, tröööt. Was für ein erbärmliches Pathos das Getröte doch verströmt. Als ob das Töten alleine nicht genügt, hupen die da mit ihren Posaunen rum wie Hochzeitsgäste bei einer Bluthochzeit. Und als wäre das eine Leistung: hundert schwerbewaffnete Jäger mit Hunden, die einen zitternden Hasen einkreisen, der nicht weiß, wie ihm geschieht, weil er ja gar nichts Schlimmes angestellt hat.

Wenn sie ihn dann endlich kaltgemacht haben, trompeten sie selbstbesoffen auch noch stundenlang herum. Demut ist für sie ein Fremdwort. Ihr Jägerstolz erinnert an den Nationalstolz des klitzekleinen Mannes, der zu Hause Frau und Kinder verprügelt, weil er gegenüber Stärkeren nichts zu melden hat, oder an den exzessiven Torjubel des Bayernstürmers beim Pokalspiel gegen einen Amateurverein. Sie nennen es Waidwerk, der gesunde Menschenverstand nennt es Mord. Warum mähen sie die Tiere nicht einfach unsentimental nieder und gut ist.

Das wäre zumindest ehrlicher. Und respektvoller, sie verlieren da doch Angehörige, Freunde, Ernährer und so. Das sind ja krasse persönliche Einschnitte; für die Betroffenen ist das, milde gesagt, überhaupt nicht lustig, die wollen dann bestimmt nicht auch noch ein Kurkonzert zum Sterben. Da muss man sich als Tier doch komplett verarscht vorkommen. Das ist wie Rosenkohl als Henkersmahlzeit oder Clowns zur Beerdigung. Weitaus angebrachter wäre es, vor dem toten Tier den albernen Hut abzunehmen und ein stilles Gebet zu sprechen. Auch eine Kranzniederlegung wäre durchaus angemessen.

Ganz davon abgesehen würden die Schießgesellen – auch wenn es in meiner reinen Seele schmerzt, versetze ich mich an dieser Stelle mal in die Rolle der Täter – garantiert auch mehr erwischen, wenn sie sich leise anschlichen statt mit Rambazam-ba und Musik. Also vielleicht noch nicht gerade Win-win, aber immerhin Win-lose oder, aus Sicht der Tiere, Lose-win.

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5 Kommentare

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  • "Schließlich ist es ein sehr einseitiger Waffenstillstand, da die Tiere ja über keine adäquaten Abwehrwaffen verfügen: ein paar Zähne, Hauer oder Geweihe – und das ..."



    Arsenal der TierfreundInnen oder LandbesitzerInnen, die ihre Latifundien aus dem Bejagungsbereich entfernen ließen.



    Nicht zu unterschätzen ist auch in Analogie zum Militär das sog. "Friendly Fire":



    😳



    www.stern.de/panor...auto-33133782.html

  • Wahrer Kern. Jäger/innen sagen, dass die Jagd wichtig ist, was ebenso einen wahren Kern haben kann. Aber es scheint ja nicht so zu sein, dass sie ein notwendiges Übel ist, vor dem sie sich möglichst drücken wollen.

    Eher scheint es viele zu geben, die töten wollen - man bemüht sich aktiv um Jagdpachten, man hängt die Leichenteile an die Wand, man gibt damit an, was man wieder geschossen hat (aus sicherer Entfernung).

    Das mit der natürlichen Haltung stimmt aber auch, mehr Bio als Wildfleisch geht kaum.

    • @Ciro:

      Das würde ich doch fallweise relativieren wollen:



      /



      "Bisher ging man davon aus, dass die in Wildschweinen nachgewiesene Belastung mit Cäsium-137 maßgeblich aus dem Reaktorunfall von Tschernobyl resultiert. Eine aktuelle Studie von Forschenden der Universität Hannover und der Technischen Universität Wien, die im Fachmagazin Environmental Science & Technology veröffentlicht wurde, legt nun nahe, dass das Cäsium-137 wohl zu einem größeren Teil (bis zu 68 Prozent) aus oberirdischen Atomwaffentests in den 1950er und 1960er Jahren stammt."😳



      Quelle



      www.grs.de/de/aktu...ktivem-caesium-137



      /



      Vielleicht ist Umwelt-Toxikologie doch erneut und vermehrt aufschlussreich mit neuen Methoden, wenn bekanntes biologisches oder veterinärmedizinisches Wissen"auf den Prüfstand" kommt.

  • Da fällt mir spontan das schöne Kinderlied " ein Jäger längs dem Weiher ging", ein!



    Für junggebliebene Erwachsene bieten die "schwarzen Gedanken" von Franquin die passende Illustration 😉

  • Leckeres Fleisch, dass unter natürlicher Haltung der Tiere produziert wird, kein Mastvieh.