Mutmaßliche Gruppenvergewaltigung: Haftbefehle nach Sexualdelikt

Ein 30-jähriger iranischer Geflüchteter und regimekritischer Oppositioneller soll von mehreren Männern vergewaltigt worden sein. Die Tat war womöglich politisch motiviert.

Das Gelände in Iserlohn das der Tatort sein soll - eine Brache auf der sich Müll stapelt, umgeben von Bäumen und einem Zaun.Auf dem Gelände steht ein Polizeiauto, zwei Polizisten gehen auf das Gelände

Polizeibeamte ermitteln auf einem Gelände zum Fall einer mutmaßlichen Gruppenvergewaltigung Foto: Alex Talash/dpa

Berlin taz | Ein 30-jähriger iranischer Geflüchteter wurde mutmaßlich Opfer einer Gruppenvergewaltigung in Iserlohn. Für vier Verdächtige zwischen 24 und 46 Jahren, die in der Nähe des Tatorts angetroffen wurden, wurden Haftbefehle beantragt. Nach zwei weiteren Tätern wird gefahndet. Am Montag wurden erste Details über die Täter bekannt, die auf ein politisches Motiv hindeuten.

Die Täter gaben an, dänische und niederländische Staatsbürger mit iranischen Wurzeln zu sein. „Die Tat ist bisherigen Ermittlungen zufolge primär auf sexuelle Erniedrigung ausgerichtet gewesen“, sagte Oberstaatsanwalt Michael Burggräf.

Der Geflüchtete, ein regimekritischer Oppositioneller, soll in einem leerstehenden Brauereigebäude gefesselt und brutal misshandelt worden sein. Zeugen berichteten von Schreien des 30-Jährigen gegen 23.30 Uhr, die sie aus dem verlassenen Gebäude hörten. Die Polizei setzte unter anderem einen Hubschrauber ein, um die Täter ausfindig zu machen.

Der Staatsschutz Hagen hat die Ermittlungen übernommen. Die Staatsanwaltschaft wirft den Festgenommenen gemeinschaftliche Vergewaltigung, gefährliche Körperverletzung und Freiheitsberaubung vor. Laut Recherchen von Spiegel und WDR handelt es sich bei den Tätern um regimenahe Iraner. Der Übergriff könnte eine Eskalation der gezielten Einschüchterung von Oppositionellen im Ausland sein.

Mittel zur Unterdrückung

Sexualisierte Gewalt als Mittel zur Unterdrückung hat in der Islamischen Republik Iran Tradition. Immer wieder dokumentieren Menschenrechtsorganisationen, wie das Regime Vergewaltigung als Waffe einsetzt – insbesondere gegen politische Gefangene. Im Zuge der „Frau, Leben, Freiheit“-Proteste, ausgelöst durch die Ermordung der Kurdin Jina Mahsa Amini, nahm dies weiter zu. Kürzlich berichtete die iranische Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi, die derzeit im Evin-Gefängnis am Stadtrand von Teheran inhaftiert ist, von einer Zunahme der sexualisierten Gewalt gegen Gefangene.

Vergewaltigung dient als gezieltes Mittel, um politische Gegner zu brechen – physisch wie psychisch. Kayvan Samadi, kurdischer Menschenrechtsaktivist aus Iran, musste dies selbst erleben, als er 2022 im Zuge der Proteste festgenommen und mit einem Schlagstock vergewaltigt und gefoltert wurde. „Vergewaltigung wird im Iran seit Jahren als Mittel zur Folter und Einschüchterung eingesetzt“, sagte er der taz. „Viele Oppositionelle sind von dieser Gewalt betroffen.“

Im Ausland sei dieses Mittel der Repression jedoch bisher nicht so häufig verwendet worden. „Es ist möglich, dass das Regime und seine Anhänger solche Mittel nun auch hier verstärkt einsetzen, um Aktivisten einzuschüchtern“, sagte er. In den sozialen Medien wurde auch Samadi selbst kürzlich bedroht. „Wenn du viel redest, vergewaltigen wir dich“, lautete eine der Drohungen. „So was retraumatisiert uns, setzt uns unter Druck“, sagt er.

Jahrestag der Proteste am 16. September

„Der Zeitpunkt ist nicht zufällig gewählt“, vermutet er zudem. Der Jahrestag der Proteste am 16. September wird traditionell von Oppositionellen genutzt, um auf die andauernden Menschenrechtsverletzungen im Iran aufmerksam zu machen. Doch das Regime greift auch im Ausland gezielt ein, um Aktivisten zum Schweigen zu bringen, etwa durch Drohungen. Im vergangenen Bericht des deutschen Verfassungsschutzes wird vor den Aktivitäten des Regimes gegenüber Oppositionellen hierzulande bereits gewarnt.

Bereits in der Vergangenheit hatte das Regime seine Gegner in Deutschland unter Druck gesetzt. Der sogenannte Mykonos-Anschlag von 1992, bei dem iranische Geheimdienstagenten vier oppositionelle Kurden in Berlin ermordeten, ist dabei nur ein Beispiel. Der Verfassungsschutz berichtet von über 160 Personen mit Verbindungen zu den iranischen Revolutionsgarden (IRGC), die in Deutschland aktiv sind.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.

Ihren Kommentar hier eingeben