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Schwieriger Kampf gegen GentrifizierungInvestoren gegen Investoren gesucht

Der Hamburger Kunst- und Handwerkshof „Viva La Bernie“ schien schon gerettet, doch nun droht der Rückkauf zu scheitern. Es fehlen 2,2 Millionen Euro.

Soli-Konzert 2018 auf dem Viva La Bernie-Areal: Ideelle Un­ter­stüt­ze­r*in­nen gibt es viele, aber trotzdem fehlt jede Menge Geld Foto: Bodo Marks/dpa

Hamburg taz | Die Lücke ist bedenklich groß: 987.000 Euro weist das Finanzierungsbarometer auf der Homepage des Hamburger Kunst- und Handwerkshofs „Viva La Bernie“ auf. Doch bei 3,2 Millionen Euro müsste es eigentlich stehen. „Uns fehlen also 2,2 Millionen Euro und das liegt aus unserer Perspektive daran, dass bei vielen Menschen nach dem Verhandlungserfolg vom November 2023 der Eindruck entstanden ist, dass wir als Werkhof-Gemeinschaft gerettet sind“, sagt Viva-La-Bernie-Sprecher Ralf Gauger. „Das ist aber nicht der Fall“.

Im November 2023 wurde mit viel medialer Resonanz der Kompromiss zwischen den beiden Investoren und der Werkhof-Gemeinschaft unter Einbindung der gemeinwohlorientierten Lawaetz-Stiftung besiegelt: Die beiden privaten Eigentümer verkaufen die Immobilie an die Stiftung, die sie wiederum an die Nut­ze­r:in­nen in Erbpacht weitergibt. Die Hofgemeinschaft soll dann für Erhalt, Sanierung und Vermietung verantwortlich sein – in Eigenregie.

Es war ein bahnbrechender Erfolg für die Viva-La-Bernie-Gemeinschaft, die aus Musiker:innen, Künstler:innen, Fil­me­ma­che­r:in­nen und Hand­wer­ke­r:in­nen besteht und die die mehr als ein Jahrhundert alten Gebäude als Werkstätten, Ateliers und Wohnungen nutzen. Wäre es nicht zur Einigung gekommen, hätten sie befürchten müssen, aus dem Hinterhof-Areal im Stadtteil Altona verdrängt zu werden.

Doch nun herrscht Ernüchterung, weil eben jene Differenz zwischen dem Verkehrswert des Grundstückes von 6 Millionen Euro auf der einen Seite und andererseits dem Kaufpreis in Höhe von 8,5 Millionen Euro und den Kauf-Nebenkosten noch nicht aufgebracht worden ist. „Die Summe ist so etwas wie unser Eigenanteil. Der ist nötig, damit die Lawaetz-Stiftung den Kredit bei der Bank aufnehmen kann, um den Hof endgültig kaufen zu können“, erklärt Gauger, der als Bauunternehmer tätig ist und auf dem Werkhof einer von rund 20 Mie­te­r:in­nen und insgesamt rund 100 Nut­ze­r:in­nen ist.

Wo sind die Mäzene?

Bis Ende August sollte eigentlich das Geld zusammen gesammelt sein. Doch bei Viva La Bernie und ihren För­de­r:in­nen hakt es – trotz erfolgreicher Aktionen, wie etwa Kunst-Auktionen, Konzerten oder Soli-Partys.

Und die Zeit könnte bald ablaufen. „Zwar wissen wir, dass die Lawaetz-Stiftung genauso wie die Politik und beiden Investoren hinter dem ausgehandelten Kompromiss stehen, aber deren Geduld ist endlich. Wir brauchen Unterstützung: über solidarische Kredite, aber auch von Mäzenen, die in der Lage sind, uns größere Summen zu geringen Zinssätzen zur Verfügung zu stellen“, so Gauger. Zinssätze von maximal 1,5 Prozent könne Viva La Bernie bedienen.

„Wenn 1.000 solidarische Menschen uns 3.000 Euro leihen, sind das drei Millionen Euro, in etwa die Summe, die wir brauchen“, sagt Gauger, der aktuell weiter im Gespräch mit potenziellen Sponsoren ist. Doch dass es da kaum Fortschritte gibt, ist ebenso am Finanzierungs-Barometer abzulesen: Seit Ende Juli steht es stabil auf der Summe von 987.000 Euro und hat sich trotz etlicher Aktionen zuletzt nicht nach oben bewegt.

Das ist dramatisch für den Hinterhof, der immer mal wieder als „Soziotop“ deklariert wird, weil sich die Nut­ze­r:in­nen über Jahre hinweg eigene solidarische Strukturen aufgebaut haben und damit einen Gegenentwurf zur uniformen Stadt bewahrt haben. Auch Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) befand den 4.800 Quadratmeter großen Hinterhof schon als eine Bereicherung für die Stadt.

Mit einem Werbefilm, der in Hamburgs Programmkinos läuft, hofft der Kreativhof noch die nötige Unterstützung zu finden. Kommt die nicht, dürfte es wohl bald zu spät sein.

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2 Kommentare

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  • Der Haushalt der Stadt Hamburg erhält jedes Jahr Millionen Euro aus den Gewinnen der Saga. Reduziert man die Summe um 2,2 Millionen Euro, könnte sich die Saga an dem unterstützenswerten Projekt beteiligen.



    Doch um eine solidarische und bezahlbare Wohn-- und Baupolitk (siehe überhöhte Saga-Mieten, fast ein Totalausfall bei neuen Sozialwohnungen aufgrund der vielen Wohungen, die aus der Sozialbindung fallen) wie in Wien geht es dem Hamburger Senat nicht. Hamburg ist wie Berlin eine Stadt, die den Spekulanten und Investoren zum Fraß vorgeworfen wurde. Die Ästhetik der Neubauten in der Hafencity spottet im Vergleich zu Mailand jeder Beschreibung, Gentrifizierung, zu hohe Mieten selbst bei der stadteigenen Saga, auch aufgrund eines völlig disfunktionalen Mietenspiegels, machen den Mietern zu schaffen.



    Der geforderte Eigenanteil an dem Soziotp ist so hoch, weil die Politik über Jahre nichts unternahm, um wie in Wien stark steuernd in die "Marktkräfte" einzugreifen und Wohnen und Arbeiten nicht Spekulation und Investoren ohne moralische Werte zu überlassen. 1000 solidarische Bürger sollen es nun in dem Projekt richten. Es braucht eine neue Partei, die Politik wie in Wien möglich macht

  • Mit fremden Geld lässt sich gut leben, nur dumm, wenn es zu wenig Geld ist.