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Partizipationsprozess in KitabetriebenWenn 4-Jährige mitbestimmen dürfen

Die UN-Kinderrechtskonvention gibt Kindern das Recht auf Partizipation. Für die Umsetzung startete am Montag ein mehrjähriger Beteiligungsprozess.

Den kleinen oder großen Ball? In Zukunft sollen Kita-Kinder mehr selbstentscheiden dürfen Foto: dpa | Focke Strangmann

Berlin taz | Die Kinder einer Kita-Gruppe fahren alle gerne Dreirad, aber sie müssen sich drei Stück unter fünfzehn Kindern teilen. Muss dann ein Erwachsener entscheiden, wer wann Dreirad fahren darf? Oder können die Kinder das selbst? Haben sie nicht sogar ein Recht darauf, selbst zu entscheiden, nach welchen Regeln geteilt wird?

Die UN-Kinderrechtskonvention gibt Kindern das Recht auf Partizipation. In Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, müssen sie angehört werden und dürfen mitbestimmen. Doch im Kita-Alltag wird das nicht immer umgesetzt, denn in der Praxis fehlt dazu oft die Routine.

Die Berliner Kita-Eigenbetriebe wollen das ändern. In ihren Kitas sollen die Kinderrechte künftig fest im Alltag verankert sein. Dazu sollen in den kommenden drei Jahren in einem partizipativen Prozess Leitlinien ausgearbeitet werden. Unter dem Motto „Gute Kitas leben Kinderrechte“ kamen am Montag rund 700 Päd­ago­g*in­nen zusammen, um den Startschuss für diesen Prozess zu geben.

Die Fachkräfte werden in den kommenden Jahren immer wieder in Arbeitsgruppen zusammenkommen und Leitlinien erarbeiten. Auch Kinder sollen in diesem Prozess angehört werden. Am Ende soll ein Praxisordner stehen, der in 15 Bausteinen die Umsetzung der Kinderrechte im Kita-Alltag unterstützt, mit konkreten methodischen Handlungsempfehlungen, Praxisimpulsen und Reflexionsfragen.

Grundlage für gerechte Gesellschaft

Die ersten zwei Bausteine zu den Themen „Mahlzeiten“ und „Kinderrechte“ wurden bereits entwickelt und werden als Modell getestet. Die übrigen Module werden ab Herbst in Projektgruppen erarbeitet. Anfang 2025 soll außerdem in Lichtenberg die erste Kita der Berliner Eigenbetriebe mit dem pädagogischen Schwerpunkt Demokratiebildung eröffnet werden.

Kinder, die in der Kita mitbestimmen und deren Rechte geachtet werden, entwickelten sich kognitiv, sozial und emotional besser, erklärten die Berliner Kita-Eigenbetriebe: „Kinderrechte sind entscheidend für eine gerechte Gesellschaft, denn die Grundlagen für eine lebendige Demokratie werden schon in der Kita gelegt, wo Kinder spielerisch Solidarität und Verantwortung lernen“.

Die Kinder, die sich in der Kita-Gruppe die Dreiräder teilen mussten, machten vor, dass die Partizipation in der Praxis funktioniere, sagte Rüdiger Hansen vom Institut für Partizipation und Bildung in der Keynote zur Eröffnung der Veranstaltung. Sie entwickelten eine Dreirad-Haltestelle, an der die Kinder darauf warteten, an die Reihe zu kommen. Sie teilten gerecht und einfühlsam – ohne die Regeln Erwachsener.

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2 Kommentare

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  • Ob man es sinnvoll finden soll, jetzt die 4-jährigen damit zu belasten komplizierte Entscheidungen den achso Erwachsenen abzunehmen, darf bezweifelt werden.



    Eine weit einfacher umsetzbare Idee wäre ein revolutionärer Aufstand: One man (mensch), one vote. Eltern bekommen bis zum 16. bzw 18. Lebensjahr des Kindes eine weitere Stimme bei jeder Wahl. Und der Souverän (das Volk) überlässt es souverän ebendiesen Eltern, diese Wahlstimme zu verwenden: anders als die "eigene" Wahl oder genauso. Oder gar nicht. Bei zwei Eltern zwei Kindern bekommt jedes Elternteil eine für ein Kind - andere Konstellationen bekommen jeweils passende Verteilung - oder die Eltern können sich selbst eine wählen.



    Dann bekämen Familien endlich passendes politisches Gewicht bei Wahlen (und Parteien) .



    Die Idee ist nicht neu - wird aber seit Tag 2 nach der Erfindung ignoriert, bzw sabotiert. Ratet mal, von wem.

  • Weil man es nicht schafft, dass fast alle Kinder zur Einschulung die Schulreife erreichen und sprachlich fit sind, sucht man sich jetzt Nischen, um Partizipation zu inszenieren?

    Ich kann darüber nur den Kopf schütteln.

    Gerade die Berliner Kita-Eigenbetriebe sollten zum Wohl der Kinder andere Prioritäten setzen.