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Waldbrände nahe AthenWaldbrände rasen auf Athen zu

Bis zu 25 Meter hohe Flammen bedrohen die griechische Region Attika. Zehntausende wurden evakuiert, vor allem die starken Winde sind ein Problem.

Einsatzkräfte in Dionysos versuchen die Waldbrände am Montagmorgen unter Kontrolle zu bekommen Foto: Alexandros Avramidis/reuters

ATHEN taz | Es sind dramatische Stunden, die der Nordosten des Großraums Athen seit Sonntag erlebt: In der Kleinstadt Varnavas, 45 Kilometer nordöstlich der Athener Innenstadt, ist ein sich rasch ausbreitender Waldbrand ausgebrochen. „Das ist ein enorm gefährliches Feuer“, sagte der zuständige Minister für Klimakrise und Zivilschutz, Vassilis Kikilias, am Montag auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz.

Nach Angaben der griechischen Einsatzkräfte brachen die Brände am Sonntag um 15.02 Uhr Ortszeit aus. Sie breiteten sich wegen der starken Winde sehr schnell aus. Die Flammen hätten eine Höhe von 25 Metern überstiegen, berichteten Augenzeugen.

Der Himmel über Athen war am Montag von dicken Rauchschwaden bedeckt. Die Feuerwalze rollte – getrieben von den starken Nordwinden – in Richtung Süden auf das Stadtgebiet der Vier-Millionen-Metropole Athen zu. Am Mittag erreichte das Großfeuer den nördlichen Athener Vorort Nea Penteli. Ferner mussten Teile der weiter südlich gelegenen Athener Vororte Vrilissia sowie Halandri evakuiert werden.

Das Feuer geriet in der Nacht von Sonntag auf Montag außer Kontrolle, weil es ständig seine Richtung änderte. Am Montagvormittag gab es drei Feuerfronten in den Orten Grammatikos, Penteli und Anatoli unweit der ostattischen Küstenstadt Nea Makri. Böse Erinnerungen werden dabei wach: In der Ortschaft Mati, ebenso im Nordosten Attikas gelegen, starben im Juli 2018 insgesamt 104 Menschen in einer Feuersbrunst.

Auch Leopard-Kampfpanzer im Einsatz

Zehntausende Menschen mussten bereits in Sicherheit gebracht werden. Mehrere Ortschaften im Nordosten von Attika, darunter die historische Stadt Marathon, wurden geräumt. Am Montagmorgen wurde die Räumung des Kinder-Krankenhauses im nordöstlichen Athener Vorort Penteli angeordnet. 29 Kinder wurden in die Kinderkrankenhäuser „Aglaia Kyriakou“ und „Agia Sophia“ in der Athener Innenstadt gebracht. Am Sonntag mussten fünf Personen mit Atemproblemen wegen einer Rauchvergiftung im Krankenhaus behandelt werden. Ein älterer Mann, der im Ort Kaletzi versuchte, die Flammen zu löschen, stürzte und erlitt eine Fraktur. Ein Feuerwehrmann, der in Marathon im Einsatz war, erlitt Verbrennungen zweiten Grades an Händen und Füßen.

Die Einsatzkräfte sind im Großeinsatz: 560 Feuerwehrleute, 16 forstwirtschaftliche Teams, 177 Fahrzeuge sowie 17 Löschflugzeuge und 15 Hubschrauber kämpften gegen die Flammen. Unter den Fahrzeugen war auch ein umgebauter Leopard-Kampfpanzer, der zur Brandbekämpfung Wasser wirft, statt Kanonen abzufeuern.

Vor allem die derzeit herrschenden Winde machen den Feuerwehrkräften zu schaffen, denn sie tragen dazu bei, dass sich die Waldbrände sehr schnell verbreiten. Nach Angaben des Brandmeteorologen Theodoros Yannaros hat das Großfeuer im Nordosten Attikas seit Sonntag in weniger als 12 Stunden eine Strecke von mehr als 40 Kilometern zurücklegen können.

Unklarheit herrscht noch darüber, wie viele Häuser, Autos und Tiere in den betroffenen Gebieten dem Großfeuer bereits zum Opfer fielen. „Mindestens 20 Häuser sind in Varnavas verbrannt, eines davon innerhalb der Siedlung“, sagte Panagiotis Katsikis, ein freiwilliger Feuerwehrmann in Varnavas, gegenüber dem privaten Athener Fernsehsender Mega Channel. „Wenn das Feuer aus der Luft nicht gelöscht wird, wird das Feuer noch fünf Tage lang brennen. Von der Fußpatrouille aus können sie nicht in die Nähe des Feuers gelangen. Erst wenn die Flammen niedrig sind, können sie sich dem Feuer nähern. Wir haben Häuser, Autos und Tiere brennen sehen. Das Feuer ist sehr stark.“

Heißester Juni und Juli seit 1960

Unabhängig von der konkreten Brandursache im Ort Varnavas, die das Großfeuer im Nordosten Attikas auslöste: Griechenland ist in den vergangenen Jahren verheerenden Waldbränden ausgesetzt gewesen. Der sich verschärfende Klimawandel befeuert dies buchstäblich. Insbesondere die Sommer in Griechenland werden dem eindeutigen Trend nach immer wärmer und trockener, hinzu kommen zu dieser Jahreszeit üblicherweise auftretende starke Nordwinde.

In diesem Jahr hat Griechenland hat nach dem wärmsten jemals aufgezeichneten Winter auch den heißesten Juni und Juli seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen im Jahr 1960 erlebt. Schon seit Wochen herrschen sehr hohe Lufttemperaturen von rund 40 Grad Celsius in Verbindung mit einer fortgesetzten Dürre.

„In diesem Jahr sind die Niederschläge in vielen Gebieten im Osten des Landes zwischen Oktober 2023 und April 2024 um 40 bis 50 Prozent geringer als im Durchschnitt der letzten Dekade ausgefallen“, sagt Maria Mimikou, Professorin für Gewässerkunde an der Athener Universität EKPA.

Auch im Großraum Athen mit seinen rund vier Millionen Einwohnern hat es im laufenden Jahr viel weniger als sonst geregnet. Die unweigerliche Folge: Waldbrände können sich sehr leicht sehr schnell ausbreiten. In Südgriechenland gibt es viele Pinien, auch Mittelmeer-Kiefer genannt. Sie sind reich an Harz und extrem leicht brennbar.

Halb Griechenland laut Minister „im roten Bereich“

Laut Angaben des Europäi­schen Informationssystems für Waldbrände (Effis) ist in diesem Jahr in Hellas bis dato eine Fläche von 17.330 Hektar verbrannt, ohne die durch das aktuelle Großfeuer verbrannte Fläche wohlgemerkt. Das entspricht bereits jetzt, lange vor Ablauf der Feuersaison in Griechenland, fast der in Griechenland verbrannten Fläche im Gesamtjahr 2022. In der EFFIS-Datenbank werden zudem nur Waldbrände mit einer Ausdehnung von mindestens 30 Hektar erfasst.

Griechenlands Minister für die Klimakrise und den Zivilschutz, Vassilis Kikilias, hatte bereits am Samstag davor gewarnt, dass die in Griechenland gegenwärtig herrschenden Wetterbedingungen bis zum 15. August Waldbrände sehr begünstigen. Es würden „extrem hohe Temperaturen und gefährliche Wetterbedingungen herrschen“, sagte Kikilias bei einer Regierungssitzung. Aufgrund starker Winde und extremer Trockenheit liege „halb Griechenland im roten ­Bereich“.

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