Kommentar von Helmut Höge über den Pollerwahn: Kann man die Erosion des Sozialen abpollern?
Es droht eine neue Pollerwelle. Bisher gab es vier in Berlin, das heißt: nur in Westberlin, dem Osten war das dafür verwendete Metall zu wertvoll, um es für industriell hergestellte Poller zu verschwenden. Es gab dort nur individuelle von Hausmeistern gebastelte.
Die erste Westberliner Pollerwelle in den achtziger Jahren war dem zunehmenden Parkdruck geschuldet. Weil die lebenden Polizisten im Westen, im Gegensatz zu den Vopos im Osten, nicht ständig Falschparker aufschreiben wollten, entschied man sich für stumme Polizisten: eben für Poller. In Kreuzberg durchgehend für in Ungarn hergestellte „Wellmann-Poller“, von den Lokalpolitikern „Kreuzberger Penisse“ genannt, die wegen des Randale-Tourismus ankerverstärkt geliefert wurden.
Die zweite Welle kam mit den „modernen“ elektronisch versenkbaren Pollern, mit denen man ganze Innenstadtbezirke absperren kann. Lieferanten bekommen eine Art Fernbedienung. Weil jedoch immer mal wieder ein Pkw noch schnell durchfahren wollte und dann von einem hochfahrenden Poller aufgespießt wurde, installierte man noch kleine Ampeln daneben, in Leipzig zum Beispiel.
Die dritte Welle kam nach Terrorangriffen mit Lkws gegen Massenveranstaltungen auf Plätzen und bestand neben Pollern aus temporären Betonquadern.
Die vierte Welle sollte die sich derzeit üppig vermehrenden RadfahrerInnen schützen, weswegen man diese Poller „Protektionselemente“ nennt.
Helmut Höge
ist Autor und Aushilfshausmeister.
Deren Formenvielfalt will der Senat nun zugunsten eines einheitlichen Berlin-Pollers ausmerzen, wozu er die Verpollerung aus der Bezirksverantwortung nehmen möchte.
Das Vorbild ist hierbei Amsterdam, wo man mit diesen „Amsterdammertjes“ auch die Stadt bewirbt und sie zum Beispiel als Souvenirs (etwa in Form von Schlüsselanhängern) kaufen kann. Dort gibt es jedoch auch ein „Entpollerungsprogramm“ – von einem Berliner Architekten, der den Ku’dammpoller entwarf.
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