piwik no script img

Kinoempfehlungen für BerlinWas der Himmel erlaubt

Im Klick geht es um die Kulturgeschichte des Restaurants, Wim Wenders präsentiert „Paris, Texas“ in 4k, das Arsenal „Far from Heaven“ von Todd Haynes.

„Far from Heaven“ (USA 2002), Regie: Todd Haynes Foto: Arsenal – Institut für Film und Videokunst e. V

D ie Kulturgeschichte des Restaurants ist noch gar nicht besonders alt – sie geht im Wesentlichen auf das Frankreich gegen Ende des 18. Jahrhunderts zurück. Die Autorin Ute Cohen rollt in ihrem Buch „Der Geschmack der Freiheit“ die verschiedenen Aspekte der Kulinarik bis in die Gegenwart auf und stellt ihr Werk bei einer Lesung im Klick-Kino vor.

Einen Film gibt es dazu natürlich auch: Marco Ferreris „Das große Fressen“ (1973), in dem sich vier Herren mittleren Alters per Sex- und Fressorgien zeitnah zu Tode befördern wollen. Klappt prima. Zeitgenössisch ein Schocker (vor allem wegen der vielen Exkremente, die das „Fressen“ zwangsläufig produziert), heute ein Klassiker des Nonkonformismus (24.7., 20 Uhr, Klick Kino).

Als der deutschstämmige Regisseur Douglas Sirk – zu Zeiten seiner Theater- und Filmkarriere in Deutschland hieß er noch Detlef Sierck – in den 1950er Jahren für das Universal-Studio seine Technicolor- Melodramen drehte, erschien dies sowohl den Kollegen als auch der zeitgenössischen Kritik wie wertloser Trash.

„Women’s Pictures“ nannte man die um Frauenschicksale kreisenden Filme und meinte das durchaus abwertend. Als Erste erkannten dann spätere Nouvelle Vague-Regisseure wie François Truffaut den tatsächlich bitterbösen Blick, den Sirk in seinen Filmen auf die amerikanische Nachkriegs-Konsumgesellschaft warf.

tazplan

Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.

Als einer von Sirks besten Filmen führt „All That Heaven Allows“ (1955) in eine aufgeräumte Kleinstadt, wo sich die verwitwete Carey Scott (Jane Wyman) in ihren deutlich jüngeren Gärtner Ron Kirby (Rock Hudson) verliebt und damit bei Freunden und Verwandten auf erhebliche Ablehnung stößt.

Besonders fies verhalten sich ihre eigenen erwachsenen Kinder: Indem sie ihrer Mutter ein schlechtes Gewissen einimpfen, hintertreiben sie zunächst das Verhältnis, um ihr dann einen Fernseher zu schenken – damit sie nicht so allein ist.

Ein sich ganz offensichtlich auf Sirks Film beziehendes „Update“ schuf Todd Haynes 2002 mit „Far from Heaven“, in dem er vom vermeintlich geordneten Wohlstandsleben der Hausfrau Cathy (Julianne Moore) im 50er-Jahre-Kleinstadtmilieu erzählt und dabei der Geschichte grassierender Vorurteile noch zwei weitere „Probleme“ hinzufügt.

Denn der Gärtner, zu dem sich hier eine Beziehung anbahnt, hat eine schwarze Hautfarbe, und Cathys Gatte Frank (Dennis Quaid) ist homosexuell. Da gibt es entsprechend viel, über das sich die engstirnigen Nachbarn das Maul zerreißen können. Das Kino Arsenal zeigt beide Filme an aufeinanderfolgenden Abenden („Far from Heaven“: 19.7., 17.30 Uhr, „All That Heaven Allows“: 20.7., 17 Uhr, Arsenal).

In seinem Film „Paris, Texas“ (1984) verband Regisseur Wim Wenders vielleicht aufs Glücklichste seine Art des europäischen Kunstkinos mit der Faszination für das amerikanische Roadmovie, in dem die Reise durch die Weite der Landschaften immer auch eine Reise zu sich selbst ist. So geht es in dieser Geschichte einer gescheiterten Beziehung letztlich auch Travis (Harry Dean Stanton), der seiner große Liebe (Nastassja Kinski) noch einmal nachspürt.

Der Film wurde jetzt in 4k restauriert, zur Premiere im Freiluftkino Friedrichshain ist Wim Wenders persönlich anwesend und kann entsprechend sowohl von den Dreharbeiten als auch von der aktuellen Restaurierung erzählen (18.07., 21 Uhr, Freiluftkino Friedrichshain).

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Lars Penning
Lars Penning, geboren 1962. Studium der Publizistik, Theaterwissenschaft und der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft an der FU Berlin. Freier Filmjournalist. Buchveröffentlichungen: Cameron Diaz (2001) und Julia Roberts (2003). Zahlreiche filmhistorische und –analytische Beiträge für verschiedene Publikationen. Lebt in Berlin.
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!