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Gewalt an den EU-AußengrenzenStraflose Misshandlungen

Menschenrechtsverletzungen durch Sicherheitskräfte an den EU-Außengrenzen werden kaum untersucht, klagt die Europäische Grundrechteagentur FRA.

Bewaffnete polnische Polizisten an der Grenze zu Belarus Foto: Polnische Polizei via reuters

Berlin taz | Gewalt und Menschenrechtsverletzungen an den Europäischen Außengrenzen bleiben meist ohne juristische Folgen. Das schreibt die Europäische Grundrechteagentur FRA in einer am Dienstag vorgestellten Untersuchung. „Schwerwiegende, wiederkehrende und weit verbreitete“ Rechtsverletzungen gegen Mi­gran­t:in­nen und Flüchtlinge würden oft nicht untersucht, so die FRA. Gebe es strafrechtliche Ermittlungen, würden diese häufig „schon in der Voruntersuchungsphase eingestellt“. Die FRA (Fundamental Rights Agency) ist eine in Wien ansässige Institution der EU.

Für den Bericht hatte die FRA Dokumente nationaler Justizbehörden und Innenministerien ausgewertet sowie nationale Menschenrechtsgremien, Beratungsstellen und Rechts­an­wäl­t:in­nen in 14 EU-Staaten befragt. Dabei ging es um Vorwürfe wegen unterlassener Rettung von Menschen in Not, körperlicher Misshandlung und anderer Formen unmenschlicher und erniedrigender Behandlung.

Opfer erstatten demnach nur selten Anzeige, weil sie den Behörden misstrauen, Vergeltungsmaßnahmen fürchten oder die verfügbaren Verfahren nicht kennen. Verstöße würden oft in abgelegenen Gebieten oder bei Nacht geschehen, so dass die Beweissicherung schwierig sei.

Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe seit 2019 in fünf Fällen festgestellt, dass Behörden in Griechenland, Kroatien und Ungarn Vorfälle von Misshandlungen und Todesfällen an ihren Grenzen nicht wirksam untersuchten. Die Staaten hätten sich nur unzureichend bemüht, Opfer und Zeugen ausfindig zu machen und anzuhören, Anwälte seien bei ihrer Arbeit behindert und Zugang zu wichtigen Beweismitteln, etwa Videoaufnahmen der Grenzüberwachung, sei verweigert worden.

Polen weitet Erlaubnis zum Waffeneinsatz an der Grenze aus

Europa habe die Pflicht, alle Menschen an den Grenzen fair, respektvoll und in voller Übereinstimmung mit den Menschenrechtsvorschriften zu behandeln, sagte FRA-Direktorin Sirpa Rautio. „Dies erfordert wirksame und rechtskonforme Grenzverwaltungspraktiken, die durch unabhängige Untersuchungen von Menschenrechtsverletzungen untermauert werden.“

Unterdessen beschlossen beide Kammern des polnischen Parlaments am vergangenen Freitag, dass Grenzschützer unter bestimmten Umständen straffrei bleiben, wenn sie an der Ostgrenze des Landes Schusswaffen gegen Mi­gran­t:in­nen einsetzen und dabei „gegen die normalen Einsatzregeln verstoßen“. Waffeneinsatz ist demnach nicht nur aus Notwehr erlaubt, sondern auch, wenn „die Umstände ein solches sofortiges Eingreifen erfordern.“

„Dieses Gesetz erhöht das Sicherheitsgefühl der Soldaten, die die Grenzen Polens und der EU verteidigen“, sagte der polnische Verteidigungsminister Wladyslaw Kosiniak-Kamysz.

Marcin Wolny vom polnischen Helsinki-Komitee fürchtet, die Novelle werde dazu führen, dass Beamte, die „in flagranter Weise“ gegen die Vorschriften zum Schusswaffeneinsatz verstoßen, straffrei ausgehen. Die Straffreiheit werde auch jenen garantiert, die „mit Gummigeschossen auf schwangere Frauen oder Kinder schießen oder den Befehl zum Schusswaffengebrauch nach der Formel ‚Schießen, um zu töten‘ erteilen.“ Das werfe „grundsätzliche Zweifel auf, ob dies mit der Verfassung der Republik Polen vereinbar ist, nach der die Republik jedem Menschen den gesetzlichen Schutz des Lebens gewährt“, so das Helsinki-Komitee.

Am 6. Juni war ein polnischer Grenzschützer von einem Migranten mit einem Messer angegriffen und dabei tödlich verletzt worden. Fünf Tage später hatte Polen – wie schon im Herbst 2021 – wieder eine abgeriegelte Pufferzone entlang seiner Grenze zu Belarus eingeführt, um die irreguläre Einreise aus Belarus zu erschweren. Seit 2021 sind in dem Grenzgebiet mindestens 60 Mi­gran­t:in­nen und Flüchtlinge gestorben.

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1 Kommentar

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  • Aha, die Wert, für welche die EU und vor allen deren Mitgliedsstaaten stehen wollen, gelten nicht für alle, und vor allem, an der EU-Außengrenze werden diese Werte zu oft mit den Stiefeln getreten und mit Gewalt bekämpft.