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Deutsche OlympiabewerbungFixe olympische Idee

Die Bundesregierung will mit Olympia 2040 Versäumnisse der Vergangenheit kompensieren. Dringlicher wären Investitionen in Sportstrukturen.

Olympia: Die Erwartungen an die Spiele sind oft völlig überzogen Foto: Rainer Keuenhof/imago

E s gibt Gäste, die den Gastgeber loben. Es gibt aber auch Gastgeber, die den Gastgeber loben. „Deutschland ist eine Sportnation und ein großartiger Gastgeber für internationale Sportereignisse“, das hat Nancy Faeser, Deutschlands Innenministerin, diese Woche mit Verweis auf die Fußball-Europameisterschaft gesagt. Olympische und Paralympische Spiele seien deshalb eine große Chance für das Land.

Die Bundesregierung hatte gerade ihre Unterstützung für eine Olympiabewerbung vorzugsweise 2040 dem Deutschen Olympischen Sportbund und möglichen Bewerberkandidaten schriftlich hinterlegt. Bis zu knapp 7 Millionen Euro will man für die Kosten eines Bewerbungsverfahrens beisteuern. Gemessen an der gut halben Million Euro, die aus dem Staatshaushalt für die Flugreisen der Bundeskabinettsmitglieder zu den EM-Spielen aufgewendet werden mussten, ist das erst einmal ein sehr günstiges Bekenntnis zum Sport.

Lobenswert ist auch, dass die Bundesregierung ablässt von der fast schon wahnhaften Vorstellung einiger, nach den Nazispielen von 1936 sollten die Deutschen unbedingt 100 Jahre später am selben Ort in Berlin unter Beweis stellen, wie viel besser sie geworden sind.

Allerdings leidet das Ansinnen der Bundesregierung an einer anderen Art von Fixierung. Die Olympischen Spiele in spe sollen scheinbar all das richten, was in den vergangenen Jahrzehnten nicht auf den Weg gebracht wurde, weil es an eigenen sportpolitischen Ideen und Konzepten fehlte.

Ein singuläres Hochglanz-Ereignis mag Sportbegeisterung und Nacheifertum wecken, viel grundlegender gefördert würden diese Effekte aber, wenn nicht an Sportstätten, Schwimmbädern und Sportunterricht gespart würde. Wenn Leistungssport jenseits des Fußballs für Athleten und Trainer auch jenseits von prekären Lebensverhältnissen möglich wäre.

Spekulative Erwartungen

Erstaunlich spekulativ dagegen sind die Erwartungen, welche die Bundesregierung mit Olympischen Spielen in Deutschland verbindet. Diese „können“, so hob Faeser hervor, neben der Sportbegeisterung auch gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken und Impulse für die Wirtschaft setzen. Der Möglichkeit ist kaum zu widersprechen, Studien über vergangene Olympische Spiele weisen jedoch kaum bemerkenswerte positive ökonomische Effekte auf.

Der Gigantismuswettbewerb vergangener Olympia-Gastgeber ist zwar auch vom IOC nicht mehr gewollt, doch die dadurch eingesparten Kosten werden mittlerweile durch die horrenden Sicherheitsanforderungen konterkariert.

Und wer sich für Olympische Spiele bewirbt, muss nach der Pfeife des IOC tanzen, der die Gestaltungsräume der Gastgeber systematisch eingeengt hat. Das Wort „Knebelverträge“ hat in diesem Zusammenhang besondere Bekanntheit erlangt. Die Erwartungen an Olympische Spiele sind deshalb völlig überzogen. Kleinere Wettbewerbe wie die in München 2022 überaus erfolgreichen European Championships sind vergleichsweise vielversprechender.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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11 Kommentare

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  • "Aber die Idee von Olympia an Rhein und Ruhr hatte weiter Bestand. Und sie bekommt nun weitere Nahrung. Denn durch die Absichtserklärung der Ampel-Koalition steigen nun auch in Düsseldorf, Essen, Köln und den anderen beteiligten Städten an Rhein und Ruhr wieder die Chancen auf Olympia."



    RheinRuhr plus Kiel, das hat schon viel.



    /



    Quelle



    www1.wdr.de/nachri...rw-plaene-100.html



    /



    Schmelztiegel statt Hauptstadt, wahrscheinlich wirklich bunt und wegen der vorhandenen Infrastruktur 'prima vista' nicht unrealistisch.



    Aber "gedealt" wird ein solches Event sowieso nicht nach transparenten oder demokratischen Kriterien:



    www.deutschlandfun...tner-buch-100.html

  • die groesste und modernste Schwimmhalle in berlin fuer die oeffentlichkeit, 50m becken, 10 bahnen, wird mit stoerrischer beharrlichkeit jeden sonntag um 17 uhr geschlossen. feels like DDR. zudem hat es jahre gebraucht, bis vom badebetrieb mal ueberhaupt EINE bahn fuer schnelleres sportschwimmen reserviert wurde. was aber auch nicht kontrolliert oder reglementiert wird. in einer 4 millionen stadt. zahlreiche briefe an den senat konnten hoechstens ein ´wieso?´ erregen. klar, andere leute wollen auch mal feierabend machen.



    mit dieser einstellung zum breitensport koennen sich alle innenminister, an die auch noch der sport geklebt wurde, ihre weltoeffentlichkeitsambitionen in die haare schmieren.

  • Ich hoffe sehr, niemand meldet sich für diesen Irrsinn.



    Jede/r kann Sport machen wie er möchte, aber ohne dass alle dafür zahlen müssen.

  • Die Bundesregierung hatte gerade ihre Unterstützung für eine Olympiabewerbung vorzugsweise 2040 dem Deutschen Olympischen Sportbund und möglichen Bewerberkandidaten schriftlich hinterlegt.



    ---



    Bin mal gespannt, welche Stadt, bzw Region sich da meldet!



    Bund & die DOS werden das wohl gut finden, aber wenn das "Volk" gefragt wird.... war's das dann wohl!



    Niemals wird es in DE Mehrheiten dafür geben, während einer "Olympiade" unter die "Diktatur" des IOC's leben z müssen & dafür auch noch reichlich zu zahlen!



    Dann bewerbt Euch mal schön, doch bedenkt den Satz:



    "Stellt Euch vor es ist Olympiade & keiner will die BEI SICH haben!" :-)



    Erst danach wird dieser "Zirkus um Gewinn zu machen" wieder auf das zurückgeführt werden können, was er einmal war.



    Ein fröhliches, internationales Amateur-Sportfest! :-)

  • Ein Riesenaufwand und teuer dazu für was?



    Bringt das uns Bürger auch nur einen cm weiter?



    Man sollte vielleicht Nobelpreise so feiern, denn i.d.R. hat das ja einen absoluten Mehrwert für die Menschen.



    Aber ob nun einer mit dem Speer 85 oder 95 m weit wirft, ist doch piepegal. Wo ist der Sinn?

    • @Horst Schlichter:

      Manche Menschen fühlen sich vielleicht einfach gut unterhalten??



      Wenn Sie nicht, dann "ist doch piepegal".



      Wenn es nur danach geht, was "uns Bürger" weiterbringt, können wir natürlich alles, beispielsweise alles Kulturelle abschaffen. Nur weil sich dafür nicht alle oder die Mehrheit (oder nur Horst Schlichter) interessieren.

  • Olympiade als hoher Ritus des Sozialdarwinismus

    Die Ziel- und Zwecklosigkeit sportiven Wetteiferns wird nur noch durch die mediale Begeisterung für sich wiederholende Bilder und Phrasen übertroffen. Beim Sport, so heißt es, lerne man für das Leben. Mit gesundem Sport oder friedlichem Völkerfest hat Olympia genauso wenig zu tun, wie jede andere Materialschlacht zwischen Staaten, Unternehmen und Selbstdarstellern. Die Marktwirtschaft ist die Fortsetzung des Krieges mit friedlichen Mitteln, Leistungssport und andere Wettbewerbe sind ihr religiöser Kult. Hier wird trainiert, dass Äußerste zu geben, für dich, deine Firma, dein Land, wachsenden Wohlstand. Hinter der großen Inszenierung mit viel Pathos und anderen Emotionen stecken die realen Partikularinteressen von SportlerInnen, Verbänden, Medien, Unternehmen und Politik. Wenn man den Leuten weiß machen kann, das Leben ist Kampf, dann kann man daran auch gleicht gut verdienen.

    Bleibt nur zu hoffen, dass Mitmenschen sich gegen ein weiteres Olympiaspektakel wehren.

    • @Stoersender:

      Ich denke, was die Leistungs-Idee im deutschen Sport angeht, können Sie mal halblang machen. Die Zahl der Medaillen in den olympischen Sportarten ist in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich zurückgegangen. Wo man einmal glänzend dastand (Leichtathletik, Rudern, Biathlon), hat man größtenteils den Anschluss an die Weltspitze verloren.



      Im Fußball treibt der DFB mit dem neuen Kinder- und Jugendkonzept jungen Menschen jeglichen Leistungsgedanken aus.



      Vielleicht ist eine WM im "Mensch-ärgere-Dich-nicht" oder Gummihopsen besser, also weniger "sozialdarwinistisch"?

  • „… Kleinere Wettbewerbe wie die in München 2022 überaus erfolgreichen European Championships sind vergleichsweise vielversprechender….“



    Genau solche Veranstaltungen könnten ein Gegengewicht zum und eine Bremse für den ausufernden Gigantismus sein.



    Wenn eine Bewerbung schon Millionen kostet, wird doch schon die ganze Perversität solch eines Vorhabens deutlich.



    Diese Millionen wären als Investition in Jugendsport besser aufgehoben.

  • Hilfe, schon wieder ein Leuchtturmprojekt.



    Davon gibt es mehr als genug:



    - Elbphilharmonie



    - BER



    - Stuttgart 21



    - Heizungswende



    - ...

    Super, um sich ins rechte Licht zu rücken. Hinterher sind die Kassen leer, und alle schauen in die Röhre. Wen kümmert's?

    • @Carsten S.:

      Die Heizungswende ist kein Leuchtturmprojekt sondern genau das Gegenteil...

      Kluge langfristige Politik die sich nicht von Union und Gas-Lobby verrückt machen lässt. Dänemark hat es schon in den 70ern begonnen. Deutschland brauchte erst Scholz, Habeck und Geywitz damit es klappt. Wärmepumpen, Infrarot, Nahwärme, Fernwärme, usw. Alles keine Leuchttürme.

      Gas- und Ölheizungen laufen langsam aber sicher aus, sehr gut.