Japan und seine Streitkräfte: Militär versinkt im Skandalsumpf

Die japanische Regierung plant höhere Verteidigungsausgaben. Doch laxe Disziplin und Moral im Militär schwächen die Unterstützung.

Anti-U-Boot-Hubschrauber auf dem japanischen Hubschrauberträger JS Izumo im Juli 2019

Japans Marine steht im Zentrum vieler Skandale: Anti-U-Boot-Hubschrauber auf dem japanischen Hubschrauberträger JS Izumo Foto: Emily Wang/AP/dpa

TOKIO taz | Nach einer Reihe von Skandalen hat Japans Verteidigungsministerium den Austausch des Chefs der Marine zum 19. Juli angekündigt und Disziplinarmaßnahmen gegen über 200 Soldaten und Zivilisten verhängt. Diese größte Verfehlungsserie seit Jahren ist peinlich für Premierminister Fumio Kishida. Er will Japans offiziell Selbstverteidigungsstreitkräfte (SDF) genanntes Militär durch zusätzliche Waffenkäufe für Konflikte mit China und Nordkorea stärken.

„Diese inakzeptablen Probleme haben das öffentliche Vertrauen untergraben“, erklärte Verteidigungsminister Minoru Kihara. Insgesamt wurden 220 Strafen verhängt. Elf Personen wurden entlassen, zwei degradiert, 83 suspendiert, 14 bekamen Gehaltskürzungen und sieben erhielten einen formellen Verweis, der Rest wurde ermahnt oder verwarnt.

Bei der Hälfte der Vergehen ging es um Disziplinlosigkeit im Umgang mit Geheiminformationen. So erhielten etwa viele Personen ohne Sicherheitsfreigabe Zugang zu Daten über die Bewegung von Kriegsschiffen. „Solch schlampiges Informations-Management ist ein ernstes Problem der nationalen Sicherheit“, klagte die liberale Zeitung Mainichi.

Die kleineren Vergehen zeugen von laxer Moral: Dutzende Marinetaucher beanspruchten Gefahrenzulagen von umgerechnet insgesamt 250.000 Euro für Aufgaben, die sie gar nicht wahrgenommen hatten.

„Führung und Einhaltung von Vorschriften mangelhaft“

Vorgesetzte schüchterten Untergebene ein, obwohl es zu einer Sonderuntersuchung gekommen war, nachdem drei Offiziere im Jahr 2021 wegen sexueller Belästigung einer Soldatin verurteilt worden waren. Marineangehörige gingen in Kantinen von Stützpunkten unberechtigt kostenlos essen.

Außerdem läuft eine Sonderinspektion, wonach der Rüstungszulieferer Kawasaki Heavy Industries U-Boot-Besatzungen mit Elektronikwaren und Biergutscheinen geschmiert haben soll.

Der Stabschef der Marine, Ryo Sakai, sollte mit einer Gehaltskürzung davonkommen, reichte aber seinen Rücktritt ein, da der Schwerpunkt der Vorfälle bei den Seestreitkräften liegt. Als Ursachen nannte er die „mangelnde Beachtung der Vorschriften bei den Truppen und die mangelnde Führungsfähigkeit in der Organisation“.

Vizeadmiral Akira Saito rückt am 19. Juli auf Sakais Posten. Gerügt wurden auch Vizeverteidigungsminister Kazuo Masuda und General Yoshihide Yoshida, Chef des Generalstabs des Ministeriums. Minister Kihara verzichtet freiwillig auf ein Monatsgehalt.

Regierungschef zeigt sich zerknirscht

Premier Kishida stellte sich hinter seinen Verteidigungsminister und entschuldigte sich. „Ich erkenne an, dass die Situation extrem ernst ist und verstehe, dass es in diesem Zusammenhang keinen Raum für Fehler gibt“, sagte der Regierungschef.

Die Vorfälle gefährden seine Politik, die Verteidigungsausgaben bis 2027 auf 2 Prozent des Bruttoinlandproduktes zu verdoppeln. „Wenn die SDF weiterhin von diesen Problemen geplagt wird, ist es unwahrscheinlich, dass die Öffentlichkeit den Vorschlag der Regierung unterstützt, die Verteidigungsausgaben drastisch zu erhöhen, ganz zu schweigen von Steuererhöhungen zur Finanzierung“, meinte die liberale Zeitung Asahi.

Bisher hat Kishida es vermieden, sich auf den Zeitpunkt von Steuererhöhungen festzulegen, mit denen er die Extraausgaben finanzieren will. Laut dem neuen Verteidigungsweißbuch hat die Regierung 42 Prozent der benötigten 43,3 Billionen Yen (250 Milliarden Euro) für zusätzliche Rüstungsprojekte sichergestellt.

Bei Japans Verbündeten wiederum dürften frühere Zweifel wieder zunehmen, ob man Japan bei der geplanten Verstärkung der militärischen Kooperation sensible Daten anvertrauen kann. So wollen Japan und die USA bis Anfang 2025 eine gemeinsame Einsatzzentrale einrichten, um eine integrierte Führung der japanischen Streitkräfte auch in Friedenszeiten zu ermöglichen.

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