Krieg in der Ukraine: Massive Angriffswelle auf Kyjiw

Durch russischen Raketenbeschuss werden am Montag in der Ukraine mindestens 31 Menschen getötet. Auch eine Kinderklinik in Kyjiw ist Angriffsziel.

Ein größeres Kind kümmert sich um ein kleineres Kind im Kinderwagen, drumherum Trümmerteile.

Russischer Angriff auf eine Kinderklinik in Kyjiw am 8. Juli Foto: Evgeniy Maloletka/ap

Anmerkung der Redaktion: Dieser wurde um 16.30 Uhr aktualisiert.

KYJIW taz | Zum ersten Mal seit Wochen sind in Kyjiw wieder viele Gebäude – und Menschen – erzittert. Längst hat man sich in der ukrainischen Hauptstadt an die fast täglich heulenden Sirenen gewöhnt und gelernt, sich davon nicht mehr aus der Ruhe bringen zu lassen. Denn die letzten Warnungen per Sirenen und App waren folgenlos geblieben.

Nicht so an diesem Montagvormittag. In mehreren Stadtteilen krachte es fürchterlich. Wer sich gerade auf der Straße aufhielt, rannte um sein Leben. Die Angriffe, so berichtete die ukrainische Luftwaffe, seien mit ballistischen Raketen und Marschflugkörpern ausgeführt worden. Um 16.15 Uhr Ortszeit meldete das offizielle Portal der Militärverwaltung von Kyjiw 19 Tote und 53 Verletzte. Landesweit waren insgesamt mindestens 31 Tote zu beklagen.

Auch Hyperschall-Raketen vom Typ Kinschal sollen eingesetzt worden sein. Sie gelten als Russlands stärkste Waffe. Der Autor dieses Textes suchte mit einem kleinen Hocker, Notebook und Smartphone in der Hand in seiner Wohnung die Stelle auf, an der die Wände am dicksten sind. Hier hat das Mobiltelefon häufig keinen Empfang. Dann, nach einer Stunde, war alles vorbei. Vorerst.

Dann, nach einer Stunde, war alles vorbei. Vorerst. 40 Raketen seien am Montagvormittag auf die Ukraine abgefeuert worden, berichtete Präsident Wolodymyr Selenskyj. Fünf strategische Bomber vom Typ Tu-95 und ein Kampfjet vom Typ MiG-31K hätten die tödliche Fracht über der Ukraine abgeworfen, berichtete das Portal obozrevatel.com. Doch am frühen Nachmittag schlug die russische Luftwaffe ein zweites Mal zu. Dabei verloren sieben Menschen ihr Leben, berichtete das Portal korrespondent.net unter Berufung auf den ukrainischen Generalstaatsanwalt.

Schäden nur teilweise bekannt

Die Öffentlichkeit kennt inzwischen die Telegram-Kanäle, die zuverlässig über den Beginn und das Ende einer Bedrohung aus der Luft informieren. Die Schäden der jüngsten russischen Luftangriffe sind bisher jedoch nur teilweise bekannt.

So wurde in Kyjiw ein Gebäude der Kinderklinik „Ochmatdit“ beschädigt, über die die taz vor zwei Jahren berichtete. In einem anderen Viertel der ukrainischen Hauptstadt wurde ein halbes Haus vernichtet, so der Telegram-Kanal Trucha, der auch über weitere Brände und Zerstörungen in Kyjiw berichtet. „Uns fehlen die Worte“, kommentiert Trucha Bilder eines brennenden Gebäudes der Kinderklinik. „Das ist die Klinik, die jeden Tag hunderten schwerkranken Kindern das Leben rettet.“

Wenig später machten Videos eines blutenden Kindes, von kleinen Patienten, die weinend an ihrem Tropf vor den Trümmern ins Leere starren und Menschen, die Trümmer der Kinderklinik beseitigen, die Runde. Besonders hart traf es die Umgebung der U-Bahn-Station Lukjanowskaja. Auf Videos sind riesige Rauchwolken zu sehen.

Russland habe die Ukraine beschossen, als die meisten Menschen auf der Straße waren, so der Chef der Präsidialadministration, Andriy Yermak. „Diese Wahnsinnigen, diese russischen Terroristen. Der Beschuss richtete sich gegen Zivilisten und die Infrastruktur. Die ganze Welt sollte heute die Folgen des Terrors sehen, auf den man nur mit Gewalt antworten kann“, schrieb Yermak.

Dutzende Tote und noch mehr Verletzte

In sechs Stadtteilen der Hauptstadt finden sich Trümmer, beschädigte Büros, brennende Gebäude, auch in Wohngebieten. Ein Video zeigt ein mehrstöckiges Haus, dessen oberste Etage weggebombt worden war. Auch in anderen ukrainischen Städten gab es Opfer. In Kriwij Rih kamen zehn Menschen bei einem Luftangriff ums Leben, 31 weitere wurden verletzt. Nach Angaben des Innenministeriums seien mindestens 20 Menschen getötet und rund 50 verletzt worden.

In Dnipro wurden beim Beschuss eines mehrstöckigen Gebäudes ein Geschäft und eine Tankstelle beschädigt. Es gab Verletzte. Mindestens drei Menschen wurden bei einem russischen Raketenangriff auf die Stadt Pokrowsk im Osten der Ukraine getötet.

Auch im russischen Gebiet Belgorod gab es Verletzte nach einem Luftangriff. In der Ortschaft Wosnesenowka wurde ein Busfahrer bei einem Drohnenangriff verletzt, berichtete der Gouverneur des Gebietes Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, auf seinem Telegram-Kanal.

Selenskyj will Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates

Unterdessen hat Präsident Selenskyj bei einem Briefing in Warschau erklärt, dass die Ukraine nach dem russischen Angriff auf die Kinderklinik Ochmatdet und eine weitere medizinische Einrichtung in der ukrainischen Hauptstadt Kyjiw eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates einberufen wolle. Die Ukraine, so Selenskyj, werde „den Unmenschen aus der Russischen Föderation eine Antwort zukommen lassen“.

An Rache denkt man auch beim Inlandsgeheimdienst SBU. „Der SBU wird alles tun, um den Feind für jedes seiner Kriegsverbrechen die größtmögliche Vergeltung spüren zu lassen. Das gilt auch für den heutigen Schlag gegen die Ukraine. Die Vergeltung wird sowohl im Einklang mit dem Gesetz als auch mit der Moral erfolgen. Ein terroristischer Staat ist nichts Abstraktes. Vielmehr stehen ganz konkrete Namen von Mördern dahinter“, zitiert der Telegram-Kanal des SBU dessen Chef Vasyl Malyuk.

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