Bezahlkarte für Geflüchtete: Schon das erste „Ja“ war falsch

Auch in Berlin soll die Bezahlkarte wohl Bargeld für Geflüchtete begrenzen. Die Sozialsenatorin hätte schon dem Prüfverfahren nicht zustimmen dürfen.

Ein 50-Euro-Schein

50 Euro pro Monat sollen Geflüchtete in Zukunft an Bargeld bekommen. Der Rest ihrer Leistungen ist nur mit Karte verfügbar Foto: Boris Roessler / dpa

Im Januar stand Sozialsenatorin Cancel Kiziltepe (SPD) vor einer wichtigen Frage: ob auch Berlin sich mit anderen Bundesländern an einem Vergabeverfahren für eine Bezahlkarte für Geflüchtete beteiligen soll. Damit wollten die Länder ausloten, unter welchen Bedingungen und in welcher Ausgestaltung so eine Karte eingeführt werden könnte. Die Mi­nis­ter­prä­si­den­t*in­nen hatten sich einige Monate davor auf eine solche Karte verständigt, die Stoßrichtung war damals schon klar: Wenn es kein Bargeld mehr gibt, verhindert das angeblich Fluchtanreize. Vorstellungen, die längst mehrfach widerlegt sind.

Die Sozialsenatorin stimmte zu: Eine Bezahlkarte könnte den Verwaltungsaufwand reduzieren. „Aus Berliner Sicht ist dabei insbesondere die Berücksichtigung von Mindeststandards wie zum Beispiel der Stigmatisierungsfreiheit oder der Möglichkeit individueller Betragsgrenzen zur Barauszahlung von besonderer Bedeutung“, hieß es damals vom Senat. Klar war: Die Verantwortung für die Karte sollte weiter bei der Sozialverwaltung liegen.

Und nun? Muss die Senatorin die Konsequenzen ihrer damaligen Zustimmung wieder einfangen. Denn der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hat anscheinend andere Pläne: Beim Treffen der Mi­nis­ter­prä­si­den­t*in­nen im Juni stimmte Wegner der dortigen Verständigung zu, dass mit der Karte Bargeldauszahlungen auf 50 Euro pro Monat begrenzt werden sollen. Anders als andere Ministerpräsidenten fügte er nicht mal eine Protokollnotiz hinzu, dass Berlin sich auch andere Ausgestaltungen vorstellen könnte.

Kiziltepe beeilt sich nun, zu bekräftigen, dass das nicht ihrer Vorstellung entspreche. Die „unsägliche Debatte“ um die Bargeldhöhe verfolge sie „mit Sorge“, erklärte die Senatorin. Kein einziges Problem werde dadurch gelöst. Auch weiterhin müssten geflüchtete Menschen in Berlin „das Geld, das ihnen zusteht, zu 100 Prozent selbstbestimmt und ohne Reglementierung verwenden können“. Allein schon durch Einkäufe auf – günstigeren – Wochen- oder Flohmärkten seien sie „mehr als andere auf Bargeld angewiesen“.

Basiskonto wäre die Lösung

In der Koalition könnte das auf einen Konflikt hinauslaufen – und Kiziltepe steht vor einem Problem. Das hat sie sich allerdings bereits mit ihrer ersten Zustimmung eingehandelt. Denn schon damals waren alle Argumente für die Bezahlkarte an den Haaren herbeigezogen, auch die von ihr so hochgehängte Idee, dass die Verwaltung entlastet werden könnte.

Denn bereits jetzt gibt es das Basiskonto, über das auch Geflüchteten direkt Leistungen überwiesen werden könnten. Sie haben dann eine normale, stigmatisierungsfreie Bankkarte und ein Konto, das grundsätzlich kann, was ein Konto können sollte. Zudem kostet das Basiskonto Berlin keinen Cent – während für eine Bezahlkarte schon im Vergabeverfahren immense Kosten an die private Dienstleistungsfirma anfallen und auch der spätere Betrieb des Systems nicht umsonst zu haben sein wird. Und: Es wird ein System etabliert, dass sowohl die Länder als auch wechselnde Regierungen mal mehr, mal weniger restriktiv ausgestalten können.

Es hätte Kiziltepe auch eine Warnung sein können, wie Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke – ebenfalls SPD – die Bedenken der dortigen grünen Sozialministern Ursula Nonnemacher abgeräumt hatte: Indem er nämlich die Zuständigkeit für die Karte einfach an sich zog. Nonnemacher konnte seitdem nur noch wiederholt betonen, dass sie die Karte so nicht gewollt habe.

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