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Ökonom zur Schuldenbremse„Bundesregierung schränkt sich ein“

Christian Lindners Berater begründe die Schuldenbremse mit einer falschen Methode, sagt der Ökonom Leonard Mühlenweg. Folge ist ein Ausgabenverzicht.

Nicht genug Geld: Die Ampelregierung verhandelt derzeit hart über den Bundeshaushalt Foto: Oliver Berg/dpa
Simon Poelchau
Interview von Simon Poelchau

taz: Herr Mühlenweg, die Ampel-Koalition hat sich nach zähen Verhandlungen auf den Haushalt 2025 geeinigt. Das Ziel von Finanzminister Christian Lindner (FDP) war dabei stets, gleichzeitig die Schuldenbremse einzuhalten und in die Zukunft zu investieren. Ist das überhaupt möglich?

Im Interview: Leonard Mühlenweg

ist Junior Economist beim Dezernat Zukunft. Der Thinktank hat das Ziel, Geld-, Finanz- und Wirtschaftspolitik neu zu denken.

Leonard Mühlenweg: Die Bundesregierung schränkt sich mit der Schuldenbremse sehr stark ein. Am Ende musste sie auf Ausgaben verzichten. Da besteht die Gefahr, dass dies auch notwendige Investitionen trifft.

Lindners wichtigster ökonomischer Berater, Lars Feld, hat jüngst im Auftrag der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung eine Studie erstellt, derzufolge die Schuldenbremse sich nicht negativ auf die öffentlichen Investitionen ausgewirkt habe…

Bei dieser Studie bewegt sich Lars Feld methodisch auf sehr dünnem Eis. Die genutzte Synthetische Kontrollmethode ist so nicht geeignet, um zu zeigen, dass die Schuldenbremse keine Investitionsbremse ist. Gleichzeitig legen andere Studien nahe, dass strenge Schuldenregeln durchaus zu weniger öffentlichen Investitionen führen können.

Kli­ma­wis­sen­schaft­le­r*in­nen wenden in Attributionsstudien ähnliche Methoden an. Was ist daran falsch?

In anderen Fragestellungen ist die Methode sicherlich gut anwendbar. Gerade, wenn man sich größere volkswirtschaftliche Zusammenhänge anschaut, sollte man allerdings vorsichtig sein. Bei der von Lars Feld angewendeten Methode vergleicht man das tatsächliche Deutschland mit einem hypothetischen Deutschland ohne Schuldenbremse, welches aus anderen Ländern zusammengesetzt wird. Dabei hat man, wie bei jeder empirischen Methode, Annahmen, die erfüllt sein müssen. Dies ist bei der Studie von Feld allerdings ziemlich sicher nicht der Fall.

Warum?

Die Methode nimmt beispielsweise an, dass es sogenannte Spill-Over-Effekte nicht gibt. Dass es also keinerlei Auswirkungen auf andere Länder gibt, wenn Deutschland aufgrund der Schuldenbremse spart. Zudem haben auch Länder in der Kontrollgruppe im Beobachtungszeitraum Schuldenregeln eingeführt, was die Ergebnisse verzerrt. Das ist so, als würden Sie zwei Patienten vergleichen, die ungefähr das gleiche Medikament bekommen haben und überrascht feststellen, dass ihr Krankheitsverlauf recht ähnlich war. Man kann auf Basis dieser Studie daher nur schlecht sagen, welchen Effekt die Schuldenbremse tatsächlich auf die deutsche Investitionstätigkeit hatte.

In der Kontrollgruppe, also den Ländern, aus denen das hypothetische Deutschland gebastelt wurde, sind auch Italien und Spanien. Zwei Länder, die im Vergleich zu Deutschland stark unter der Eurokrise gelitten haben. Ist das nicht auch ein Problem der Studie?

Dieses Problem kommt hinzu. Lars Feld hat in seiner Studie die Strukturbrüche aufgrund der Eurokrise komplett vernachlässigt. Insbesondere bei Italien, das teilweise ein großes Gewicht bei der Modellierung seines hypothetischen Deutschlands hatte, geht er implizit davon aus, dass es sowohl vor als auch nach der Einführung der Schuldenbremse Deutschland sehr ähnelte, was unplausibel ist, da die beiden Länder sehr unterschiedliche von der Eurokrise getroffen wurden.

Wenn also die positiven Auswirkungen der derzeitigen Schuldenbremse fraglich sind und die negativen offensichtlich, wie würden Sie dann die Schuldenbremse reformieren?

Es gibt bereits viele gute Ideen, von der Anpassung der Konjunkturkomponente, über Ausnahmen für Investitionen, bis hin zu einem im Grundgesetz festgelegten Sondervermögen für Investitionen in Infrastruktur und Transformation. Doch letztlich geht es bei einer Reform auch um das politisch Machbare. Und dafür sind SPD und Grüne auch auf die Stimmen der Union angewiesen. Am Ende sollte man pragmatisch sein, denn viele der Optionen sind eine Verbesserung zum Status Quo.

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5 Kommentare

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  • Lindner ist der Bremskeil unter dem Ampel-Zug. Wenn man nur wüsste wohin der fährt, wenn man ihn wegnimmt. Und ob da überhaupt ein Lokführer ist.

  • Aus 1929 nix gelernt?



    Da waren die Rechten ebenfalls auf dem Vormarsch. Und man wollte sich aus der Krise sparen. Damals wusste man es nicht besser. Das Ergebnis ist bekannt. Die Ausrede gilt nicht mehr.

  • Die Schuldenbremse hindert Politiker daran, mehr Geld auszugeben als sie haben.



    Wie notwendig sie ist zeigt sich schon daran, wie viele Leute an ihr sägen wollen.

  • taz: *Das Ziel von Finanzminister Christian Lindner (FDP) war dabei stets, gleichzeitig die Schuldenbremse einzuhalten und in die Zukunft zu investieren.*

    Natürlich investiert Christian Lindner (FDP) in die Zukunft, und zwar in seine eigene Zukunft. Lindner und seine FDP hatten doch nie vor, etwas positives in der Ampel und damit für die Bürger zu machen. Der FDP ging/geht es nur um die Demontage der SPD und den Grünen, und das hat "Porsche-Sylt-Christian" ja auch schon fast geschafft. SPD und Grüne hätten niemals mit der FDP koalieren dürfen, die besonders alle Klimaschutzmaßnahmen der Grünen von Anfang an torpediert hat.

    "Der frühere Wirtschaftsweise und Neoliberale Lars Feld wird Berater von FDP-Finanzminister Lindner. Die Koalitionspartner sind wenig erfreut." [taz, 14.02.2022]

    Wie gesagt, die FDP macht was sie will und hat sich dann auch noch diesen in der Privatwirtschaft bestens vernetzten und 'durch und durch' neoliberalen Menschen ins Boot geholt. Christian Lindner und Lars Feld werden die rot-grünen Lichter in der Ampel wohl bald "ausgeknipst" haben.

    ***Kabarettist Hagen Rether über Christian Lindner*** www.youtube.com/watch?v=iRkvDKUzwdg

  • Schnackeldackel …ok ok …paschd scho.…



    & Däh - wat denn nu?!=>



    “Am Ende sollte man pragmatisch sein, denn viele der Optionen sind eine Verbesserung zum Status Quo.“

    kurz - schade - das zum Abschluß hätt ich ja denn dochn bisken genauer gewusst! Wollnich