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Zaun um den Görlitzer ParkDas Machtsymbol materialisiert sich

Der Zaunbau am Görlitzer Park soll schon in zwei Wochen starten. Für das Schließ-Management rechnet der Senat mit Kosten von 800.000 Euro jährlich.

Neben den Dealern eine Hauptbesuchergruppe des Görli: PolizistInnen Foto: IMAGO / Jürgen Held

Berlin taz | Ein Jahr nach der mutmaßlichen Gruppenvergewaltigung im Görlitzer Park, neun Monate nach dem „Berliner Sicherheitsgipfel“ und vier Monate nach Vorlage eines Maßnahmenpakets durch den Senat steht der Baubeginn des Zauns um die Kreuzberger Grünanlage unmittelbar bevor. Genauer: „Bis Mitte Juli“ werde der 220 Meter lange „Lückenschluss“ realisiert, der die existierende Mauer um das Gelände ergänzen soll. Das teilte die Senatsumweltverwaltung auf Anfrage der Linken mit. In der Antwort, die der taz vorliegt, heißt es zudem, für das „Ende des 3. Quartals“ sei der Bau von Toren in den Parkzugängen vorgesehen.

Wie aus der Antwort von Umweltstaatssekretärin Britta Behrendt auf die Anfrage der Abgeordneten Elif Eralp und Niklas Schenker hervorgeht, hat der Senat die landeseigene Grün Berlin GmbH mit der sogenannten Umfriedung beauftragt. Im Juni sei „die Entwurfsplanung abgeschlossen und eine Bauplanungsunterlage zur Prüfung eingereicht“ worden. Für den Lückenschluss – zwei Teilstrecken an der Wiener Straße, eine neben dem Cabuwazi-Zirkus, die andere an der Ecke zum Görlitzer Ufer –, sei bereits ein Planungsbüro beauftragt worden. Der Baustart bei den „Eingangssituationen“ sei noch von der weiteren Planung abhängig.

Wie berichtet, soll die Umzäunung und nächtliche Schließung des Parks gegen den Willen des Bezirks realisiert werden. Neben dem Bezirksamt hatte sich auch die BVV Friedrichshain-Kreuzberg mit großer Mehrheit gegen das umstrittene Vorhaben positioniert. Erst vor drei Wochen klagte der Bezirk vor dem Verwaltungsgericht dagegen, dass der Senat die Maßnahme unter Nutzung des Eingriffsrechts gemäß dem Allgemeinen Zuständigkeitsgesetz (AZG) an sich gezogen hat.

Wie das Bezirksamt bezweifeln auch die Linken-Parlamentarier Eralp und Schenker, dass der Senat rechtmäßig Gebrauch von dieser Ausnahmeregelung gemacht hat. In ihrer Anfrage wollen sie von der federführenden Umweltverwaltung wissen, was das „dringende Gesamtinteresse Berlins“ sein soll, das laut § 13 AZG von der Weigerung des Bezirks beeinträchtigt wird.

Die Staatssekretärin antwortet darauf, der „gesamtstädtische Bezug des Kriminalitätsschwerpunktes Görlitzer Park“ bestehe „insbesondere in der (…) bezirksübergreifenden Ausstrahlungswirkung und stadtweiten Bedeutung“. Der Park habe sich „über Jahre zu einem zentralen Anlaufpunkt Berlins entwickelt“, und die „dort bestehenden Gefahren“ gingen „weit über eine rein bezirkliche Wirkung hinaus“.

Kriminalistische Hypothesen

Eralp und Schenker wollten auch wissen, welche „kriminalistische Hypothese“ der Überlegung zugrunde liege, das nächtliche Abschließen eines einzelnen Parks könne stadtweit zur Verringerung des Drogenhandels und dessen Begleitkriminalität führen. Behrendt antwortet darauf, es handele sich lediglich um einen Bestandteil einer gesamtstädtischen Strategie mit 30 Maßnahmen.

Die Schließung zur Nachtzeit diene der „Eindämmung von Betäubungsmittel- und einhergehende Gewalt- und Eigentumsdelikten“, denn sie führe zu einem „wesentlichen Wegfall der Tatgelegenheitsstruktur“. Der Görlitzer Park sei „durch seine Struktur und eine dort über Jahrzehnte etablierte Drogenszene eine straftatenbegünstigende Örtlichkeit“ und weise im Vergleich aller Grünanlagen Berlins die meisten Straftaten auf.

Die Linken-PolitikerInnen halten diese Begründung für „äußerst dünn“, zumal der Senat die höhere Rate an Straftaten gegenüber anderen Grünanlagen nicht einmal mit einer Vergleichsstatistik belege. Ihnen zufolge finden zudem über 75 Prozent der Straftaten Görlitzer Park tagsüber statt. Und „nur 3 Prozent der im sogenannten kriminalitätsbelasteten Ort ‚Görlitzer Park/Wrangelkiez‘ erfassten Taten“ würden im Park selbst begangen. Der Zaun und die geplante „Verpolizeilichung“ seien „reine Symbolpolitik“. Eralp und Schenker kritisieren darüber hinaus, dass der Senat die Umzäunung in Auftrag gegeben habe, ohne das Urteil des Verwaltungsgerichts abzuwarten.

Aber auch die laufenden Kosten der nächtlichen Schließung und deren Überwachung, die Behrendt mit jährlich 800.000 Euro angibt, halten sie unangemessen hoch. Das sei „eine Menge Geld, die der Senat für dieses Machtsymbol ausgeben“ wolle. „Angesichts der Haushaltssituation ist das komplett unverantwortlich.“

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21 Kommentare

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  • Man sollte sich immer wieder die Geschichte hinter dem Zaun vergegenwärtigen:

    Aus einer vermeintlichen Vergewaltigung, die so offensichtlich gar nicht statt gefunden hat, fährt die CDU zusammen mit der Boulevardpresse ein Kampagne, dass der Görlitzer Park ein Vergewaltigungshotspot ist und umzäunt gehört. Das stellt sich schließlich als Fake News raus, sodass schließlich Dealer für das Projekt herhalten müssen.

    Oder kurz: Es geht der CDU nur um das Umzäunen. Damit wird nicht ein einziges Problem gelöst. Im Gegenteil, es bindet Geld was an anderer Stelle viel nötiger gebraucht wird.







    Und am Ende wird der Zaun eh wieder eingerissen.

  • Absurd, was ist mit den Anwohnern die spät/nachts bisher den Park in 2-3 Minuten queren konnten um vom Reichenberger in den Wrangel und vice versa zu kommen? Die sollen nun am Görlitzer Ufer langlaufen bzw Spreewaldplatz. Fünf Mal so lange Strecke und erst recht nicht vertrauenserweckend. Aber wer das beschließt, wohnt sowieso nicht im Kiez ...

  • Dieser merkwürdigen Logik folgend müsste man eigentlich einen Zaun um ganz Berlin machen.



    Ich würde mal sagen, dass die Drogenpolitik in Berlin total versagt hat und der Zaun daran gar nichts ändern wird. Dann wird eben ein anderer Park zum Hotspot.

  • Der Bezirk, völlig überfordert damit, derVerrohung und Verwahrlosung des öffentlichen Raums durch die Drogenszene in irgendeiner Weise entgegenzuwirken, mobilisiert trotzig Widerstand und lässt damit alle im Stich, die keine Lust auf Gefährdung ihrer Kinder durch Müll und Spritzen haben. Die öffentlichen Toiletten werden als Junkie- Behausung missbraucht, Haustüren eingetreten und in den Fluren konsumiert, uriniert und randaliert. Kitas können den Park nicht mehr nutzen. Warum nicht den Park umgestalten, statt diese Zuständen stoisch auszuhalten? Andere Parks, wie z.Bsp. das Tempelhofer Feld werden auch nachts abgeschlossen,das funktioniert problemlos. Das Argument, daß sich dann das Problemklientel in die anliegenden Kieze verteilt, überzeugt nicht, das ist sowieso schon so und wird ja mit zusätzlichen Maßnahmen angegangen.

    • @Ava Bopp:

      Mir ist als Anwohnender bewusst, dass es im Wrangelkiez eine Menge von Zumutungen gibt, Dazu gehörend die o.g. Probleme. Ein paar Dinge möchte ich aber kritisch anmerken:

      1. Der Vergleich mit den Tempelhofer Feld ist irreführend, weil damit überhaupt nicht festgestellt werden kann, ob durch das Abschliessen o.g. Probleme eingedämmt werden konnten oder nicht. Es gibt schlichtweg keine validen Erfahrungswerte mit einem offenen Tempelhofer Feld mit offener Drogenszene.

      2. Nirgendwo wurde behauptet, dass in den Straßen des Wrangelkiezes keine (wie Sie es nennen) "Problemklientel" anwesend sei. Die in meinen Augen berechtigte Befürchtung der Zaungegner*innen ist, dass eine nächtliche Schließung des Parks noch mehr Probleme in den Straßen, Hauseingängen und Hausfluren schafft, als es bereits gibt.

      3. Die Wall-Toilette in der Falckensteinstraße ist seit einiger Zeit geschlossen. Nach langem Druck der Anwohnenden, ich weiß.

      4. Der Park wird von Kitas genutzt und zwar regelmäßig. Ich bin heute (wie fast jeden Tag) durch den Park gelaufen und habe ca. 50 spielende Kinder mit Betreuer*innen inkl. Sprinter mit mobilem Spielgerät passiert. Die sehe ich dort regelmäßig.

  • Das Argument gegen Einzäunung und harte Kante ist immer, dass es sich um populistische Versprechen handelt. Die Linken und Linksliberalen Stadtregierungen in anderen Großstädten Europas beweisen, dass Durchgreifen möglich ist, auch mit Brutalität. Warschau, Prag, Paris, Hamburg.

    • @Eckhard Hanseat52:

      und? was ist das ergebnis des von ihnen auch in berlin herbeigesehnten "brutalen" durchgreifens in hamburg, paris, prag und warschau? gitb es dort noch probleme mit drogenkriminalität oder nicht?

      mir kommt bei hamburg als erstes inerinnerung, dass dort ein mensch durch den vom heutigen bundeskanzler legitimierten brechmitteleinsatz zum zwecke der sicherstellung von kleinstmengen an drogen getötet worden ist.

      • @Pflasterstrand:

        Was meinen Sie, wie viel Blut an einem Gramm Kokain klebt.

        Ich hab nie begriffen, warum Heerscharen von Hipstern, die sich vegan ernähren und organic Fashion tragen, nicht das geringste dabei finden, sich eine Droge mit einer unfassbar schrecklichen Menschenrechtsbilanz reinzuziehen.

        • @Suryo:

          Sie haben recht: an einem gramm kokain klebt eine menge blut. Sie sollten aber mal der tatsache ins auge sehen, dass über 40 jahre "war on drugs" mittels restriktiver und repressiver politiken, die macht der kartelle gestärkt und nicht geschwächt haben. die nachfrage ist nicht nur unter hipstern, sondern in allen bevölkerungsgruppe groß und die zuletzt beschlagnahmten mengen, die keinerlei einfluss auf die straßenpreise gehabt haben, zeigen es deutlich: es wird so viel kokain nach europa eingeführt, wie nie zuvor in der geschichte des organisierten verbrechens.

          "brutal" durchgegriffen wird – kein wunder angesichts der ökonomischen macht und des damit verbundenen politischen einflusses der kartelle, deren finanzkraft die jahresetats so mancher industrienation weit übersteigen – auf der straße. bei den ärmsten der armen, oft geflüchtete menschen aus bürgerkriegsländern ohne papiere und arbeitserlaubnis, die sich als dealer und pusher mehr schlecht als recht über wasser halten.

          abschlußfrage: wenn man diese menschen mit brechmittel tötet oder alle im mittelmeer ersaufen läßt – glauben Sie, es dann klebt weniger blut an einem gramm kokain oder mehr?

          • @Pflasterstrand:

            Es geht mir nicht darum, Dealer zu töten, sondern darum, die Doppelmoral, Brechmitteleinsätze furchtbar schrecklich zu finden, den Konsum einer extrem blutigen Droge aber als selbstverständlichen Teil des Partylebens zu betrachten, aufzuzeigen. Wenn Leute, die die deutsche Polizei ganz schrecklich repressiv finden, sich am Samstag schon zum Vorglühen eine Line reinziehen, ohne an die Opfer der Kartelle zu denken, dann ist das verheuchelt. Und nein, damit meine ich nicht Sie.

            In jedem Fall muss man aber aufhören, so zu tun, als hätten die Straßendealer allesamt keine Wahl und so etwas wie eine möglichst behutsam und mitfühlend zu behandelnde Gruppe, die irgendeine Art von Schutz benötigt und zur Ausübung ihres Gewerbes ein Anrecht auf die Nutzung eines öffentlichen Parks hat. Genau das wird nämlich im Hinblick auf den Görlitzer Park immer impliziert.

  • Was würde man einem Touristen raten, der einen auf der Straße fragt, wo in Berlin am einfachsten Drogen kaufen kann?

    Eben.

    Wir alle wissen, welchen Ort wir ihm empfehlen würden. Also sollte auch keiner von uns Naivität heucheln, was den Görlitzer Park als Kriminalitätsschwerpunkt betrifft.

    • @Suryo:

      Wer Drogen kaufen will, findet immer einen Weg. Im übrigen ist der Verkauf und Kauf am Kotti wesentlich "bequemer" und da kann nix eingezäunt werden.



      Der Görlitzer Park selbst ist übrigens bereits seit Jahren wesentlich sicherer als die umliegenden Straßen. Aber wenn dort was passiert, berichten Polizei und Presse eben immer davon, es wäre im Görlitzer Park passiert. Grund dafür ist die Bezeichnung der ganzen Gegend als "Gefahrengebiet Görlitzer Park". Der Zaunbau geschieht letztlich gegen den Willen der großen Mehrheit der Anwohner, der BVV und des Bezirks. Und Kriminalität wird damit auchnicht verhindert.



      Zumal es mittlerweile mehr als fraglich ist, ob die mutmaßliche Gruppenvergewaltigung, die ja Anlaß für den Zaunbau Beschluss war überhaupt stattgefunden hat.

    • @Suryo:

      Hasenheide

      • @Pflasterstrand:

        Die kann dann als Nächstes eingezäunt werden.

        Der Görlitzer Park steht in internationalen Reiseführern als Drogenverkaufspark. Wenn der Bezirk so tut, als sei der Senat nicht berechtigt, das Verfahren an sich zu ziehen, weil die Sache nicht über den Bezirk hinausginge, ist das lächerlich. Die wissen alle genau, dass der Park weit über Kreuzberg hinaus bekannt ist. Und zwar nicht für seine schön gepflegten Anpflanzungen.

        • @Suryo:

          Sie können einzäunen was und so viel Sie wollen – dem Problem der Drogenkriminalität werden Sie damit nicht zu Leibe rücken, es höchstens von "hier" um ein paar Meter oder ein paar Kilometer nach "da" verschieben. Das ist der Graus an den populistischen Versprechen von CDU und SPD: Sie lösen nichts.

          • @Pflasterstrand:

            Dann wird es eben verschoben - aber wenigstens ist der Park dann wieder ein Park und kein Marktplatz für Drogen.

            Wenn eine Straße gekehrt wird, dann "löst" das ja auch nicht das Problem der Verschmutzung des öffentlichen Raumes an sich. Sollte man die BSR also als "populistisches Versprechen" abschaffen?

            • @Suryo:

              was für ein aberwitziger, geschmackloser, obszöner und menschenverachtender vergleich.

              • @Pflasterstrand:

                Es geht mir nicht um den Vergleich von Menschen mit Müll, sondern um die Schwächen Ihres Argumentes. Man muss nicht erst das ganz große Problem lösen, bevor man ein Teilproblem löst. Der Drogenhandel im Park und die durch ihn ausgelöste Verwahrlosung und Zerstörung des Parks sind konkrete Probleme, die man sehr wohl angehen kann, ohne das Problem des Drogenhandels als solchen lösen zu müssen.

          • @Pflasterstrand:

            Parks sind aber nicht für den drogenhandel da. Darum geht es.

            • @Suryo:

              Und bald auch nicht mehr für die Menschen.

              • @Anna Bell:

                Nachts nicht mehr. Aber woran liegt’s denn?