Bildungsministerin unter Druck: Wie man die Wissenschaft beleidigt

Bettina Stark-Watzinger ist eine Fehlbesetzung. Ihr Umgang mit der Fördergeld-Affäre ist eine Belastung für die Wissenschaftsfreiheit.

Bettina Stark-Watzinger (FDP), Bundesministerin für Bildung und Forschung, spricht nach der Regierungserklärung bei der Befragung der Bundesregierung im Plenarsaal im Deutschen Bundestag am 26.6.2024.

Immer noch im Amt: Bettina Stark-Watzinger (FDP), Bundesministerin für Bildung und Forschung Foto: Hannes P. Albert/dpa

Warum ist Bettina Stark-Watzinger immer noch im Amt? In dieser Woche musste sich die FDP-Bildungsministerin erstmals kritischen Fragen im Bundestag stellen. Doch statt sich zu entschuldigen, was angebracht gewesen wäre, wich sie aus, warf Nebelkerzen und gab vor, nicht gewusst zu haben, was in ihrem Ministerium vor sich geht. Das ist völlig unglaubwürdig und wäre an sich schon ein Grund, zurückzutreten. Selbst der Präsident des konservativen Hochschulverbands, Lambert Koch, sagte, die Fördergeld-Affäre sei für ihn damit noch „nicht abgeschlossen“.

Das ist höflich formuliert. Denn dass in ihrem Ministerium geprüft werden sollte, ob Wissenschaftlern, deren Meinung Stark-Watzinger missfiel, bereits zugesagte Fördergelder gestrichen werden könnten, ist ein Unding. Es bringt selbst Wissenschaftler, die ihr politisch nahe stehen, gegen sie auf. Fördergeld wird schließlich nach wissenschaftlichen Kriterien vergeben: Expertengremien beraten darüber; dafür gibt es klare Regeln. Es kann nicht einfach nach Gutsherrinnenart willkürlich entzogen werden, als Strafe für unbotmäßiges Verhalten.

Es wäre Stark-Watzingers Aufgabe, die Freiheit der Wissenschaft zu verteidigen. Darum war es schon ein absolutes No-Go, dass sie Wissenschaftlern, die im Mai einen offenen Brief für das Recht auf Protest an Hochschulen unterzeichnet hatten, unterstellt hatte, nicht auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen. Damit unterstützte Stark-Watzinger eine Kampagne der Bild-Zeitung gegen die Akademiker. Wenn jetzt mit Cornelia Woll von der Hertie School schon die dritte Berliner Uni-Präsidentin in Folge im Netz angegriffen wird, müsste sie sich eigentlich hinter sie stellen (auffällig oft werden Frauen attackiert). Stattdessen verteilt sie weiterhin Benimm-Noten für die vermeintlich richtige Gesinnung.

SPD und Grüne ganz sanft

Stark-Watzinger ist eine Fehlbesetzung. Über 3.200 Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wissenschaftler haben einen zweiten offenen Brief unterzeichnet, der ihren Rücktritt fordert. Ein Gespräch mit ihren Kritikern sucht sie nicht. Stattdessen mauert sie sich ein und versucht, die Affäre auszusitzen. Das Problem geht dabei längst über ihren Umgang mit der Fördergeld-Affäre hinaus. Schon lange wird ihr vorgeworfen, Forschungsgelder nach FDP-Parteilinie zu verteilen. Lobby Control weist darauf hin, dass das BMBF mit der Ludwig-Erhard-Stiftung eine Organisation fördert, in der Stark-Watzinger selbst Mitglied ist.

Stark-Watzinger wäre viel stärker unter Druck, wenn Grüne und SPD in der Opposition wären. Aber weil sie in der Ampel schon genug Ärger mit der FDP haben, fassen sie die Bildungsministerin nicht so hart an. Auch das ist eine Art, die Wissenschaft zu missachten und zu beleidigen.

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Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er schreibt über Politik und Popkultur – inbesondere über die deutsche Innen- und Außenpolitik, die Migrations- und Kulturpolitik sowie über Nahost-Debatten und andere Kulturkämpfe, Muslime und andere Minderheiten sowie über die Linkspartei und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW). 2015 erschien sein Buch “Angst ums Abendland” über antimuslimischen Rassismus. 2018 folgte das Buch “Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.”

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