Filmverleih Drop-Out Cinema: Filme, die durchs Raster fallen
Der Filmverleih Drop-Out Cinema präsentiert linke, randständige Filme. Damit möchte der Gründer Jörg van Bebber zur politischen Arbeit aufrufen.
„James Bond 007: Keine Zeit zu sterben“, „Avatar: The Way of Water“ und „Barbie“ bilden so etwas wie die Crème de la Crème der Blockbuster. Seit 2021 haben diese drei Filme an den deutschen Kinokassen das meiste Geld eingespielt. Das Publikum hierzulande ist blockbusteraffin und verfolgt die Abenteuer von Agent:innen und Minions. Von diesem Mainstream könnte der Filmverleih Drop-Out Cinema nicht weiter entfernt sein. Dafür ist er umso näher am politischen, anspruchsvollen und auch unbequemen Kino.
Während im populären Kino noch immer die Superheld:innen über die Leinwand fliegen, sucht man diese „Marvelisierung“, wie Tarantino sie einst nannte, bei Drop-Out Cinema vergebens. Seit zehn Jahren zeigt der Filmverleih, was anderswo kaum eine Bühne bekommt. Drop-Out Cinema konzentriert sich auf linke und politische Themen, darunter Flucht und Migration, Feminismus, Kapitalismuskritik, Klassen- und Arbeitskampf, Postkolonialismus, Marxismus und Menschenrechte. Die Agenda liest sich zwar etwas pauschal, und der Verleih kann auch unmöglich allen Themen simultan gerecht werden. Dafür sind die Akzente umso stärker.
Neu im Programm: „Ein Traum von Revolution“ und „Die Q ist ein Tier“. Die Regisseurin Petra Hoffmann erzählt mit ihrem Dokumentarfilm „Ein Traum von Revolution“, was nach der nicaraguanischen Revolution 1979 passierte und welche Rolle Westdeutschland dabei spielte. Die Gesellschaftssatire „Die Q ist ein Tier“ setzt sich kritisch mit der Massentierhaltung auseinander, ohne die typischen Schockbilder aus Schlachthäusern zu zeigen.
„Wir sind ein Verleih für Filme, die durch das Raster fallen. Wir zeigen randständige politische Filme, die bei Förderprogrammen keine Unterstützung finden“, sagt Jörg van Bebber. Vor rund zehn Jahren hat der gebürtige Ruhrgebietler Drop-Out Cinema ins Leben gerufen. Nun betreibt der 47-Jährige den Verleih von Mannheim aus und zeigt sein Programm in aktuell rund 50 Städten.
Als Genossenschaft organisiert
Dabei ist der Verleih eine Genossenschaft wie die taz. „Wenn wir ein gemeinnütziger Verein wären, könnten wir viele Förderprogramme nicht in Anspruch nehmen, da diese nur für gewerbliche Unternehmen sind. Das Profitinteresse ist also direkt in die Förderkultur eingeschrieben. Obwohl ich ehrlich gesagt denke, dass die meisten Verleiher keinen großen Profit damit machen“, so van Bebber.
Das Programm des Drop-Out Cinema ist zweigeteilt. Zum einen bietet es das PolitKino an, in dem sich Filme wie das Kolonialdrama „The Nightingale“ oder die Anarchismusdoku „Projekt A“ finden. Dazu gibt es das Cinema Obscure, das unkonventionelle und alternative Filme vereint. Dort sammeln sich surreale und blutige Filme wie „Mandy“ und „Megalomaniac“.
Für van Bebber sind auch radikale Filme, die Konventionen brechen, durchaus politisch. Er sieht aber im PolitKino und Cinema Obscure eine Möglichkeit, Leute miteinander ins Gespräch zu bringen: „Für mich ist Kulturarbeit auch immer eine politische Aufgabe. Denn durch sie werden Gespräche gefördert, und die Leute tauschen sich aus. Nicht alle können sich zu Hause zurückziehen und dieselben Netflix-Serien schauen. Am Ende wissen sie ja trotzdem nicht, was der andere schaut. Es findet eine Vereinzelung statt, der Austausch fehlt. Und Kino ist die Möglichkeit, die Menschen in einen Dialog zu bringen. Das hat letztens mit dem Film „The Zone of Interest“ gut geklappt. Über diesen Film finden jetzt viele Diskurse statt.“
Politische Filmarbeit
Unter dem Slogan „Gründet politische Filmclubs“ ruft Drop-Out Cinema auch abseits des eigenen Programms zur politischen Filmarbeit auf. Der Verleih möchte damit nicht nur zur Diskussion anregen, sondern hofft auf eigenständige, linke Initiativen. Das Programm soll als Impuls dafür dienen. Doch nicht jede Filmauswahl ist gelungen. Manche Filme bekommen nicht die gewünschte Resonanz und werden von den Kinos gemieden.
„Einer der größten Fehlgriffe in den letzten Jahren war der Film ‚Eine Revolution – Aufstand der Gelbwesten‘ “, so van Bebber. „Der Film sollte eigentlich ein Verständnis für die Bewegung vermitteln und zeigen, wie sie angefangen und sich organisiert hat. Aber die Leute schienen viele Vorbehalte gegen die Gelbwesten gehabt zu haben. Es gab kaum Kooperationspartner, die sich getraut haben, einen Film über die Gelbwesten zu zeigen. Das war ein verbranntes Thema.“ Er hofft trotzdem noch darauf, dass einige den Film für sich entdecken.
Obwohl die Filmindustrie durch und durch kapitalistisch ist, gibt es laut van Bebber kaum Konkurrenz zwischen den Verleihen und Kinobetreiber:innen. Zwar nehmen primär kleinere Programmkinos die Filme von Drop-Out Cinema auf, die großen Kinoketten braucht es in seinen Augen aber doch: „Die Relevanz des Kinos bindet sich auch daran, ob es noch eine Massenkultur ist. Deswegen bin ich sehr froh, dass es die großen Multiplexkinos gibt. Auch das Verhältnis zwischen den Kinos und Verleihen ist recht gut.“
Aufrütteln und Fragen stellen
In den letzten Jahren ist dem Gründer des Verleihs besonders ein Film in Erinnerung geblieben. „Animals – Wie wilde Tiere“, ein belgischer Film von 2021, der von einem Mord an einem Homosexuellen handelt. „Der Film wechselt zwischen der Opfer- und der Täterperspektive, und gerade dieser Wechsel geht sehr in die Magengrube. Aber der Film brennt sich ein“, meint er.
Und letztlich sollen die Filme von Drop-Out Cinema genau diesen Effekt haben. Sie wollen aufrütteln, sichtbar machen, kritisieren und Fragen stellen. Im besten Falle auch noch lange über den Abspann hinaus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!