Nach Nazi-Parolen auf Sylt: Studentin fliegt nicht von Uni

Die HAW in Hamburg hat entschieden: Die junge Frau, die auf Sylt rassistische Parolen gegrölt hat, darf an der Uni bleiben. Das ist gut so.

Ein Auto mit "Pony"-Aufschrift steht vor der Sylter Bar

Hier hatte die Hamburger Studentin rassistische Parolen gregrölt: Pony-Bar auf Sylt Foto: Georg Wendt/dpa

Die junge Frau, die sich an Pfingsten an rassistischen Gesängen im Rahmen einer Feier auf Sylt beteiligt hat, wird nicht von ihrer Hochschule exmatrikuliert. Das entsprechendes Verfahren wird nicht eingeleitet, teilte die Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaft (HAW) am Donnerstag mit. Hätte sie jedoch auf erfahrene Juristen gehört, hätte sie sich die ganze Debatte sparen können.

Die HAW stehe als weltoffene Hochschule „gegen Rassismus in jeglicher Form“ und habe sich eindeutig von dem viral gegangenen Video und den darin geäußerten Inhalten distanziert, schreibt die Hochschule in einer Mitteilung. Möglich wäre eine Exmatrikulation nach Paragraf 42 des Hamburgischen Hochschulgesetzes, wenn der Hochschule durch „schweres, schuldhaftes Verhalten ein erheblicher Schaden zugefügt“ wurde. Doch der zuständige „Exmatrikulationsausschuss“ habe sich nun „nach sorgfältiger Prüfung“ gegen die Einleitung eines solchen Verfahrens ausgesprochen.

Für die Entscheidung, dieses Verfahren gar nicht erst durchzuführen, ließ sich das Gremium fast drei Wochen Zeit. Parallel erhielt die Studentin ein zweimonatiges Hausverbot, dass bis zum Ende der Vorlesungszeit am 27. Juli gelten soll. Bei der Entscheidung habe man die „Verhältnismäßigkeit abgewogen“, schreibt die HAW, da es sich bei der Exmatrikulation um einen „schweren Grundrechtseingriff“ handele.

Das entspricht auch der Einschätzung von Juristen, die die taz vor drei Wochen danach fragte. Er halte den Paragrafen 42 hier für nicht einschlägig, sagte der Hamburger Anwalt Joachim Schaller. Was eine Studentin in ihrer Freizeit tue, habe mit der Hochschule nichts zu tun.

Der Paragraf ist das Problem

Doch die HAW hatte, kurz nachdem publik wurde, dass die junge Frau aus dem Video bei ihr studiert, öffentlich reagiert. Über Instagram zum Beispiel schrieb sie Ende Mai – vermutlich an die Studierenden gerichtet: „Wir möchten euch kurz informieren, wie es bezüglich des rassistischen Videos weitergeht.“ Sodann teilte sie mit, dass es ein Hausverbot gibt und die Prüfung eines Exmatrikulationsverfahrens, bat aber zugleich, die Persönlichkeitsrechte zu wahren und keine Namen zu nennen.

Die benachbarte Universität Hamburg hingegen reagierte kurz zuvor bei einem ähnlich gelagerten Fall wesentlich zurückhaltender. Als Journalisten aufdeckten, dass der Anmelder der umstrittenen Kalifats-Demos dort studierte, teilte sie auf Anfrage mit, dass dieser im universitären Kontext nicht aufgefallen und alles Weitere Sache von Justiz und Strafverfolgungsbehörden sei.

Zwar war die Welle der Empörung über die rassistischen Gesänge zum Party-Hit „L’amour toujours“ wichtig und berechtigt. Die Gesänge waren schließlich ekelhaft. Und es hat für die Betreffenden Nachteile, dass sie es taten – etwa, indem sie Jobs verloren. Aber an einer Hochschulleitung sollte die Welle branden. Die Idee, eine Exmatrikulation ins Auge zu fassen, war überzogen. Darüber in sozialen Netzen die Öffentlichkeit zu informieren, vielleicht auch.

Der Paragraf 42 an sich war in Hamburg bei der Einführung vor fast 20 Jahren umstritten. Was heißt es, einer Hochschule „schweren Schaden“ zuzufügen? Macht sich jemand strafbar, ist die Justiz zuständig. Und wir wollen doch, dass Menschen sich resozialisieren – dann brauchen sie auch eine Ausbildung, die sie zu Ende machen können. Selbst für jemanden im Gefängnis ist ein Fernstudium möglich. Der Paragraf 42 wurde bei seiner Einführung vor knapp 20 Jahren auch aus linker Perspektive kritisiert, weil man fürchtete, unliebsame, kritische Studierende könnten geschasst werden. Das wird nicht besser, wenn es Rechte trifft.

Auch die zwei Monate Hausverbot hören sich drastisch an. Nachvollziehbar, dass die Hochschulleitung die Lage irgendwie managen und befrieden wollte. Aber das ginge auch über internen Dialog. Gespräche mit der jungen Frau soll es inzwischen gegeben haben. Einer der Sylt-Sänger hat sich entschuldigt. Er könnte noch Nachahmer finden.

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Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.

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